Von Bahnhof zu Bahnhof – Albula und Konsorten
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Im Halbdämmer steigt rojosuiza in den falschen Zug, der prompt durchrauscht bei dem Anfangsbahnhof, und also fährt der geneigte Fahrplanleser seelenruhig durch den langen Tunnel. Da bleibt einem nur die Hoffnung, dass der Zug schon halten wird auf der anderen Seite.
Das tut er, der Zug, und damit ist die Wanderung schon einmal umgedreht, noch bevor sie überhaupt angefangen hat. Jetzt geht es halt von Preda nach Spinas, statt anders herum.
Die Baustelle von Preda, wer kennt sie nicht. Hier wird der Aushub aus dem neuen Albula-Tunnel verarbeitet. Es ist ein derartiges Chaos, dass rojosuiza den Ausgang erst nicht findet. Später, bei der Heimreise, sieht er aus dem fahrenden Zug ein Schild ‚Zu den Wanderwegen‘, aber jetzt, wo er auf der Suche ist nach so etwas, sieht er es nicht. Er stolpert ein wenig im Zeugs herum, und schliesslich kommt er doch aus dem Gewimmel heraus. Wie er sich im Labyrinth anstellt, das sieht zum Glück keiner, denn es ist keiner da. Die Richtung ist gefunden, durch den Wald geht es hinauf, am Anfang immer mit Durchblicken auf die verschlungenen Bahnen und Röhren der Tunnelbauer.
Auf geht’s alsdann zum ersten Zwischenziel, dem Lai da Palpuegna. Einiges ist dort verboten, auch das Zelten und Übernachten. Trotzdem ist es am prächtigen kleinen See voll mit Übernachtern. rojosuiza sieht viel Schwarz – ist es das Schwarz der Fahrenden Gesellen? Ein paar Rucksäcke, doch ein oder zwei Zelte, übernächtigte Gestalten – es herrscht hier viel Getue, wo rojosuiza stille Einsamkeit erwartet hat.
Sonst ist es auf dem Weg ruhig. Ein Verhauer bei Crap Alv, weil der Meister dem Wegweiser folgen will, statt der eigentlichen Wahl anhand der Karte, aber schliesslich folgt rojosuiza doch brav der Passstrasse ein kleines Stück. Nach einem Kilometerchen sehe ich parkierte Autos und rechts geht der erwartete Wanderweg ab, rechtschaffen in die Höhe. Vor mir laufen 3 ältere Semester – noch ältere Semester als rojosuiza selber! – die ich zuerst überhole, und die mich aber wieder einholen, als ich nach einer verschneiten Stelle falscherweise recht hinauf steige, während der Wanderweg nach dem Bach flach auf die andere Seite übersetzen würde… Während ich meinen Rastapfel gemächlich esse, steigen die drei stetig empor und verschwinden schliesslich, wohl Richtung Seen. Ich sehe sie später auf jeden Fall nicht mehr wieder, obwohl ich immer damit gerechnet habe.
Der See, den ich finde, der ist nett. Ich schaue etwas herum und mache mich auf der anderen Seite des Baches, der ihr Abfluss ist, daran, weiter hinan zu steigen. Es öffnet sich eine weite Hügellandschaft; der grosse Berg im Spiel steht beim See. Der Weg holt aus und führt in einem grossen Bogen hinauf zur Fuorcla Crap Alv. Man sieht den Wegweiser auf dem Pass von weitem, wie man aber immer näher kommt, wird das Bild immer imposanter. Nicht die Fuorcla macht es interessant, sondern was dahinter kommt. Da erhebt sich eine steile Pyramide, die unbezwingbar erscheint. Klassisch, wie man als Kind einen Berg gezeichnet hätte, ein Spitzer Winkel auf eine Ebene gestellt, gleichseitige Schenkel. Jetzt habe ich eine Vermutung, wer das sein muss, aber hätte man mir das an Ort und Stelle gesagt, hätte ich laut herausgelacht. Der unschuldige 3000er, auf den ich meinen bergungewohnten holländischen Radfreund geschleppt habe? – Hier zeigt er seine martialische Seite.
Auf dem Pass gibt es noch einen Apfel, zur Belohnung dieses Mal: der letzte war mehr zur Ermutigung. Nach der Rast reichen ein paar Schritte, bis sich das Gefühl einstellt, weiter vorne falle der Weg direkt ins Nichts. So überzeugend spaziert man auf die spitze Pyramide zu, als gebe es nichts zwischen mir und ihr – wenn nicht ein bodenloses Loch.
Nun denn, es gibt einen Weg. Steil fällt er hinunter zum Bergfluss Beverin. Berge sonder Zahl, man sieht bis zum fernen Talabschluss, von denen ich die Namen alle nicht kenne. Am Weg Abertausende von ganz verschiedenen Blumen. Während die Aufstiegseite relativ menschenleer gewesen ist – 4 Stück total – ist diese Seite recht gut ‚bemenscht‘. Das sollte mich nicht wundern, erklärt mir doch eine Dame, die die gleiche Wanderung macht wie ich, aber dann umgekehrt. Von hier aus, sagt sie, sei die Wanderung viel schöner, als die, die ich gemacht habe. Was den Blumenreichtum hier angeht, so mag das stimmen. Den Bombeneindruck, der das Überschreiten der Fuorcla mir gemacht hat, den wird sie aber nicht sehen – hat sie das Wunder doch in ihrem Rücken.
Schliesslich ist rojosuiza unten. Er darf dem Fluss nachhatschen, weiter als erwartet. Einige Male bildet der Fluss kleine Inseln. Auf einer steht ein Bänklein. Etwas Herz ist nötig, ein mutiger Sprung muss sein: und da liegt nun auf seinem Rücken auf dem Bänklein im Schatten der ermattete Bergheld, umtost von brausenden Wassern.
Was hat Spinas, mein Zielort, zu bieten? – Nun, einen Bahnhof hat es zu bieten. Einen Tunnelausgang hat es zu bieten, oder sogar zwei im Moment. Und ein Gasthaus hat es zu bieten. Das Gasthaus hat eine Gartenwirtschaft; sie ist über und über voll, es kann keiner mehr dazu. Aber rojosuiza braucht keine Sonne mehr, er hat zu viel Sonne gehabt. Er braucht Sonnenschutz. Den findet er in der Gaststube, dort ist er fast allein, abgesehen von rufenden, rennenden, wirbelnden Personal. Dank dem Geranten kommt das Gute zu ihm: zwei Latte Macchiato hintereinander.
Von Bahnhof zu Bahnhof, hoch über dem Albula-Tunnel der Rhätischen Bahn? Überschreiten der Fuorcla mit dem Steilen Zahn im Hintergrund? – rojosuiza ist’s rundherum zufrieden.
Nun noch eine Frage an die versammelte Lesergemeinde: Wie heisst denn die stolze Pyramide, die den Übergang über die Fuorcla von der Predaer-Seite zu einem solchen Fest macht? – Auf welchem Gipfel stand rojosuiza vor –zig Jahren, wenig beeindruckt, und hatte keine Ahnung, wie das von der Fuorcla her ausgesehen haben mag?
Tourengänger:
rojosuiza

Communities: Alleingänge/Solo, Passwanderungen
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