Freud' und Leid am Ortler 3905m Hintergrat
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Am Vortag wechselten wir vom Gepatschhaus im Kaunertal nach Sulden am Ortler und stiegen zur Hintergrathütte auf. Wegen meiner dummen Verstauchung mussten wir unterwegs noch eine Stützbandage kaufen. Mit dieser und dem Tape war es ok. Dennoch ist heute nicht ganz sicher, ob wir es schaffen würden. Wir vereinbarten bis zum Einstieg zu gehen und dort zu entscheiden.
Zustieg und schmerzstillender Schock
Am Morgen regnet es etwas. Eine Bergführerseilschaft will den Langen Suldengrat gehen. Der unwillige Gast zeigt jedoch keine Ambitionen wirklich pünktlich zu starten. Kuriose Szenen mit Spannung in der Luft. Wir verlassen mit als letzte Seilschaft die Hütte und bewegen uns gleichmäßig in Richtung Suldenfernermoräne und Schuttfeld. Mit Stöcken und ohne Steigeisen an den Schuhen lässt es sich ganz gut aushalten mit meinem Knöchel.
Kurz vor dem Einstieg überholt uns noch eine junge Zweierseilschaft. Die Kraxelei (II) bis zum Oberen Knott zeigt sich zunächst schmerzhafter als erwartet, wird zum Glück aber auch nicht stärker. Einmal als ich gerade einen längeren "Kletterzug" beginnen möchte, scheppert es oberhalb ziemlich und Helmut warnt mich gleichzeitig vor Steinschlag von den oberen Seilschaften. Toll - ich befinde mich mitten in der Rinne. Erschrocken werfe ich mich direkt unter die steile Stelle, die ich eben noch ersteigen wollte, schon poltert und pfeift es mehrmals um mich herum. Einer hatte etwa Melonengröße! Als es sich beruhigt hatte, steige ich dankbar, hellwach und konzentriert weiter. Von Schmerzen im Knöchel plötzlich keine Spur mehr! Da ich langsamer klettern musste, war Helmut bereits weiter oben auf einem Absatz am Rand der Rinne und konnte so den Steinschlag frühzeitig bemerken und mich warnen. So erweist sich mein Handicap indirekt als hilfreich.
Am Oberen Knott betreten wir den eigentlichen Hintergrat auf einem seichten Absatz. Erneut umfängt uns wunderschönes Sonnenlicht. Erinnerungen an die wilde Tour im Mai 2017 werden lebendig.
Der Grat mit Freuden
Hinauf zum Aufschwung vor dem Signalkopf gelangen wir nach einer kurzen Pause zügig. Oben sichern wir uns erstmalig für den Abstieg zum Band (III), welches um den Signalkopf links herum (BH, KK/Friends) und ausgesetzt hinüber zur Schlüsselstelle führt. Die überwinden wir schnell, wobei Helmut vorsteigt. Ab sofort gehen wir in Wechselführung und später gleichzeitig. Vor uns treffen wir nun die beiden Jungs vom Einstieg wieder. Einer hat seinen Stand mit einer Affenfaust verstärkt, was ihn für mich sofort als Sachse identifiziert. Kurzer fröhlicher Smalltalk und weiter geht's. Unseren Vorschlag besser gemeinsam über den Gletscher später abzusteigen lehnen sie vorerst ab.
Am 2. Eisfeld können wir sogar inzwischen ohne Steigeisen aufsteigen (gute Spur+weicherer Firn). Vor der 2. Schlüsselstelle rätseln wir erst kurz, wo wir genau hoch müssen. Die zwei vor uns lassen uns vor. Während wir so den Standplatz aufbauen, kommt einer in Turnschuhen vorbei geklettert. Ich kann kaum hinsehen, als er so locker flockig über diese IVer-Stelle (lt. Topo) freesolo klettert. Die Tritte sind hier eben doch schon ziemlich abgespeckt. Macht er sicher öfters...
Wir überwinden kurz danach vorsichtig diese Stelle und erledigen die wenigen Restmeter simultan. Am Gipfel teilen wir Schokolade und Getränk mit der anderen Seilschaft. Inzwischen haben sie sich doch entschieden lieber zu viert als zu zweit über den Gletscher zu gehen.
