Fornys complet - ou presque...
Im Februar dieses Jahres machte mich
Bergamotte auf eine "komplette Überschreitung" von Dents Vertes inkusive Les Vanils aufmerksam. Wir diskutierten über mögliche Knackpunkte und legten das Projekt bis zum Sommer aufs Eis bzw. unter den Schnee, der noch bis Ende Mai zu immer neuen Skitourenprojekten lockte. Nachdem er dann bereits Anfang Juni den Dents die Zähne gezogen hatte, schien an einem der ersten Junisamstage mit sonnigem Wetter und trockenen Verhältnissen der Moment auch für eine "komplettierte Fornysrunde", eines an beiden Enden um Les Vanils und Les Vanils des Raveires ergänzten Fornys-Torsos und gewissermassen das Spiegelbild der Breccarunde, gekommen zu sein. Er hatte aber - was ich rückblickend gut nachvollziehen kann - für dieses Jahr seinen Appetit auf die Dents schon gestillt und war für einen Besuch bei Madame Fornys, berüchtigt für die Haare auf ihren Zähnen, nicht mehr zu begeistern. So beschloss ich kurzerhand, die Runde alleine zu versuchen. Um möglichst direkt sur Les Vanils zu gelangen, und von Le Brésil am anderen Ende des Glück verheissenden Hufeisens keinen allzu langen Rückweg gewärtigen zu müssen, wollte ich von Sous Les Vanels starten.
Kurz nach 6 Uhr querte ich bei kühlem Bergwind die Brücke über die rauschende La Jogne und stolperte im alles andere als malerischen Steinbruch auf einem rutschigen Kieshaufen zum ersten Schrofenhang, der mich zum Wald führte. Hier begann dass unterhaltsame Verwirrspiel um die zahlreichen Gipfel und Gipfelchen von Les Vanils und Les Dents Vertes. Nach einem wenig ermutigenden "Waldspaziergang" der besonderen Art bestätigte mir der atemberaubende Tiefblick von der ersten Gratschulter zur Jaunpassstrasse hinunter immerhin, dass ich schon ein wenig an Höhe gewonnen hatte. Die nächste Kuppe, von der man zwischen den Bäumen Richtung Charmey hinunter sah, wirkte zwar ziemlich unscheinbar, war aber bereits der Mont Chupiaô. Als nächstes peilte ich den markanten, aus dem Wald emporragenden Obelisken des Dent Bêche an (nicht Dent Blanche, wir befinden uns hier schliesslich im Hoheitsgebiet von Erhard Loretan und nicht in jenem von André Georges...), dem laut M. Brandt einzigen Klettergipfel der Vanils, bei dem ich aber unter dem kompakten, mit Bh und Hk versehenen Gipfelaufbau kleinlaut halblang machen musste, bevor mir nach einer kniffligen Umgehung in dessen SE-Flanke die Besteigung des NW gelegenen, etwas niedrigeren Zwillingsgipfels gelang. Noch ein Stockwerk höher steht der Brenloz, den ich nach einer weiteren, etwas leichteren Umgehung in dessen S-Flanke betreten konnte, und der einen schönen Tiefblick nach Charmey und zum Lac de Montsalvens gewährt. Auf den ersten schon recht schwierigen Teil der Vanils sollte nun der noch schwierigere zweite folgen. Nach kurzem Ab- und Wiederaufstieg nach SE und zuletzt einer leichten Klettereinlage stand ich auf der Pointe des Chambres, einem uncharakteristischen Eckpunkt, von dem der Grat nach ENE weiterzieht, über dem sich, fast schon bedrohlich anmutend, die nächste Felsbastion der Pointe sur le Roc auftürmt. Ich folgte weiter dem Grat, hielt erfolglos nach dem erlösenden Band von
Bergamotte Ausschau, und gelangte trotzdem ohne grössere Schwierigkeiten bis unter die Felsen der Bastion. Nach zwei Umgehungen in der NW-Flanke und dazwischen der Erkletterung des ca. 5m hohen Dent Motte auf dem Grat erreichte ich den Gipfelgrat und über diesen rückwärts nach W den höchsten Punkt mit einer Stange, wo ich eine erste Pause machte.
