Col Tuckett 3529 (Les Agneaux)


Publiziert von cardamine , 2. Oktober 2020 um 00:07.

Region: Welt » Frankreich » Hautes Alpes - Dauphiné
Tour Datum:26 August 2020
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: F 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1740 m
Abstieg: 1740 m
Strecke:17 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bis zum Ende der asphaltierten Strasse von l'Argentière-la-Bessée nach Ailefroide. Grosser Parkplatz vor dem Chalet du Pré de Madame Carle/Nationalparkhaus.
Unterkunftmöglichkeiten:Chalet du Pré de Madame Carle Refuge du Glacier Blanc

Normalerweise berichte ich nicht über nicht erreichte Ziele. In diesem Fall mache ich aber eine Ausnahme, um Bergsteigern, die es mal in diese abgelegene Gegend verschlägt, den gleichen Irrtum zu ersparen.

Hintergrund: Nach einigen Tagen Bergwanderungen im Écrins-Nationalpark wollte ich natürlich auch einen der grossen Gletscherberge besteigen. Auf einer französischen Website, die sich in etwa "10 Gipfelziele im Écrins für Alpinismus-Einsteiger" nannte, war auch der 3664 m hohe Les Agneaux gelistet. Eine Kombination aus spaltenarmem Gletscher und leichter Kletterei am Ende klang ganz nach unserem Geschmack. Ein Check bei Wikipedia lieferte die Schwierigkeitsbewertung F/II und bei camptocamp PD. Klang also machbar. Was uns dann aber erwartete, war ganz und gar keine Einsteiger-Hochtour...


Ausgangspunkt für die Besteigung des Les Agneaux ist das Refuge du Glacier Blanc. Der Zustieg zum Refuge dauert ca. 2 Stunden (T3, 670 Hm, 5 km). Von der Hütte folgt man den Steinmännchen und Pfadspuren durch ein altes Moränenvorfeld zum Glacier Jean Gauthier (oder was davon noch übrig ist). Über das hartgefrorene Firnfeld geht es nicht allzu steil oben, bis man an eine Geröllhalde kommt. Über diese leiten wieder Steinmännchen zu einem zweiten, kleinen Firnfeld. Über eine Felsrampe kletternd, oder diese in einem Rechtsbogen umgehend, gelangt man auf ein Felsband, das zum Col du Monêtier führt.

Nun folgt die erste Schlüsselstelle der Tour: Aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit muss man über eine sehr steile, ausgeräumte Rinne auf den Glacier du Monêtier absteigen. Mein Partner hat versucht, über die Felsen links abzuklettern (III), was sich jedoch aufgrund des brüchigen Felsens als noch gefährlicher erwies. An dieser Stelle bräuchte es ganz dringend ein Fixseil, da man nirgends selbst sichern kann! Nach der Rinne geht es weiter über grosse, lose Blöcke auf den Gletscher. Der Weg über den Glacier du Monêtier ist wieder unproblematisch: Es gibt keine Spalten und allzu steil ist er (anfangs) auch nicht. Aber: Kurz bevor man die Felswand erreicht, über die man zum Col Tuckett klettert, steilt sich der Gletscher auf, bis er oben ca. 45° erreicht.

Um zum Col Tuckett zu gelangen, hat man zwei Möglichkeiten: Über eine Rinne, in der ein paar alte Fixseile hängen, laut Hüttenwart Kletterei zwischen III und IV. Oder die einfachere Variante über ein Felsband rechts von der Rinne, II-III. Natürlich wollten wir die einfachere Variante nehmen. Dummerweise haben wir den Einstieg verpasst, weil wir bis zum Ende des Gletschers aufgestigen sind, sodass der erste Stand mit Bandschlinge dann ca.10 Meter unter uns war. Also wieder runter, was bei der Steilheit gar nicht so einfach war. Anfangs ist die Kletterei nur im zweiten Grad, aber der Fels ist schlecht. Alles, was man anfasst, bröselt dahin. Der obere Teil ist dann mehr plattig und III+. Sicherungsmöglichkeiten gab es nur etwa alle 20 Meter (2 Bandschlingenstände, 1x verlassenes Material, 1 Haken im plattigen Teil). Zwischensichern mit Friends war aufgrund des schlechten Felsens fast nirgends möglich, sodass man eine ziemlich hohe Fall-/Rutschhöhe in Kauf nehmen muss. Für mich als Hallen- und Klettergarten-Klettererin war das eindeutig zu viel Risiko. Man gelangt schliesslich etwas nördlich des Col Tuckett auf den Grat zwischen Pic Tuckett und Gipfel, wo sich ein weiterer Bandschlingen-Stand befindet. Der Grat ist verdammt luftig und die Steine sehen nicht gerade zuverlässig aus. Obwohl es nur noch knapp 150 Höhenmeter zum Gipfel waren, entschieden wir uns hier aufzugeben, da wir schon weit über der Normalzeit lagen. Vermutlich hätte die Kraxelei zum Gipfel mit Sichern noch eine Stunde gedauert.

Über den luftigen Grat steigen wir zum Col Tuckett, wo über der Rinne, eine Abseilstelle eingerichtet ist. Mein Partner lässt mich hier runter. Ein 60 Meter Seil reicht gerade so, um wieder auf dem Gletscher zu landen. Mein Partner seilt zweimal ab. Ein Zwischenstand ist ebenfalls eingerichtet. Nicht so ganz erschliesst sich mir der Sinn der von der linken Wand herabbaumelnden Fixseile. Es gibt auch ein paar Haken, die sind aber so hoch platziert, dass sie nur Sinn machen, wenn ein paar Meter Schnee liegen. Vermutlich war die Jahreszeit für diese Tour nicht gerade ideal.


Fazit: Ich glaube, die Definition von "einfach" ist im Écrins etwas anders als hierzulande. Im Vergleich zu den zahlreichen Kletterbergen mag diese Tour vielleicht Kindergarten sein, nach AT/CH/DE-Standards sollte diese Tour mit 45° Grad Gletscher und schlecht abgesicherter Kletterei 3c in brüchigem Fels aber definitiv als "ziemlich schwierig" eingestuft werden. Ein Tipp vom Hüttenwart für eine wirklich einfache Hochtour (angeblich F) in der Region war der Roche Faurio. Ein ander Mal vielleicht...

Tourengänger: Toni Montaña, cardamine


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