Der Abstieg ohne Leiden
Nach ausgiebiger Rast gehen wir also gemeinsam bis fast hinab zur Biwakschachtel. Wir trennen uns hier wieder. Die Firnauflage scheint noch akzeptabel zu sein, bzw. sind einige Stellen einfach aper. Deshalb steigen wir das Steilstück am Bärenloch ab bis zu einem Schlingenstand. Dort lassen wir einige vorbei ziehen und entscheiden uns auch gegen das Abseilen, da sich das Eis meistens griffig zeigt. Vier junge Mädels, die z.T. schon etwas ausgelaugt wirken, lassen wir auch noch vor.
Die letzte von ihnen steigt überaus unsicher im bis 45° steilen Eis ungesichert ab. Ein Angebot sie zu sichern lehnt sie ab. Später im Fels treffen wir an der Schlüsselstelle vom Normweg wieder auf die vier: die unsicherste "sichert" ihre drei Partnerinnen gleichzeitig an der Stange, indem sie das Seil zweimal herum wickelt. Und sie ist selber noch eingebunden und hat sich nicht extra gesichert. Als wir sie warnen vor dem Käse, kommt von vorn unten nur: "I bin mir 99,9% sicher, dass i hier ned abstürz!". Aber dass ihre weniger erfahrene Freundin dann oben komplett frei abklettern muss, ist ihnen wohl nicht in den Sinn gekommen.
Diesmal nimmt die zurück Gelassene das Sicherungsangebot an. Also wir nehmen sie in die Mitte, um von unten assistieren zu können, falls nötig. Helmut erklärt unten den Vieren, was in seinen Augen so gefährlich an ihrer Aktion war. Sie haben offensichtlich verschiedene Meinungen dazu. Eigentlich ist es mir persönlich höchst unangenehm anderen so in die Partie zu fahren. Hier jedoch stimme ich meinem erfahrenen Seilpartner zu. Man würde bei einem Unfall später vielleicht auch auf die Frage kommen, wieso wir als DAV-Trainer zu dem Sicherungsverhalten so gar nichts gesagt hätten.
Weiter unten holen wir die deutlich schnelleren Damen nochmal ein, wo es etwas unübersichtlich wird. Da wir ja erst einige Wochen zuvor hier waren (siehe Bericht hier), gab es hier für uns keine Fragen, wo eine gute Route durch das brüchige Gestein führt. Sehr glücklich bin ich auch darüber, hier nun nicht mehr mit den Steigeisen gehen zu müssen. Damit läuft man doch weit weniger seitenstabil und braucht deshalb fitte Gelenke.
Gegen 14:30 Uhr treffen wir gut an der Payerhütte ein. Die Mädels steigen sogar noch ab ins Tal, von wo sie vorige Nacht auch starteten - chapeau - heftige Leistung ("Wer das schafft, braucht doch eh keine Sicherung?!")!
Mit den beiden anderen unterhalten wir uns noch länger und lassen dann den Abend gemütlich ausklingen. Der Fuß sieht gar nicht so schlimm aus wie befürchtet. Er wird mich aber noch einige Wochen beschäftigen.
Am nächsten Tag steigen wir noch bis Langenstein ab, fahren per Sessellift ins Tal und wechseln nochmals zur Schaubachhütte. An die haben wir bleibende schlechte Eindrücke seit unserer Alpinclubtour. Die Suldenspitze-Eisseespitze Überschreitung soll es am Folgetag noch werden.
So richtig Freude empfindet man ja oft erst nach dem Ende eines gewissen Leidensweges. Nach dem Steinschlag-Schreck gab es eigentlich nur noch die reine Freud'!
Über den Hintergrat wurde schon sehr viel geschrieben. Herausragende landschaftliche Schönheit und Abwechslungsreichtum sorgen in der Hauptsaison für große Besucherzahlen. Dennoch lohnt sich dieser Grat sehr, wenn man mit guten Voraussetzungen anreist (möglichst ohne schmerzenden Fuß!). Tendenziell hilft es vor allem im Abstieg, wenn man früh im Jahr unterwegs ist. Auch die Firnpassagen am Grat möchte man sicher nicht gern im Blankeis gehen. Umso mehr danke ich Helmut für die gute Idee und sichere Begleitung auf der erstklassigen Tour und Gott für alle Bewahrung.