Nun bewegte ich mich in den Gefilden der Dents Vertes. Auf dem Weg zum Vanil du Gros Ladrey überkletterte ich womöglich Le Braconnier, bevor ich einen ziemlich direkten Aufstieg entlang der SW-Kante, mit einer Umgehung in der NW-Flanke und einer Querung auf einer Grasrampe zurück nach SE, wählte. Wieder markierte eine verrostete Stange den höchsten Punkt. Ein einfacher Abstieg führte mich zum Rastplatz beim Col ca. 1725m, wo der Bergweg von der Station Vounetse einmündet. Wie vor zehn Jahren vermutet, liess sich La Vigie problemlos und sogar genussvoll überklettern, und für den Aufstieg zum Dent de Vounetse, der Krönung der Dents Vertes, brauchte ich nur den roten Markierungen zu folgen. Das Gipfelkreuz nahm sich zwar etwas bescheiden aus, dafür bot sich die Gelegenheit für eine erste Zwischenbilanz mit Blick zurück und v.a. nach vorne. Letzterer besagte nämlich, dass das Gröbste keineswegs überstanden war, indem vorläufig weiter Wildwuchs drohte, und dies laut M. Brandt auf sage und schreibe - was gar nicht so einfach ist - weiteren 9 Gipfeln, als da sind: 1. Le Tsévrê, 2. Marietta, 3. La Chôla, 4. Le Ban du Bochon, 5. Le Lètchiâ, 6. Les Canines, 7. Les Aiglons, 8. La Tour Ronde, 9. und Le Moutonnier. Vermutlich überschritt ich dann alle neun, ohne es zu merken, ausser 3 und 8, die anhand des Führers und der Karte eindeutig zu identifizieren sind. Nach fünf Stunden aufmerksamem und angestrengtem Gras-, Fels- und Waldgestofer konnte ich beim Col 1740 endlich durchatmen und mich von Les Vanils und Les Dents Vertes dankend verabschieden. Die Pflicht hatte ich überstanden, und jetzt freute ich mich auf die Kür über die luftigen Grate der dritten und vierten Etappe der Runde.
Zum Auftakt bestieg ich zuerst das Signal de Férédetse, wo ich mir eine zweite Pause gönnte und mich auf die Königsetappe, die Traversierung vom Signal de Férédetse zum höchsten und Höhepunkt der gesamten Runde, den Vanil d'Arpille einzustimmen. Der meistens ausgesetzte Grat führt zuerst zum Col de Férédetse hinunter, und von dort über mehrere, z.T. schwierige Aufschwünge zum Gipfel. Das Panorama zu den umliegenden Préalpes und dazwischenliegenden Tälern ist einzigartig, und am heutigen Frühsommertag bewegte ich mich zudem in einem wahren Bergblumenparadies. Obwohl die Bahn jetzt mehr oder weniger frei war, hielten mich inzwischen spürbar schwere Beine, das bisweilen steile Gelände und die zunehmende Hitze, ausser bei flacheren oder abwärts führenden Passagen, immer wieder von lockerem Alpinerunning ab. Zudem nahm der Trinkvorrat bedenklich rasch ab, und so waren nach der Schlüsselstelle am Vanil d'Arpille NNW-Grat, die sich diesmal in trockenem Zustand problemlos überwinden liess, am oberen Gratdrittel mächtige Wächtenreste willkommen, in denen ich unter der von Erdstaub und Grashalmen bedeckten Oberfläche blendend weisse Schneehampfele ausgraben und sie mir wie eine Coupe Colonel genüsslich auf der Zunge zergehen lassen konnte. Auf dem Gipfel, den ich so erfrischt kurz danach begrüsste, leistete ich mir eine dritte Pause, genoss die Aussicht hinüber zu den Gastlosen und bereitete mich innerlich auf die vierte und letzte Etappe vor.
Diese vierte Etappe könnte man als umgekehrte Kurzfassung der ersten drei betrachten: ein abwechslungsreicher, technisch noch etwas anspruchsvollerer Alpinwandergrat, der faszinierende Retrospektiven hinüber zu den Vanils und den Dents gewährt, und dem für die Rückkehr ins Tal der zunehmend steilere bewaldete SW-Rücken der Vanils des Raveires folgt. Vom Vanil d'Arpille zum nur einen Katzensprung entfernten Vanil d'Orseire brauchte ich nicht lange, für die komplexe Felsformation im SW-Grat des letzteren, besonders für das Abklettern durch den langen Kamin aber schon etwas länger, dafür wurde ich unten beim nächsten Col wieder mit erfrischenden Schneeflecken belohnt. Auf dem wieder zunehmend überwachsenen Grat gelangte ich zum Laubspitz, wo mich der mir noch unbekannte Abstieg vom Laubspitz über die Vanils de Raveires erwartete.
