Alpinclub Berlin - Erfolg am Ortler 3905m


Publiziert von alpensucht , 10. Januar 2021 um 22:27.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:28 Juni 2020
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 6 Tage
Aufstieg: 3700 m
Abstieg: 3700 m
Strecke:1. 5km 2. 8km 3. 6km 4. 3km 5. 4km

Eine gelungene Alpenvereinstour erfordert  monatelange Vorausplanung, Organisation und Kommunikation. Dieses Jahr gibt es bekanntlich einige Unwägbarkeiten. Doch die Hütten im Zielgebiet gaben alle grünes Licht.
Zur Vorbereitung aller Teilnehmer trafen wir uns mehrfach zur Vorbesprechung, zu Training und Ausrüstungscheck.


1. Zustieg und Training  T2, L, 900Hm, 4h
Am 27.6. treffen wir uns dann endlich abends in der Stadt, um gemeinsam mit einem Siebensitzer loszufahren. Am folgenden Vormittag erreichen wir Sulden und steigen gleich zu Fuß mit vollen Rucksäcken in der Hitze zur Schaubachhütte auf. Nach dem Einchecken und
Umpacken inspizieren wir das umliegende Gelände in aller Ruhe und gehen mit Hochtourenausrüstung ein Stück auf den Suldenferner. Das Ziel ist intensives Training der Pickelbremse im Firn. Das üben wir in geeignetem Gelände mit großem Spaß. Firn hat es noch jede Menge.

Eine große Mannschaft der Bergwacht trainiert heute auch weiter oben auf dem Gletscher. So nutzen wir das gute Wetter heute noch, denn am Folgetag würde es regnerisch werden.

Ursprünglich sollte der 2. Tag eine Akklimatisierungstour zur Eisseespitze bringen.
Hochtourengruppenleiter Helmut entschloss sich kurzfristig noch zu uns zu stoßen und mich zu unterstützen. Mit ihm gemeinsam entscheiden wir abends den Plan zu ändern und schon am Folgetag zur Payerhütte zu wechseln.
Das erklären wir haarklein dem Personal der Schaubachhütte, da wir auf ein sehr frühes Frühstück angewiesen sind. Es wird uns zugesagt.


2. Kein Frühstück auf der Schaubachhütte! Übergang zur Payer  T4, 1000Hm, 8h
Am nächsten Morgen jedoch spielen sich wirklich kuriose Szenen ab. Kein Frühstück! Das Zimmer der beiden moldawischen Hüttendamen halb offen, wird von innen abgeschlossen, als wir deutlicher nach ihnen rufen. Wir entschließen uns um 5:45 Uhr ohne Frühstück aufzubrechen in der Hoffnung auf die nahe Hintergrathütte.
Wir steigen also zur Mittelstation ab und drüben wieder hinauf, um dann festzustellen, dass die Hütte abgeschlossen ist und sich niemand blicken lässt. Jeder verzehrt also eine knappe Ration aus dem persönlichen Bestand oder vertröstet sich auf die nochmal 2h entfernte K2-Hütte (Langenstein-Bergstation).
Dort gönnen wir uns um 10 Uhr endlich eine große Pause mit gutem Essen. Inzwischen regnet es kräftiger. Dennoch gehen wir weiter über die Tabaretta bis zur Payerhütte. Hier wird meine Hoffnung auf Erfolg langsam größer. Keiner beschwert sich über das Wetter, Probleme, oder das moderate Tempo. Der Weg erweist sich als außerordentlich reizvoll, gut markiert und gut abgesichert.

Oberhalb der Bärenkopfscharte gibt es manche etwas ausgesetzte Passagen. Die Hütte erreichen wir gut gelaunt um 13:45 Uhr. Hier weht ein ganz anderer Wind von Gastfreundschaft. Die erfahrene Wirtin ist überaus sympatisch, wohlwollend und zuvorkommend. Der direkte Blick auf den vielen aufgeweichten Firn in den steilen Passagen vom Normalweg verdeutlicht uns die zu erwartenden Schwierigkeiten und objektiven Gefahren am Folgetag. Dazu kommt, dass wir defensiv taktieren müssen, weil wir nicht optimal an die Höhe angepasst sein werden.

3. Gipfelerfolg!  ZS-, (eine Stelle) III, 1000Hm, 10h
Heute also dürfen wir pünktlich ausgiebig frühstücken und Marschtee mitnehmen, so wie es guter Standart ist. 5 Uhr brechen wir auf und gebrauchen schnell schon die Steigeisen in der heiklen 40° steilen Firn-über Schotter-Querung. Danach kraxeln wir im II. Grad wechselnd mit Gehgelände.

Nach einer Stunde läuft bei einem Teilnehmer der Marschtee unten durch das Rucksackmaterial - Pause, Schadensbegrenzung! Einige erklären sich bereit mit ihm zu teilen, wenn es knapp wird mit der Flüssigkeit. So steigen wir bedenkenlos weiter durch das teils ziemlich brüchige Gelände. 6 Uhr. Das Kettenwandl (70m) erfordert viel Kraft und spart enorm Zeit v.a. im Abstieg, denn ohne Kette wären das 2 SL II-III, die man mit einer Gruppe sichern müsste. Stau gibt es hier schon so genug. Zum Glück aber nicht heute!
Über die Schlüsselstelle steigt Helmut flott vor, und wundert sich anschließend, dass das die Schlüsselstelle gewesen sein soll. Es ist eine etwas abgeschliffene und dennoch griffige steile und ausgesetzte Kletterstelle mit wenigen Zügen III. Oberhalb gibt es Haken und Stangen zum Sichern. Nach weiteren kurzen Eistraversen (gespurt) gelangen wir über ein steiles Wandl mit Eisenstiften und Stahlseil auf den Gletscher. 7:10 Uhr.

