Dome de Neige des Ecrins
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Ich habe hin und her überlegt, ob ich diesen Bericht hier veröffentlichen soll. Einen langen Abstieg und eine noch längere Autofahrt hatte ich dafür Zeit. Letztlich habe ich mich dafür entschieden, denn das Erlebte gehört genauso zum alpinen Hobby, wie all die schönen Stunden im Gebirge. Und vielleicht bewahrt es den ein oder anderen davor, eine ähnliche Dummheit zu tun.
Vorab sei gesagt, wir sind alle gesund heimgekehrt und darüber bin ich unendlich froh!
Was passiert ist, ist ein Beispiel dafür, was auf einer Hochtour so alles schiefgehen. Gott sei Dank mit glimpflichem Ausgang.
Der Reihe nach. Der Sommer ist ja.... usw. Frustrierend ist der tägliche Blick auf die Wetteraussichten. In den südwestlichen Alpen dagegen strahlender Sonnenschein. Mein Vorschlag, die Ecrins zu versuchen findet bei zwei Kumpels sofort regen Anklang. Der Berg hat zwei Gipfel: Die anspruchsvolle Barre und den leichteren Dome de Neige. Mit dem einen Kollegen hatte ich vor kurzem Rimpfischhorn und Dufourspitze bestiegen, er hat die meiste Erfahrung. Der andere hat den Hohlaubgrat gemacht und einige Viertausender in den Alpen. Gemeinsam waren wir u.a. am Nadelhorn. Dennoch brachte er insgesamt die wenigste Erfahrung mit. Ich selbst würde mich in der Mitte einordnen. Wie dem auch sei, eine Tour der Bewertung "PD+" erschien uns als logischer Schritt, den wir uns zutrauten.
An dieser Stelle ein paar Worte zur Schwierigkeitsbewertung. Natürlich habe ich alle Hikr-Berichte zur Barre gelesen und mir ist nicht entgangen, dass "die Tour gefühlt mehr als PD+ ist". Auch wenn wir nicht ganz oben waren stimme ich dem zu 100% zu. Es ist definitiv schwieriger als etwa die Dufour. In unserem englischsprachigen Führer ist die Barre mit AD-/AD bewertet, was mir logischer erscheint.
Den Dome de Neige nur mit "F" zu bewerten halte ich schlicht für fahrlässig. Zwar muss man nirgends klettern, dennoch ist es eine lange Tour über spaltenreiche Gletscher mit Passagen über 40°. Und oft im Absturzgelände. Wenn das eine "F" ist, sind Allalin, Weissmies, etc. garnix!
Zurück zum Thema. Gutgelaunt trafen wir uns abends in Chamonix. Der schöne Campingplatz "Ile de Barrat" ist nicht nur günstig, sondern bietet obendrein eine spektakuläre Aussicht auf den Montblanc und macht Lust auf mehr.
Anderntags via Albertville und den Col du Galibier nach Ailefroide gefahren und den langen Hüttenzustieg unter die Füße genommen. Bereits in diesen 4 1/2h nervte der beißende Wind und machte die Sache dank einiger Gegenanstiege weniger erquicklich als erhofft. Das grandiose Panorama und die herrliche unverbaute Landschaft sind nicht zu leugnen. Da wünscht man sich doch eine schöne Hütte. Zwar ist das Hüttenteam im Refuge des Ecrins freundlich und hilfsbereit, doch lädt der kalte und ungemütliche Steinbau nicht gerade zum Verweilen ein.
3:30h Wecken. Draußen bläst ein erbärmlicher Wind. Beim Frühstück beratschlagen wir. Der Erfahrenste klagt über eine wiederkommende starke Erkältung und möchte nach ein paar weiteren Stunden Schlaf absteigen. Wir zwei übrigen überlegen. An diesem Tag ist nichts zu reißen. Fast alle Seilschaften bleiben da oder kehren nach kurzer Zeit um. Nur eine einzige erreicht den Dome de Neige. Was sollen wir tun? Wir sind so weit gefahren, so lang zu Hütte hochgelatscht, da wäre es doch schade... Aber der Top-Mann im Team fällt aus. Er erklärt sich sofort bereit einen Tag im Tal zu warten. Wir könnten es anderntags angehen. So machen wirs. Trotz leiser Zweifel, probieren kann man es ja mal. Und wenn es nicht ganz klappt, dann haben wir es wenigstens versucht. Und auch der Dome de Neige ist ja ein schönes Ziel.