Über zuerst nur wenig bewachsene Schrofen und Grasplanggen kam ich zuerst gut abwärts, Seitenblicke hinunter nach Les Raveires gaben mir aber bis auf Weiteres zu verstehen, dass das Gros an Höhenmetern erst noch zu bewältigen war. Der folgende z.T. sperrige Bergwald wies zuerst noch eine angenehme Neigung auf, wurde aber wie die konvexe Aufsprungbahn einer Skischanze zunehmend steiler, wobei sich der K-Punkt im Nichts zu verlieren schien. Tatsächlich stand ich dann schon bald vor einem abschüssigen durchwachsenen Felsgürtel, den ich aber glücklicherweise an einer Schwachstelle ohne Einsatz der Reepschnur überlisten konnte. Zuerst wiederum flacher gelangte ich über Gras und durch von morschen Baumstämmen und -ästen übersäten Wald wieder schneller abwärts, bis sich das vermaledeite Schanzenphänomen zum zweiten Mal bemerkbar machte, und diesmal noch ernsthafter. Beim K-Punkt angelangt, ergab ein ausgesetzter Augenschein Richtung W, dass ich mich oberhalb eines über hundert Meter hohen Felsabsturzes eines Steinbruchs befand, wo ein Durchkommen nicht möglich war. Und von etwas, das mit einem erlösenden Hillsize-Punkt vergleichbar wäre, fehlte jede Spur...Ich versuchte, trotz Durst und Müdigkeit, nicht nervös zu werden und Ruhe zu bewahren, querte zurück nach E, wo unten auch unbezwingbare Flühe lauerten, und stieg zu einem Band hoch, das mich zwischen Felsen nach ENE über den eingezeichneten Schrofen- und Gerölltrichter führte. Auf unangenehmen Felsen und durch rutschigen Bergwald gelangte ich an dessen oberes Ende und an seinem E Rand durch Wald zur eingezeichneten Schotterstrasse. Puh, wieder einmal mehr Glück als Verstand gehabt! Die Strasse führte mich zum Steinbruch, wo ich gottenfroh war, die Felsabbrüche diesmal von unten bestaunen zu dürfen und meinen langsam unerträglich geworden Durst an einer der Quellen, die dort in köstlicher Frische zwischen den Kalkschichten hervorsprudeln, löschte.
Von Le Brésil, das natürlich mit den Weiten des Paraná, Mato Grosso, Amazonas oder Sertaõ nicht die geringste Ähnlichkeit teilt - ausser villeicht den Urwald und die Sklavenarbeit in den Steinbrüchen -, führte mich ein wunderschön angelegter Wanderweg entlang dem rauschenden Jaunbach, durch abendliche Wiesen, wo die Grillen zirpten und Bauern das Heu eintaten, und entlang der Auenlandschaft eines Seitenarms zurück zum Ausgangspunkt. Fornys accompli: bis auf einen schillernden Mosaiksstein, den SW-Gipfel des Dent Bêche, dem einzigen Klettergipfel der ganzen Runde, schien das Unglaubliche wahr geworden zu sein...
1. Les Vanils
Vom Parkplatz Sous Les Vanels (872m) auf der Brücke über La Jogne zum Kieswerk und Einstieg über Kieshaufen. Nach NE auf Schrofen hinauf, zwischen zwei Felsgürteln hindurch und nach NW durch Wald (Militäranlagen) auf den Grat, der zum Mont Chupiaô (1238m) leitet. Abstieg nach E in den Sattel ca. 1215m und dem Grat entlang unter die markante Pyramide des Dent Bêche SW-Gipfels (1440m). Umgehung in der SE-Flanke und durch steilen Bergwald (Felsen, Wurzeln) zurück auf den Grat. Diesem folgend (II, ausgesetzt) nach SW zum Dent Bêche NW-Gipfel (1-2m niedriger). Zurück über den Grat und weiter unter den Brenloz (1463m), der in der S-Flanke umgangen wird, bis wieder auf den Grat aufgestiegen werden kann. Diesem entlang nach W auf den Gipfel, und zurück. Abstieg nach SE in den Sattel ca. 1415m und weiter nach SE, zuletzt über leichte Felsen (I) auf die Pointe de Chambres (1490m). Dem Grat entlang nach ENE und zuletzt steil hinauf bis unter die Felsen. Nach einer 1. Umgehung in der NW-Flanke durch eine Rinne zurück zum Grat und Erkletterung von W auf La Dent Motte (1726m, II, gleicher Abstieg). Nach einer 2. Umgehung in der NW-Flanke über einen steilen Grashang hinauf zum Gipfelgrat und nach WSW zur der Pointe sur le Roc (1764m, Stange), 2h 30min-3h, T6.
