Ortler (3.905 m) - Normalweg ab Payer Hütte bei besten Bedingungen


Publiziert von boerscht , 20. August 2020 um 09:55.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:31 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1783 m
Abstieg: 1783 m
Strecke:20 km

Der Ortler steht schon lange auf meinem Gipfelwunschzettel. Am liebsten ja eigentlich über den Hintergrat, das wär mit meiner Seilpartnerin aber klettertechnisch etwas zu viel geworden, also gehts über den Normalweg über die Payer Hütte rauf. Das Wetter und die Verhältnisse sollten super sein. 

Tag 1:

Langensteinlift - K2 Hütte - Tabaretta Hütte - Payer Hütte T3+; 2,5 h:

Bereits auf der Anfahrt nach Sulden über den Reschenpass steht der Ortler eindrucksvoll mit seinem Eispanzer und der schon von weitem böse aussehenden Nordwand am Horizont.
Fährt man nach Sulden hinein wird der Berg immer dominanter, wirklich ein toller Brocken auf den ich schon sehr lange mal rauf wollte.
Gegen 16:30 Uhr treffen wir in Sulden am Parkplatz des Langensteinsessellift ein. Da wir es zum Abendessen noch auf die Hütte schaffen wollen, wird mit dem Lift bis zur K2-Hütte abgekürzt, das spart immerhin knapp 500 Hm Aufstieg.
Weiter gehts unterhalb der ziemlich aperen und düster Aussehenden Ortler Nordwand vorbei in Richtung Tabaretta Hütte. Die Gedenktafeln unter der Nordwand stimmen etwas Nachdenklich. Die Verhältnisse dort werden wohl von Jahr zu Jahr schlechter. In vielen Serpentinen gehts einfach hinauf zur Tabaretta Hütte. An dieser Vorbei die Schuttflanke querend und danach wiederum in einigen Kehren hinauf zur Bärenkopfscharte. Hier treiben sich einige Schafe umher, die wohl denken sie wären Gämsen oder Steinböcke. Das mit dem Steine werfen haben sie zumindest genau so gut drauf.
Ab hier ist die Payer Hütte nun gut sichtbar. Schon toll wie sie auf dem Grat vor dem Ortler hängt.
Den Grat entlang gehts nun auf gutem Weg mit einer kleinen Holzbrücke garniert zur Payer Hütte, wo wir rechtzeitig zum Abendessen gegen 19:15 Uhr eintreffen.
Aufgrund von Corona ist die Hütte nur halb gefüllt. Wir haben ein 4er Zimmer für uns zu 2. alleine, sehr schön. Das Essen ist wie nunmal auf Italienischen Hütten fast üblich, super und sehr reichhaltig (2 Hauptgänge + Dessert mit Nachschlag ist schon ne feine Sache), da könnten sich die Schweizer oder Österreicher Hütten gerne mal eine Scheibe von abschneiden.
Nach einem tollen Sonnenuntergang auf der Hüttenterasse gehts zeitig ins Bett. Da es morgen sehr warm werden soll hat der Hüttenwart das Frühstück auf 3:30 Uhr anstatt normalwerweise 4:30 Uhr vor verlegt. Sehr vernünftig.

Tag 2:

Payer Hütte - Tschierfeckwandl - Lombardi Biwak - Ortler WS+, III; 4,5 h:


Nach entspanntem Frühstück gehen wir als zweite in die Dunkelheit hinaus. Außer uns sind fast alle Seilschaften mit Bergführer unterwegs. Wir gehen zunäcsht ohne Seil. Über schuttigen Weg westlich der Tabarettaspitze entlang. Auf Höhe dieser beginnt die erste Kletterstelle. Es wird etwas abgeklettert um dann zu traversieren und wieder an Höhe zu gewinnen. Die Kletterei macht Laune, der Fels ist meist fest und dank den vielen Steigeisenkratzern und abgespecktem Fels ist der Routenverlauf auch im Dunkeln klar ersichtlich und logisch.
Um ein mit Stahlseil versichertes Eck herum dann über einen etwas ausgesetzteren Grat, was man im Dunkel jedoch nicht so wirklich wahrnimmt. In einfacher Kletterei gehts dann aufs Tschierfeckwandl zu. Wir sind zum Glück immernoch recht weit vorne. Hinter uns staut es sich in der mit Ketten versicherten Stelle von ca. 60 m Höhe ganz ordentlich. Auf Seil kann man hier eigentlich verzichten, tun wir auch. Wir sichern uns mit einer Bandschlinge und Karabiner klettersteigmäßig an der Kette. Die Wand bietet super Tritte und Griffe, geht auch ohne Kette gut.
Nach dem Tschierfeckwandl folgt etwas Gehgelände, bis sich der Grat zusammenschnürt und das Ganze wieder in leichte Kletterei übergeht. Bald schon folgt die Schlüsselstelle. Über eine recht glatte Platte mit BH wird der Grat gewonnen, dann gehts über eine Kante mit einem kräftigen Zug und etwas spreizen auf dem Abgespeckten Fels hinauf (III). Oben gibts einen Abseilstand an dem ich Ramona nachsichere. Für die Stelle hatten wir dann das Seil mal ausgepackt. Auch im Anschluss gehen wir dann am kurzen Seil weiter. Eine Schuttige Flanke wird auf guter Wegspur nach rechts gequert bis es auf einigen Trittplatten und mit Stahlseil versichert über eine glatte Platte zum Gletscher hin geht. Steigeisen anlegen, Seil ready machen und nun unter den eindrucksvollen Seracs hinauf. Die Kletterstelle zum Lombardibiwak kann derzeit noch über den Gletscher, direkt unterm Gletscherbruch umgangen werden. Das Blankeis kommt jedoch schon langsam durch. Zum Lombardi Biwak gelangen wir somit erst garnicht sondern kommen oberhalb von diesem auf den nun flacheren Gletscher und endlich auch in die Sonne.
Die Morgenstimmung ist super und bei bestem Wetter ohne Wolke am Himmel gehts weiter über den noch recht gut eingeschneiten Gletscher. Nur eine Steilere Stelle und eine große Spalte ist einfach zu überwinden, dann stehen wir auf dem weitläufigen Ortlerplateau. In einem weiten Rechtsbogen nun unschwierig hinauf zum Gipfel, wobei die Orientierung hier bei Nebel ziemlich heikel sein kann.

