Piz Duan (3.131 m) - Überschreitung Ost-West

VORBEMERKUNGEN
An einem Traumtag im Spätsommer wollte ich zum dritten Mal auf dem Piz Duan stehen, aber diesmal mit der kompletten Überschreitung von Casaccia nach Soglio. Das ist sicherlich eines der lohnendsten Unterfangen im nördlichen Bergell und ist dem erfehrenen Alpinwanderer wärmstens zu empfehlen.
Während ich den Südostgrat tatsächlich nur als T4+ einordne, empfand ich den oberen Westgrat als recht luftig und anspruchsvoll und mag hierfür das T5 vergeben.
Natürlich kann man die Unternehmung auch in Gegenrichtung angehen, doch ich sehe drei Vorteile für die Ost-West-Richtung:
- Es sind weniger Höhenmeter hinauf als hinunter
- Der Westgrat weist im oberen Teil viel rutschigen Schutt auf und ist wesentlich angenehmer im Abstieg zu begehen.
- In Soglio hat man nach Tourenende selbst im Herbst noch Sonne auf der Terrasse des Stüa Granda für das Abschlussbier.
- Den Nordanstieg entlang des schwindenden Gletscherrests ist natürlich auch eine Alternative (T4+), doch empfinde ich diesen Anstieg als langweilig und nicht lohnend. 

DIE TOUR
Es ist ein langer, aber wunderschöner Weg durch das Val Maroz. Vom Parkplatz in Casaccia geht es direkt in den Wald und dort geht es nach wenigen Minuten steil für die ersten 300 Höhenmeter nach oben (der viel längere Fahrweg ist für Fußgänger wegen Felssturzgefahr gesperrt). Ab hier geht es entspannt auf dem Fahrweg an der Alp Maroz Dora (1.797 m) vorbei und nach Fahrwegende auf schönem Weg zur herrlich gelegenen Alp Maroz Dent (ca. 2035 m). - Ab Casaccia 1:30 - 1:45 (T3).
Von der Alp geht es kurz hinunter in ein etwas sumpfiges Felslabyrinth und weiter zum Wegweiser hinter dem Bach (2.015 m) und hier auf gutem und steilen Wanderweg zu den 5 Steinmännern, die den Eintritt ins Val da Cam markieren. Ab hier hat man endlich Sonne! Wer kein Biwak am Lägh da Cam plant, verlässt auf etwa 2.400 m den Wanderweg nach rechts. - Ab Maroz Dent knapp 1 Stunde (T3).
Ab hier geht es ins steile Gras der Ostflanke auf beliebigem Weg, bis das Gras langsam in Schrofen übergeht und zum Südostgrat leitet. Den Grat erreicht man je nach Routenwahl auf ca. 2.800 m. - Während ich im Oktober 2019 noch wenig Begehungsspuren im Südostgrat gefunden habe, ergab sich jetzt meist ein gut sichtbarer Pfad auf der erdigen Ostseite des Grates. Dazu passt, dass außer uns noch zwei Bergeller Hirten zügigen Schrittes auf derselben Route unterwegs waren. Die meisten Kletterstellen können komfortabel umgangen werden; nur hier und da ist es günstiger, an der Gratkante zu bleiben. Der auffällige Steinmann an Punkt 2.903 m wird passiert und noch knappe weitere 100 Höhenmeter bleiben wir am Grat. Auf 2.980 m steilt sich der Grat auf und es gibt nun 2 Möglichkeiten: Im Oktober 2019 bin ich noch hinüber in die Südflanke gewechselt, was ich recht unangenehm fand. Dieses Jahr war direkt links neben dem Grat eine komfortable Fortführung des 'Wanderwegs' zu entdecken. Nach einigen Höhenmetern kann man wieder auf den Grat zurückkehren, der nun ganz einfach zum Ostgipfel zieht (3.085 m). - 1:30 - 2:00 ab dem Val da Cam (T4+).
Vom Ostgipfel klettert man zunächst hinunter oder umgeht in der Nord- oder Südflanke. Wir waren südseitig und etwas heikel unterwegs. Dann geht es am Grat oder nordseitig bis in den Südsattel und weiter in die steile Gipfelwand, die bei Neuschnee durchaus heikel werden kann. Nach weiteren 15-30 Minuten steht man herrlichen Gipfel des Piz Duan (3.131 m) - T4+.
Die Aussicht vom Piz Duan ist wirklich sehr exquisit, steht doch fast nichts im Wege. Bei sehr guter Sicht sieht man (wie wir) bis zum 272km entfernten Monte Viso!
Nach ausgiebiger Gipfelrast geht es den Westgrat hinunter, zunächst auf Wegspuren, dann am Grat oder auf Wegspuren in der Nordseite. Teilweise sind vor allem die nordseitigen Umgehungen etwas schmal und gemahnen zur Vorsicht (besonders bei Neuschneeresten!). Auf ca. 3.060m knickt der Grat leicht nach Norden ab; wir halten uns nahe am Grat und steigen durch einen etwas rutschigen Schlauch und dann gelangen wir in schönstes Geröllsurfgelände, dem wir nordwestwärts entlang des Grates folgen bis zum großen (und schon von weit oben sichtbaren) Steinmann auf ca. 2.920 m, der die einzig sinnvolle Durchstiegsmöglichkeit durch die westliche Gipfelwand markiert. Ein recht steiles, aber einfaches Couloir (man erkennt weiter unten schon die Wegspuren) führt nun fast genau südlich hinab wieder zurück zum Westgrat, den wir auf 2.875 m wieder erreichen). - Vom Gipfel 1 Stunde oder etwas weniger, T5.
Ab hier wird es einfach, aber lang! Der Westgrat, eher ein breiter Rücken als ein Grat, zieht sich über diverse kleinere Erhebungen (wie P. 2923 oder P. 2738) und über fast 2 Kilometer bis zum Pass da la Duana (2.697 m). Es empfiehlt sich, nah am Grat zu bleiben und auch die kleineren Erhebnungen mitzunehmen, sonst verliert man sich im endlosen Auf und Ab der nordseitigen Umgehungen. - Weitere 90 Minuten braucht man hier im T3+-Gelände.
Was bleibt, sind "läppische" 1.600 Höhenmeter Abstieg. Die müden Knie und Füße stöhnen, doch Seele und Geist sind hellwach, denn der Abstiegsweg geizt nicht mit wundervollen Panoramablicken. Vorbei an Cadrin (2.136 m) geht es in einer zähen und längen Querung an den magischen Flecken Plän Vest (1.821 m) und weiter ins wunderschöne Tombal (1.547 m), das für seine Bergell- und Badile-Ansichten zu Recht bekannt ist. Auf gutem Weg geht es nun mitten ins Dorf Soglio, am Brunnen und an der Kirche vorbei direkt auf die Sonnenterrasse des Stüa Granda zu dem verdienten Abschlussbier! Für mich gibt es nur wenige schönere Orte, an denen man eine solch großartige Tour ausklingen lassen kann! - 2,5-3 Stunden ab Pass da la Duana (T3).