2. Les Dents Vertes
Abstieg rechts vom Grat nach NE, dann Übergang nach links und Querung der NW-Flanke des Vanil du Gros Ladrey (1790m), bis über diese steil (bis 60 Grad, Felsstufe II) auf den Gipfel aufgestiegen werden kann. Abstieg durch ein breites steiles Grascouloir nach NE und wieder rechts vom Grat zu einem Rastplatz (ca. 1725m, Holztisch und -bänke), von dem vermutlich zur Bergstation Vounetse (1626m) abgestiegen werden könnte. Überkletterung (II) oder SE Umgehung des Felsturms La Vigie (1770m) und über einen Grashang (rote Markierungen) auf den Dent de Vounetse (1813m). Abstieg rechts vom Grat nach NE und links über einen exponierten steilen Grashang auf La Chôla (1740m). Nun ohne grössere Schwierigkeiten meistens rechts vom Grat und zuletzt La Tour Ronde (1806m) passierend zum Col 1740. 2h-2h 15min, T6.
3. Signal de Férédetse-Vanile d'Arpille
Vom Col 1740 dem Grasgrat entlang hinauf zum Signal de Férédetse (1820m) und nach E zuletzt auf einem Pfad (weiss-rote Markierungen) hinunter zum Col de Férédetse (1713m). Weiter dem Grat entlang zu P. 1854 und P. 1957, über eine steilere Stufe zu P. 1992 und Abstieg in den Col 1941. Über den steilen und ausgesetzten NNW-Grat, eine ca. 2m hohe Felsstufe im unteren Drittel überwindend (II+, 1Bh, darüber rote Sicherungsstange, links oder rechts auch durch steiles Gras und Schrofen umgehbar) auf den Vanil d'Arpille (2085m). Abstieg auf einem guten Pfad entlang dem SW-Grat zum Col d'Arpille (1938m), 1h 45min-2h 15min, T6.
4. Vanil d'Orseire - Laubspitz-Vanils des Raveires
Vom Col d'Arpille (1938m) über den NE-Grat einfach auf den Vanil d'Orseire (2011m) und Abstieg über den SW-Grat in eine Scharte, wo der Grat kurz nach SE abbiegt. Über zwei kleine Felszähne (II) und rechts um einen grösseren Felsbuckel herum, dann wieder nach SW auf den SW Vorgipfel. Steil hinab zu zwei engen felsigen Kaminrinnen und durch die linke abkletternd hinunter (II) und zum Col 1910. Über eine weitere Graterhebung zu P. 1875, links vom Grat bis zu einer Felsscharte im Wald (I) und weiter nach SW hinauf zum Laubspitz (1803m). Abstieg über den steilen SW-Rücken der Vanils des Raveires auf Gras, Felsen und Schrofen und durch wilden Bergurwald zum Felsabbruch bei ca. 1450m, über den abgeklettert werden kann (II+). Weiter durch Bergwald und ab ca. 1050m Querung von W in die Rinne E vom Grat. Durch diese schräg nach SE abklettern und am E Rand der Geröllhalde hinunter zum Beginn der Schotterstrasse, die zum Steinbruch führt (Quelle zwischen den Gesteinsschichten, 1. Trinkgelegenheit seit dem Start). Auf der Strasse und über die Brücke nach Le Brésil (894m) und auf dem gelb markierten Wanderweg, zwischendurch La Jogne entlang, über Les Fornys (897m), Pont du Roc (882m) und Bonnefontaine (875m) zurück, 3h 30min-4h, T6.
Insgesamt 9h 45min-11h 30min.
Verhältnisse: sonnig mit Schleierwolken und heiss. Wald, Gras und Felsen trocken.
Material: Leichthelm, altes Eisgerät und ev. 30m Reepschnur für alle Fälle. Genügend Flüssigkeit mitnehmen, da auf der gesamten Route bis zur Rückkehr ins Tal kein Wasser und höchstens im Frühsommer oder Spätherbst Schneereste vorhanden sind.