Zustieg und schmerzstillender Schock
Am Morgen regnet es etwas. Eine Bergführerseilschaft will den Langen Suldengrat gehen. Der unwillige Gast zeigt jedoch keine Ambitionen wirklich pünktlich zu starten. Kuriose Szenen mit Spannung in der Luft. Wir verlassen mit als letzte Seilschaft die Hütte und bewegen uns gleichmäßig in Richtung Suldenfernermoräne und Schuttfeld. Mit Stöcken und ohne Steigeisen an den Schuhen lässt es sich ganz gut aushalten mit meinem Knöchel.
Kurz vor dem Einstieg überholt uns noch eine junge Zweierseilschaft. Die Kraxelei (II) bis zum Oberen Knott zeigt sich zunächst schmerzhafter als erwartet, wird zum Glück aber auch nicht stärker. Einmal als ich gerade einen längeren "Kletterzug" beginnen möchte, scheppert es oberhalb ziemlich und Helmut warnt mich gleichzeitig vor Steinschlag von den oberen Seilschaften. Toll - ich befinde mich mitten in der Rinne. Erschrocken werfe ich mich direkt unter die steile Stelle, die ich eben noch ersteigen wollte, schon poltert und pfeift es mehrmals um mich herum. Einer hatte etwa Melonengröße! Als es sich beruhigt hatte, steige ich dankbar, hellwach und konzentriert weiter. Von Schmerzen im Knöchel plötzlich keine Spur mehr! Da ich langsamer klettern musste, war Helmut bereits weiter oben auf einem Absatz am Rand der Rinne und konnte so den Steinschlag frühzeitig bemerken und mich warnen. So erweist sich mein Handicap indirekt als hilfreich.
Am Oberen Knott betreten wir den eigentlichen Hintergrat auf einem seichten Absatz. Erneut umfängt uns wunderschönes Sonnenlicht. Erinnerungen an die wilde Tour im Mai 2017 werden lebendig.
Der Grat mit Freuden
Hinauf zum Aufschwung vor dem Signalkopf gelangen wir nach einer kurzen Pause zügig. Oben sichern wir uns erstmalig für den Abstieg zum Band (III), welches um den Signalkopf links herum (BH, KK/Friends) und ausgesetzt hinüber zur Schlüsselstelle führt. Die überwinden wir schnell, wobei Helmut vorsteigt. Ab sofort gehen wir in Wechselführung und später gleichzeitig. Vor uns treffen wir nun die beiden Jungs vom Einstieg wieder. Einer hat seinen Stand mit einer Affenfaust verstärkt, was ihn für mich sofort als Sachse identifiziert. Kurzer fröhlicher Smalltalk und weiter geht's. Unseren Vorschlag besser gemeinsam über den Gletscher später abzusteigen lehnen sie vorerst ab.
Am 2. Eisfeld können wir sogar inzwischen ohne Steigeisen aufsteigen (gute Spur+weicherer Firn). Vor der 2. Schlüsselstelle rätseln wir erst kurz, wo wir genau hoch müssen. Die zwei vor uns lassen uns vor. Während wir so den Standplatz aufbauen, kommt einer in Turnschuhen vorbei geklettert. Ich kann kaum hinsehen, als er so locker flockig über diese IVer-Stelle (lt. Topo) freesolo klettert. Die Tritte sind hier eben doch schon ziemlich abgespeckt. Macht er sicher öfters...
Wir überwinden kurz danach vorsichtig diese Stelle und erledigen die wenigen Restmeter simultan. Am Gipfel teilen wir Schokolade und Getränk mit der anderen Seilschaft. Inzwischen haben sie sich doch entschieden lieber zu viert als zu zweit über den Gletscher zu gehen.