Die Aussicht am Gipfel ist heute genial, einziges Manko sind die vielen Leute, aber das kann man bei den Bedingungen am Ortler natürlioch erwarten. Auch über den Hintergrat strömt es nur so den Berg herauf und das obwohl die Hütten keine vollen Kapazitäten bieten. Nach kurzer Gipfelrast und dem Versuch nicht auf die ganzen Seile zu treten die sich hier verheddern gehts wieder an den Abstieg.

Ortler - Lombardi Biwak - Tschierfeckwandl - Payer Hütte WS+, II 3,5 h:

Der Schnee ist mittlerweile schon ziemlich weich geworden, obwohl es gerade mal 9 Uhr ist. Die Spaltenbrücken halten doch alle noch gut und im oberen teil des Gletschers gehts zügig voran. Auch im Abstieg wählen wir den Weg über den Geltscher und gehen nicht am Lombardi Biwak vorbei zur Abseilstelle.
An der 3er Kletterstelle dann Stau. An der Abseilstelle müssen wir etwa 25 min warten bis wir an der Reihe sind. Macht nichts das Wetter hält ja und wir sind eh noch früh dran. Wir seilen uns an der Stelle auch ab. Abklettern ist hier nicht so ganz einfach. Weiter gehts den Grat entlang und wieder mit Bandschlinge gesichert das Tschierfeckwandl hinab. Den weiteren Rückweg gehen wir dann wiederum ohne Seil, was gut möglich ist wenn man sich im I-II Grad wohl und sicher fühlt.
Der Weg zieht sich dann doch etwas in die Länge und man sollte konzentriert bleiben. Nach der Umgehung der Tabarettaspitze kommt die Payer Hütte in Sicht und wir freuen uns schon auf ein wohlverdientes Bier und was zu Essen.

Payer Hütte - Tabaretta Hütte - K2 Hütte - Langensteinlift T3+; 2 h:

Der Abstieg von der Payerhütte erfolgt dann auf dem guten Wanderweg wieder über die Tabarettahütte zur K2 Hütte und mit dem Langensteinlift knieschonend hinab ins Tal. Eine Erfrischung im See direkt am Parkplatz ist gerade noch so drin, bevor es ordentlich anfängt zu gewittern. Perfektes Timing.


Der Ortler Normalweg ist eine abwechslungsreiche Hochtour mit schöner Kletterei und spannendem Gletscher. Bei guten Verhältnissen wie heute hält sich die Schwierigkeit in grenzen, es ist aber natürlich dann sehr viel los am Berg.

Tourengänger: boerscht
Communities: Photographie


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Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

Linard03 hat gesagt:
Gesendet am 20. August 2020 um 17:56
Erst mal Gratulation zu Deiner / Eurer Tour! Ist für mich zwar auch schon wieder 4 Jahre her, habe die Besteigung aber noch in bester Erinnerung.

> Das Essen ist wie nunmal auf Italienischen Hütten fast üblich, super und sehr reichhaltig (2 Hauptgänge + Dessert mit Nachschlag ist schon ne feine Sache), da könnten sich die Schweizer oder Österreicher Hütten gerne mal eine Scheibe von abschneiden

Das kann ich so nicht unterschreiben: zum einen habe ich noch in keiner Hütte zu wenig Essen gekriegt; weder in CH- noch in AT-Hütten. Im Gegenteil; oft muss ich etwas stehen lassen, weil's zuviel ist. Nachschlag lehne ich i.d.R. ab ...
Aber das Empfinden von "viel" bzw. "wenig" ist wohl sehr individuell. Und zudem heisst ja "viel" nicht automatisch auch "gut" ...

Es mag zwar zutreffen, dass das Essen in italienischen Hütten meistens gut ist. Aber das gilt nicht generell. Ein negatives Beispiel habe ich vor 10 Tagen erlebt (Bericht folgt später; also weniger zur Hütte als vielmehr zum Berg ...).
Jedenfalls habe ich im Vergleich dazu in den meisten CH-Hütten besser gegessen ...

boerscht hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. August 2020 um 10:37
Hi Richard,

danke dir, wirklich ne schöne Tour!

Außreisser gibt es da natürlich sicherlich, wie überall im Leben ;) Meine Erfahrung auf Italienischen Hütten war eben bisher was das Essen angeht durchwegs positiv.
Keineswegs wollte ich da die CH oder AT Hütten schlecht reden, auch hier gibts meist gutes essen wobei ich mit nachschlag hier schon mehrmals schlechte Erfahrungen gemacht habe. Nur die zwei Hauptgänge finden sich außerhalb Italiens wohl nirgendwo. Naja macht auch nix, so bleibt die Freude auf italienische Hütten.
Dann bin ich mal gespannt auf deinen Bericht.

Viele Grüße, Adrian


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