Fahrplan: 6.15 Start, 7 Uhr Mont Chupiaô, 8 Uhr Brenloz, 9.15 Pointe sur le Roc, 9.45 Le Vanil du Gros Ladrey, 10.30 Dent de Vounetse, 11.15 Col 1740, 13 Uhr Vanil d'Arpille, Col d'Arpille 13.30, 13.45 Vanil d'Orseire, 14.45 Laubspitz, 16.45 Le Brésil, 17.30 retour.
Bemerkungen: auf Les Vanils und Les Dents Vertes sowie den Vanils des Raveires bewegt man sich oft in z.T. abschüssigem und sperrigem Bergurwald, auf den dazwischenliegenden Graten grösstenteils in anspruchsvollem Alpinwandergelände. In beiden Bereichen gibt es z.T. hilfreiche Pfadspuren und Wildwechsel.

Kurz nach 6 Uhr querte ich bei kühlem Bergwind die Brücke über die rauschende La Jogne und stolperte im alles andere als malerischen Steinbruch auf einem rutschigen Kieshaufen zum ersten Schrofenhang, der mich zum Wald führte. Hier begann dass unterhaltsame Verwirrspiel um die zahlreichen Gipfel und Gipfelchen von Les Vanils und Les Dents Vertes. Nach einem wenig ermutigenden "Waldspaziergang" der besonderen Art bestätigte mir der atemberaubende Tiefblick von der ersten Gratschulter zur Jaunpassstrasse hinunter immerhin, dass ich schon ein wenig an Höhe gewonnen hatte. Die nächste Kuppe, von der man zwischen den Bäumen Richtung Charmey hinunter sah, wirkte zwar ziemlich unscheinbar, war aber bereits der Mont Chupiaô. Als nächstes peilte ich den markanten, aus dem Wald emporragenden Obelisken des Dent Bêche an (nicht Dent Blanche, wir befinden uns hier schliesslich im Hoheitsgebiet von Erhard Loretan und nicht in jenem von André Georges...), dem laut M. Brandt einzigen Klettergipfel der Vanils, bei dem ich aber unter dem kompakten, mit Bh und Hk versehenen Gipfelaufbau kleinlaut halblang machen musste, bevor mir nach einer kniffligen Umgehung in dessen SE-Flanke die Besteigung des NW gelegenen, etwas niedrigeren Zwillingsgipfels gelang. Noch ein Stockwerk höher steht der Brenloz, den ich nach einer weiteren, etwas leichteren Umgehung in dessen S-Flanke betreten konnte, und der einen schönen Tiefblick nach Charmey und zum Lac de Montsalvens gewährt. Auf den ersten schon recht schwierigen Teil der Vanils sollte nun der noch schwierigere zweite folgen. Nach kurzem Ab- und Wiederaufstieg nach SE und zuletzt einer leichten Klettereinlage stand ich auf der Pointe des Chambres, einem uncharakteristischen Eckpunkt, von dem der Grat nach ENE weiterzieht, über dem sich, fast schon bedrohlich anmutend, die nächste Felsbastion der Pointe sur le Roc auftürmt. Ich folgte weiter dem Grat, hielt erfolglos nach dem erlösenden Band von

Nun bewegte ich mich in den Gefilden der Dents Vertes. Auf dem Weg zum Vanil du Gros Ladrey überkletterte ich womöglich Le Braconnier, bevor ich einen ziemlich direkten Aufstieg entlang der SW-Kante, mit einer Umgehung in der NW-Flanke und einer Querung auf einer Grasrampe zurück nach SE, wählte. Wieder markierte eine verrostete Stange den höchsten Punkt. Ein einfacher Abstieg führte mich zum Rastplatz beim Col ca. 1725m, wo der Bergweg von der Station Vounetse einmündet. Wie vor zehn Jahren vermutet, liess sich La Vigie problemlos und sogar genussvoll überklettern, und für den Aufstieg zum Dent de Vounetse, der Krönung der Dents Vertes, brauchte ich nur den roten Markierungen zu folgen. Das Gipfelkreuz nahm sich zwar etwas bescheiden aus, dafür bot sich die Gelegenheit für eine erste Zwischenbilanz mit Blick zurück und v.a. nach vorne. Letzterer besagte nämlich, dass das Gröbste keineswegs überstanden war, indem vorläufig weiter Wildwuchs drohte, und dies laut M. Brandt auf sage und schreibe - was gar nicht so einfach ist - weiteren 9 Gipfeln, als da sind: 1. Le Tsévrê, 2. Marietta, 3. La Chôla, 4. Le Ban du Bochon, 5. Le Lètchiâ, 6. Les Canines, 7. Les Aiglons, 8. La Tour Ronde, 9. und Le Moutonnier. Vermutlich überschritt ich dann alle neun, ohne es zu merken, ausser 3 und 8, die anhand des Führers und der Karte eindeutig zu identifizieren sind. Nach fünf Stunden aufmerksamem und angestrengtem Gras-, Fels- und Waldgestofer konnte ich beim Col 1740 endlich durchatmen und mich von Les Vanils und Les Dents Vertes dankend verabschieden. Die Pflicht hatte ich überstanden, und jetzt freute ich mich auf die Kür über die luftigen Grate der dritten und vierten Etappe der Runde.