Der Abstieg ohne Leiden
Nach ausgiebiger Rast gehen wir also gemeinsam bis fast hinab zur Biwakschachtel. Wir trennen uns hier wieder. Die Firnauflage scheint noch akzeptabel zu sein, bzw. sind einige Stellen einfach aper. Deshalb steigen wir das Steilstück am Bärenloch ab bis zu einem Schlingenstand. Dort lassen wir einige vorbei ziehen und entscheiden uns auch gegen das Abseilen, da sich das Eis meistens griffig zeigt. Vier junge Mädels, die z.T. schon etwas ausgelaugt wirken, lassen wir auch noch vor.
Die letzte von ihnen steigt überaus unsicher im bis 45° steilen Eis ungesichert ab. Ein Angebot sie zu sichern lehnt sie ab. Später im Fels treffen wir an der Schlüsselstelle vom Normweg wieder auf die vier: die unsicherste "sichert" ihre drei Partnerinnen gleichzeitig an der Stange, indem sie das Seil zweimal herum wickelt. Und sie ist selber noch eingebunden und hat sich nicht extra gesichert. Als wir sie warnen vor dem Käse, kommt von vorn unten nur: "I bin mir 99,9% sicher, dass i hier ned abstürz!". Aber dass ihre weniger erfahrene Freundin dann oben komplett frei abklettern muss, ist ihnen wohl nicht in den Sinn gekommen.
Diesmal nimmt die zurück Gelassene das Sicherungsangebot an. Also wir nehmen sie in die Mitte, um von unten assistieren zu können, falls nötig. Helmut erklärt unten den Vieren, was in seinen Augen so gefährlich an ihrer Aktion war. Sie haben offensichtlich verschiedene Meinungen dazu. Eigentlich ist es mir persönlich höchst unangenehm anderen so in die Partie zu fahren. Hier jedoch stimme ich meinem erfahrenen Seilpartner zu. Man würde bei einem Unfall später vielleicht auch auf die Frage kommen, wieso wir als DAV-Trainer zu dem Sicherungsverhalten so gar nichts gesagt hätten.
Weiter unten holen wir die deutlich schnelleren Damen nochmal ein, wo es etwas unübersichtlich wird. Da wir ja erst einige Wochen zuvor hier waren (siehe Bericht hier), gab es hier für uns keine Fragen, wo eine gute Route durch das brüchige Gestein führt. Sehr glücklich bin ich auch darüber, hier nun nicht mehr mit den Steigeisen gehen zu müssen. Damit läuft man doch weit weniger seitenstabil und braucht deshalb fitte Gelenke.
Gegen 14:30 Uhr treffen wir gut an der Payerhütte ein. Die Mädels steigen sogar noch ab ins Tal, von wo sie vorige Nacht auch starteten - chapeau - heftige Leistung ("Wer das schafft, braucht doch eh keine Sicherung?!")!
Mit den beiden anderen unterhalten wir uns noch länger und lassen dann den Abend gemütlich ausklingen. Der Fuß sieht gar nicht so schlimm aus wie befürchtet. Er wird mich aber noch einige Wochen beschäftigen.
Am nächsten Tag steigen wir noch bis Langenstein ab, fahren per Sessellift ins Tal und wechseln nochmals zur Schaubachhütte. An die haben wir bleibende schlechte Eindrücke seit unserer Alpinclubtour. Die Suldenspitze-Eisseespitze Überschreitung soll es am Folgetag noch werden.
So richtig Freude empfindet man ja oft erst nach dem Ende eines gewissen Leidensweges. Nach dem Steinschlag-Schreck gab es eigentlich nur noch die reine Freud'!
Über den Hintergrat wurde schon sehr viel geschrieben. Herausragende landschaftliche Schönheit und Abwechslungsreichtum sorgen in der Hauptsaison für große Besucherzahlen. Dennoch lohnt sich dieser Grat sehr, wenn man mit guten Voraussetzungen anreist (möglichst ohne schmerzenden Fuß!). Tendenziell hilft es vor allem im Abstieg, wenn man früh im Jahr unterwegs ist. Auch die Firnpassagen am Grat möchte man sicher nicht gern im Blankeis gehen. Umso mehr danke ich Helmut für die gute Idee und sichere Begleitung auf der erstklassigen Tour und Gott für alle Bewahrung.
Tourengänger:
alpensucht

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