Gemeinsam steigen wir nun langsam am steilen Bärenloch durch das Eis hinauf bis zum Absatz, auf dem das Lombardibiwak bereit steht. Hier oben entscheiden wir die Seilschaften nach persönlicher Leistung aufzuteilen. Helmut führt die ruhigeren Teilnehmer. Mit den anderen gehe ich weiter den steilen Hang in Serpentinen hinauf, obwohl sicherlich mindestens der rastlose und sehr fitte Jannis für einen Direktaufstieg gewesen wäre (40-45°). Über die große Querspalte vor der Kuppe gelange ich wegen des losen Pulverschnees erst im zweiten Anlauf. Danach wird das Gelände flacher, die Bewegung meditativ - und wir holen tiefer Luft als gewohnt. Um 9:30 Uhr erreichen wir glücklich den Gipfel.

Nach ausgiebiger Pause beginnen wir den Abstieg und werden von unserer zweiten Seilschaft, angeführt vom erfahrenen Volker überrascht. Große Freude - und gleichzeitig erstaunt, dass Helmut nicht mit von der Partie ist. Er kehrte auf 3700m um und wartet am Biwak auf uns alle. Wir steigen fröhlich und zügig ab und treffen am Biwak um 11 Uhr auf ihn. Unsere zweite Seilschaft erreicht unseren Standort keine halbe Stunde später.
Der folgende Abstieg vollzieht sich zügig. An der Schlüsselstelle sichern wir nochmal. Danach bleibt nur der letzte Hang zur Hütte erwähnenswert: aufgeweichter, abschmelzender Firn auf steilem Schotter mit Steinschlaggefahr von der Tabarettaspitze. Da eiern wir irgendwie durch und erreichen kurz danach die Hütte um 14:50 Uhr.

4. Abstieg nach Sulden und Wechsel zur Schaubach  T4, 3h
Um 8:30 Uhr verlassen wir die wunderschöne Payerhütte. An einer Felssäule am Grat probiert sich der motivierte Jannis nochmal fotogen mit einigen Boulderzügen. In der Bärenkopfscharte teilen wir uns erneut auf. Wir nehmen den Bärenkopf mit, während Helmut mit zwei Bergfreunden schon zur Tabaretta absteigt.
Gemeinsam gehen wir dann später weiter zum Langensteinlift und gleiten per Sessellift ins Tal (11€ pro TN). Als Tourenleiter darf ich hier sogar kostenfrei mitfahren.
Unten begeben wir uns direkt zum Hotel Post, wo wir eine ausgiebige Essenspause einlegen. Außerdem berichten wir vom Fauxpas auf der Schaubachhütte, denn der Pächter ist gleichzeitig Eigentümer dieses Hotels. Man versucht uns mit einer Runde Freigetränke zu entschädigen, was wir ablehnen.
Danach fahren wir gemütlich per Gondel hinauf zur ungeliebten Hütte, die eigentlich einen prächtigen Standort inne hat.

Am Folgetag erklären wir die noch ausstehende Eisseespitze als Tagesziel. Den peinlich berührten Hüttenwirt treffen wir auf dem Weg von der Bergstation zur Hütte. Er erzählt von größeren organisatorischen Schwierigkeiten mit der Hütte und klagt über gescheiterte Investitionsprojekte. Als Hüttengäste, Multiplikatoren und damit - so gesehen - Influenzer, erwarten wir einfach eine zuverlässige Versorgung. Andernfalls wäre es ein Leichtes, ohne HP einfach zusätzliche Nahrungsmittel zur Selbstversorgung mit hinauf zu gondeln.

5. Kurz und knapp zur Eisseespitze T5, I, 800Hm, 4h
Kurz nach 6 Uhr verlassen wir (nach ausgiebigem FRÜHSTÜCK :D) die Hütte. Zunächst geht es Richtung Gletscher über breiten Wanderweg. Ein Wegweiser leitet uns links weg über schmale Steige ("Stecknerweg") hinauf ins felsige Gelände. Vor einem steilen Firnfeld legen wir Steigeisen an. Danach entschärfen einige Stahlseile eine heikle Passage, in der noch Wassereis die Wegspur ziert. Nach dem Ausstieg auf den Gipfelgrat führt die beste Route meist etwas links vom Grat über schöne Felsblöcke (I) zum Gipfel. 8:20 Uhr.
Der Abstieg erfolgt über die Aufstiegsroute, wobei sich unsere Gruppe nun recht weit auseinander zieht. Gegen 10 Uhr erreichen wir die Hütte.

Am Nachmittag erkunden die Teilnehmer in Eigenregie noch den "Gletscherweg", der oben entlang zur Hintergrathütte führt. Beim Sprung über einen Bach knickt ein Teilnehmer etwas um und wird deshalb am Folgetag etwas eingeschränkt sein.

Am letzten Tag, dem 3.7. steigen wir ab ins Tal und teilen die Gruppe. Einige gehen zur Düsseldorfer Hütte für eine weitere Tour.

Mein Dank gilt jedem Teilnehmer: Volker, Hans-Jürgen, Sebastian, Jannis, Gert, Philipp und besonders Helmut, durch den ich wieder enorm lernen durfte.


Helmut, Philipp und ich fahren unterdessen ins Wallis und erleben an Laggin-, Fletsch-, und Allalinhorn weitere großartige Tage.

Tourengänger: alpensucht


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