Zum Auftakt bestieg ich zuerst das Signal de Férédetse, wo ich mir eine zweite Pause gönnte und mich auf die Königsetappe, die Traversierung vom Signal de Férédetse zum höchsten und Höhepunkt der gesamten Runde, den Vanil d'Arpille einzustimmen. Der meistens ausgesetzte Grat führt zuerst zum Col de Férédetse hinunter, und von dort über mehrere, z.T. schwierige Aufschwünge zum Gipfel. Das Panorama zu den umliegenden Préalpes und dazwischenliegenden Tälern ist einzigartig, und am heutigen Frühsommertag bewegte ich mich zudem in einem wahren Bergblumenparadies. Obwohl die Bahn jetzt mehr oder weniger frei war, hielten mich inzwischen spürbar schwere Beine, das bisweilen steile Gelände und die zunehmende Hitze, ausser bei flacheren oder abwärts führenden Passagen, immer wieder von lockerem Alpinerunning ab. Zudem nahm der Trinkvorrat bedenklich rasch ab, und so waren nach der Schlüsselstelle am Vanil d'Arpille NNW-Grat, die sich diesmal in trockenem Zustand problemlos überwinden liess, am oberen Gratdrittel mächtige Wächtenreste willkommen, in denen ich unter der von Erdstaub und Grashalmen bedeckten Oberfläche blendend weisse Schneehampfele ausgraben und sie mir wie eine Coupe Colonel genüsslich auf der Zunge zergehen lassen konnte. Auf dem Gipfel, den ich so erfrischt kurz danach begrüsste, leistete ich mir eine dritte Pause, genoss die Aussicht hinüber zu den Gastlosen und bereitete mich innerlich auf die vierte und letzte Etappe vor.
Diese vierte Etappe könnte man als umgekehrte Kurzfassung der ersten drei betrachten: ein abwechslungsreicher, technisch noch etwas anspruchsvollerer Alpinwandergrat, der faszinierende Retrospektiven hinüber zu den Vanils und den Dents gewährt, und dem für die Rückkehr ins Tal der zunehmend steilere bewaldete SW-Rücken der Vanils des Raveires folgt. Vom Vanil d'Arpille zum nur einen Katzensprung entfernten Vanil d'Orseire brauchte ich nicht lange, für die komplexe Felsformation im SW-Grat des letzteren, besonders für das Abklettern durch den langen Kamin aber schon etwas länger, dafür wurde ich unten beim nächsten Col wieder mit erfrischenden Schneeflecken belohnt. Auf dem wieder zunehmend überwachsenen Grat gelangte ich zum Laubspitz, wo mich der mir noch unbekannte Abstieg vom Laubspitz über die Vanils de Raveires erwartete.
