Crèmeschnitten-Studien
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Auch auf die Gefahr hin, dass engstirnige Geister es nicht fassen können, will ich mich hier in diesem hehren Forum mit dem Wesen der Crèmeschnitte befassen. Dieses Gebäck aus Blätterteig und Crème, in tausendundeiner Lage übereinandergestapelt, soll uns als Vorbild dienen. Wie soll man es essen? Man kann es kippen, und so versuchen, die harten Lagen mit dem Dessertgäbelchen abzustechen – doch schon fällt alles auseinander… Man kann von oben mit viel Gewalt durch den Deckel kommen wollen, da quillt schon die Crème an allen Seiten heraus. Nichts bleibt, wo es bleiben soll, alles rutscht und flutscht beim geringsten Druck.
Dieser kulinarische Exkurs führt uns jetzt zum eigentlichen Objekt der Begierde. Es ist gerade verschwunden von den Karten der Landestopografie! – Ist es zu Tal gesaust, mit grossem Karacho? – Das gerade nicht, aber das Fülhorn hat jetzt ‚den Weg verloren‘, nicht einmal eine ‚Wegspur‘ ist übriggeblieben.
Was findet sich im Gelände? – Ein durchgehender Weg ist tatsächlich nicht mehr vorhanden. Aber Wegspuren? – die gibt es zuhauf. Auf ihnen geht es sich leicht und locker ab dem Spitzhorli zum Fülhorn. Ein, zwei Mal verschwindet die Spur etwas. Am Aufschwung zum Fülhorn ist sie dann ganz weg.
Vor einem Jahr ist rojosuiza einfach unten herum gequert– ab dem ersten Aufschwung zum Gipfel! – und das ist ganz gut gelaufen. Dieses Mal will er aber wirklich zum Gipfel. Geht es weglos denn gut? Ja, gewiss! Denn völlig auseinandergefallenen Crèmeschnitten-Türmen braucht einer ja nicht zu nahe zu treten, will er sich nicht schmutzig machen. Der breite Rücken bietet viel Platz in aller Freiheit seine eigene Spur zu legen. Man kommt damit sicher und gefahrlos zum obersten Punkt des Fülhorns, das auch dort in riesigen Blöcken auseinanderpurzelt in alle Richtungen. Weiter vorn ist dann der Abstieg Richtung Glishorn. Der Deckel ist immer noch ein Riesenblock, der sanft über zwei anderen Riesenblöcken schwebt, an beiden Seiten ganz leicht gehalten. Immer noch führt das rutschige Schuttweglein unter dem Autobus hindurch, der dräuend über dem arglosen Wanderer in der Luft hängt…
Jetzt wollen wir einen Exkurs machen, den wir in Wirklichkeit gar nicht gemacht haben. Das ist so: Margit hat mich gefragt, ob ein Abstieg möglich wäre, vor dem Fülhorn, sodass man eine Runde machen könnte Simplon – Spitzhorli – Lengritz – Simplon. Die Runde wäre um einiges kürzer als die Route mit der Überquerung des Fülhorns und via das Glishorn. Ich habe diese Variante als eher schwieriger eingestuft, bin aber jetzt von Gelände und Karte eines anderen belehrt. Es gibt, gerade beim ersten Aufschwung zum Fülhorn, eine leichte Passage hinab auf eine leicht geneigte, begraste Leiste. Sie führt breit hinab, bis in die Nähe des Mittelpunktes des Weges zwischen Punkt 2216 und Lengritz. Ab der Höhenlinie von 2400 Metern geht es 200 hm hinab über ein Geröllfeld, aber wer ab dem Spitzhornli schon einmal so weit gekommen ist, kommt auch komfortabel über 200 hm Geröllfeld hinab. Damit scheint diese Runde für geübte Bergwanderer gut machbar. – Vielleicht hat sie einer hier schon längst gemacht und kann meine Beurteilung bestätigen?
Statt sich tatsächlich auch körperlich dem Exkurs zu widmen, turnt rojosuiza ganz vergnügt weiter oben zwischen seinen Crèmeschnitten-Türmen herum. Überall gibt es wieder einen neuen ‚höchsten‘ Punkt zu entdecken und zu erklimmen. Am Schluss ist das Äffchen-Vergnügen zu Ende und erreicht der Held das Glishorn. Vor einem Jahr war es voll von Vogelleben – nun kein einziger Vogel zu sehen. rojosuiza war erschöpft – nun voller Tatendrang. Er läuft die Ränder der Gipfelebene ab, allesamt, und schaut immer wieder hinunter. Er macht eifrig Flugaufnahmen, bei 1800 Metern Höhenunterschied keine grosse Kunst – man darf nur nicht hinabfallen! Er betrachtet die riesigen Risse, die sich an den Rändern zeigen, und erdenkt zur Stelle ein riesiges Tanzfest mit feinster, hochverstärker Bumm-Bumm-Musik. Der Tanzsaal ist eingeteilt in Fächer für die Tanzenden. Je näher dem Rand, desto höher das Risiko auf eine schnelle Himmelfahrt – und desto höher der Preis. Nun zeigt, was ihr könnt: Tanzen und Schwingen, Stampfen und Springen!
Die Gedanken sind wieder einmal zu frei, die Pferde gehen dem Autor durch. Zur Strafe muss rojosuiza die 1800 hm absteigen, auf steilem Pfad. – Eigentlich, wenn ich es recht bedenke, ist sogar der Abstieg keine reine Strafe, wenn man nur den Walliser Wegemachern ein Schnippchen schlägt. Es ist wie beim Skifahren: wenn es zu steil wird, muss der Anfänger extra Schwünge machen. So kann man rojosuiza sehen, wie er immer wieder seine eigenen, kleinen Spitzkehren macht am schnurgeraden Weg, der zwar den Bergvelofahrern gefällt, aber nicht rojosuizas armen Zehen.
Das Wasser ist alle. Das lockende Reservoir bei Schratt will rojosuiza nicht; es hat sich rundum vergittert. Hinab den Berg also. Empfängt den Berghelden unten eine eifrig sprudelnde Cappuccino-Quelle? - Das zwar nicht, aber zwei Suser-Fläschen löschen den Durst auch.
Jetzt schleicht der Autor sich davon, grinsend, den geneigten Leser mit Lust an Crèmeschnitten zurücklassend…
Tourengänger:
rojosuiza

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