Über zuerst nur wenig bewachsene Schrofen und Grasplanggen kam ich zuerst gut abwärts, Seitenblicke hinunter nach Les Raveires gaben mir aber bis auf Weiteres zu verstehen, dass das Gros an Höhenmetern erst noch zu bewältigen war. Der folgende z.T. sperrige Bergwald wies zuerst noch eine angenehme Neigung auf, wurde aber wie die konvexe Aufsprungbahn einer Skischanze zunehmend steiler, wobei sich der K-Punkt im Nichts zu verlieren schien. Tatsächlich stand ich dann schon bald vor einem abschüssigen durchwachsenen Felsgürtel, den ich aber glücklicherweise an einer Schwachstelle ohne Einsatz der Reepschnur überlisten konnte. Zuerst wiederum flacher gelangte ich über Gras und durch von morschen Baumstämmen und -ästen übersäten Wald wieder schneller abwärts, bis sich das vermaledeite Schanzenphänomen zum zweiten Mal bemerkbar machte, und diesmal noch ernsthafter. Beim K-Punkt angelangt, ergab ein ausgesetzter Augenschein Richtung W, dass ich mich oberhalb eines über hundert Meter hohen Felsabsturzes eines Steinbruchs befand, wo ein Durchkommen nicht möglich war. Und von etwas, das mit einem erlösenden Hillsize-Punkt vergleichbar wäre, fehlte jede Spur...Ich versuchte, trotz Durst und Müdigkeit, nicht nervös zu werden und Ruhe zu bewahren, querte zurück nach E, wo unten auch unbezwingbare Flühe lauerten, und stieg zu einem Band hoch, das mich zwischen Felsen nach ENE über den eingezeichneten Schrofen- und Gerölltrichter führte. Auf unangenehmen Felsen und durch rutschigen Bergwald gelangte ich an dessen oberes Ende und an seinem E Rand durch Wald zur eingezeichneten Schotterstrasse. Puh, wieder einmal mehr Glück als Verstand gehabt! Die Strasse führte mich zum Steinbruch, wo ich gottenfroh war, die Felsabbrüche diesmal von unten bestaunen zu dürfen und meinen langsam unerträglich geworden Durst an einer der Quellen, die dort in köstlicher Frische zwischen den Kalkschichten hervorsprudeln, löschte.
Von Le Brésil, das natürlich mit den Weiten des Paraná, Mato Grosso, Amazonas oder Sertaõ nicht die geringste Ähnlichkeit teilt - ausser villeicht den Urwald und die Sklavenarbeit in den Steinbrüchen -, führte mich ein wunderschön angelegter Wanderweg entlang dem rauschenden Jaunbach, durch abendliche Wiesen, wo die Grillen zirpten und Bauern das Heu eintaten, und entlang der Auenlandschaft eines Seitenarms zurück zum Ausgangspunkt. Fornys accompli: bis auf einen schillernden Mosaiksstein, den SW-Gipfel des Dent Bêche, dem einzigen Klettergipfel der ganzen Runde, schien das Unglaubliche wahr geworden zu sein...
1. Les Vanils
Vom Parkplatz Sous Les Vanels (872m) auf der Brücke über La Jogne zum Kieswerk und Einstieg über Kieshaufen. Nach NE auf Schrofen hinauf, zwischen zwei Felsgürteln hindurch und nach NW durch Wald (Militäranlagen) auf den Grat, der zum Mont Chupiaô (1238m) leitet. Abstieg nach E in den Sattel ca. 1215m und dem Grat entlang unter die markante Pyramide des Dent Bêche SW-Gipfels (1440m). Umgehung in der SE-Flanke und durch steilen Bergwald (Felsen, Wurzeln) zurück auf den Grat. Diesem folgend (II, ausgesetzt) nach SW zum Dent Bêche NW-Gipfel (1-2m niedriger). Zurück über den Grat und weiter unter den Brenloz (1463m), der in der S-Flanke umgangen wird, bis wieder auf den Grat aufgestiegen werden kann. Diesem entlang nach W auf den Gipfel, und zurück. Abstieg nach SE in den Sattel ca. 1415m und weiter nach SE, zuletzt über leichte Felsen (I) auf die Pointe de Chambres (1490m). Dem Grat entlang nach ENE und zuletzt steil hinauf bis unter die Felsen. Nach einer 1. Umgehung in der NW-Flanke durch eine Rinne zurück zum Grat und Erkletterung von W auf La Dent Motte (1726m, II, gleicher Abstieg). Nach einer 2. Umgehung in der NW-Flanke über einen steilen Grashang hinauf zum Gipfelgrat und nach WSW zur der Pointe sur le Roc (1764m, Stange), 2h 30min-3h, T6.
2. Les Dents Vertes
Abstieg rechts vom Grat nach NE, dann Übergang nach links und Querung der NW-Flanke des Vanil du Gros Ladrey (1790m), bis über diese steil (bis 60 Grad, Felsstufe II) auf den Gipfel aufgestiegen werden kann. Abstieg durch ein breites steiles Grascouloir nach NE und wieder rechts vom Grat zu einem Rastplatz (ca. 1725m, Holztisch und -bänke), von dem vermutlich zur Bergstation Vounetse (1626m) abgestiegen werden könnte. Überkletterung (II) oder SE Umgehung des Felsturms La Vigie (1770m) und über einen Grashang (rote Markierungen) auf den Dent de Vounetse (1813m). Abstieg rechts vom Grat nach NE und links über einen exponierten steilen Grashang auf La Chôla (1740m). Nun ohne grössere Schwierigkeiten meistens rechts vom Grat und zuletzt La Tour Ronde (1806m) passierend zum Col 1740. 2h-2h 15min, T6.
3. Signal de Férédetse-Vanile d'Arpille
Vom Col 1740 dem Grasgrat entlang hinauf zum Signal de Férédetse (1820m) und nach E zuletzt auf einem Pfad (weiss-rote Markierungen) hinunter zum Col de Férédetse (1713m). Weiter dem Grat entlang zu P. 1854 und P. 1957, über eine steilere Stufe zu P. 1992 und Abstieg in den Col 1941. Über den steilen und ausgesetzten NNW-Grat, eine ca. 2m hohe Felsstufe im unteren Drittel überwindend (II+, 1Bh, darüber rote Sicherungsstange, links oder rechts auch durch steiles Gras und Schrofen umgehbar) auf den Vanil d'Arpille (2085m). Abstieg auf einem guten Pfad entlang dem SW-Grat zum Col d'Arpille (1938m), 1h 45min-2h 15min, T6.
4. Vanil d'Orseire - Laubspitz-Vanils des Raveires
Vom Col d'Arpille (1938m) über den NE-Grat einfach auf den Vanil d'Orseire (2011m) und Abstieg über den SW-Grat in eine Scharte, wo der Grat kurz nach SE abbiegt. Über zwei kleine Felszähne (II) und rechts um einen grösseren Felsbuckel herum, dann wieder nach SW auf den SW Vorgipfel. Steil hinab zu zwei engen felsigen Kaminrinnen und durch die linke abkletternd hinunter (II) und zum Col 1910. Über eine weitere Graterhebung zu P. 1875, links vom Grat bis zu einer Felsscharte im Wald (I) und weiter nach SW hinauf zum Laubspitz (1803m). Abstieg über den steilen SW-Rücken der Vanils des Raveires auf Gras, Felsen und Schrofen und durch wilden Bergurwald zum Felsabbruch bei ca. 1450m, über den abgeklettert werden kann (II+). Weiter durch Bergwald und ab ca. 1050m Querung von W in die Rinne E vom Grat. Durch diese schräg nach SE abklettern und am E Rand der Geröllhalde hinunter zum Beginn der Schotterstrasse, die zum Steinbruch führt (Quelle zwischen den Gesteinsschichten, 1. Trinkgelegenheit seit dem Start). Auf der Strasse und über die Brücke nach Le Brésil (894m) und auf dem gelb markierten Wanderweg, zwischendurch La Jogne entlang, über Les Fornys (897m), Pont du Roc (882m) und Bonnefontaine (875m) zurück, 3h 30min-4h, T6.
Insgesamt 9h 45min-11h 30min.
Verhältnisse: sonnig mit Schleierwolken und heiss. Wald, Gras und Felsen trocken.
Material: Leichthelm, altes Eisgerät und ev. 30m Reepschnur für alle Fälle. Genügend Flüssigkeit mitnehmen, da auf der gesamten Route bis zur Rückkehr ins Tal kein Wasser und höchstens im Frühsommer oder Spätherbst Schneereste vorhanden sind.
Fahrplan: 6.15 Start, 7 Uhr Mont Chupiaô, 8 Uhr Brenloz, 9.15 Pointe sur le Roc, 9.45 Le Vanil du Gros Ladrey, 10.30 Dent de Vounetse, 11.15 Col 1740, 13 Uhr Vanil d'Arpille, Col d'Arpille 13.30, 13.45 Vanil d'Orseire, 14.45 Laubspitz, 16.45 Le Brésil, 17.30 retour.
Bemerkungen: auf Les Vanils und Les Dents Vertes sowie den Vanils des Raveires bewegt man sich oft in z.T. abschüssigem und sperrigem Bergurwald, auf den dazwischenliegenden Graten grösstenteils in anspruchsvollem Alpinwandergelände. In beiden Bereichen gibt es z.T. hilfreiche Pfadspuren und Wildwechsel.
Tourengänger:
lorenzo

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