Der Tag auf der Hütte ging mit Schlafen, Schach spielen und Frieren dann doch weniger langweilig rum als erwartet. Und auch der Wind legte sich.
Am nächsten Morgen waren wir hellwach, fühlten uns fit und beschlossen los zu gehen. Zunächst 150Hm auf den Gletscher runter, diesen flach ansteigend und schließlich die 700m hohe Nordflanke bis unter den Gipfelaufbau. Nach gut 3:30 standen wir kurz vor der Breche Lory.
Dort boten sich zwei Möglichkeiten für den Aufstieg auf die Barre. Eine Spur zog wenig vor der Breche die Eisflanke rauf. Mehr als 50° steil und bockelhart gefroren verwarfen wir diesen Gedanken schnell. Schauen wir uns eben die Felsen von der Breche aus an. Das ging zunächst ganz gut, einige Schlingen zum Sichern sind vorhanden. Diesmal protestierte mein Kumpel. Heikel ist es eben schon. Keine Widerrede meinerseits. Also auf den Dome de Neige, den wir in wenigen Minuten in wieder ekelhaft starkem Wind erreichten. Nach der kurzen Gipfelrast beschlossen wir, uns doch noch mal die Anstiege zur Barre anzuschauen. Doch auch diesmal sah die Eisflanke genauso wenig einladend aus wie zuvor. Machen wir nicht, zu gefährlich. Uns noch mal die Felsen anzuschauen, dazu kamen wir nicht mehr. Von der Randkluft wollten wir die wenigen Meter zurück zur Spur traversieren, da geschah es. Das Gelände ist hier eigentlich absolut banal, vllt. 35-40° steil, und doch passieren Unfälle ja leider gerade an solchen Stellen. Hinter mir höre ich ein "Ahh, halt mich." Reflexartig drehe ich mich mit dem Gesicht zum Berg und ramme den Pickel ein. Keine Chance. In Bruchteilen von Sekunden reißt es mich aus der Flanke. Auf dem Rücken liegend sause ich den Kopf voraus talwärts. Ich denke mir "Das war's" und nehme innerlich Abschied. Das war wirklich Todesangst, denn ich war in diesem Moment fest davon überzeugt, dass wir diese Sache nicht überleben. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie gelingt es mir mich zu drehen. Verzweifelt versuche ich den Sturz mit Pickeleinsatz zu bremsen. Mein Kumpel hat seinen Pickel beim Abrutschen verloren. Wie er mir später erzählte versuchte er mit den Händen im Eis zu bremsen. Nach etlichen Metern wird das Gelände kurz flacher. Unsere Bremsversuche zeigen Wirkung. Es gelingt uns beiden tatsächlich zum Liegen zu kommen. Schütteln, Aufstehen, "Alles OK?" Alles gut. Der Blick nach unten lässt das Blut gefrieren. Ein paar Meter weiter bricht der Serac unvermittelt ins nichts ab. Ein Sturz dort hinab wäre final gewesen. Zittrig stapfen wir zurück in die Spur und merken, dass wir etwa 50Hm und fast 200 Längenmeter abgerutscht sind. Die Nervenzigarette war bitter nötig. Nur noch hinunter. Die folgenden 7h zurück zum Ausgangspunkt waren alles andere als schön. Mein Kumpel war moralisch noch weitaus mehr angeschlagen, sodass sich der Rückweg über die 700m hohe Nordflanke als reine Zitterpartie gestaltete. Dann noch den langen Gletscher hinab und den Wanderweg. Wir hatten viel Zeit über das Erlebte zu sprechen. Immer wieder saßen wir da und sagten, was uns durch den Kopf ging. Wir haben sofort beschlossen, dass wir keinerlei Schuldzuweisungen vornehmen. Die Tatsache, dass mein Kumpel ausgerutscht ist, ob ich den Sturz hätte halten müssen, all das führt letztlich zu nichts. Auch unserer Freundschaft wird die Sache keinen Abbruch tun.
Dennoch müssen wir natürlich selbstkritisch hinterfragen, wie es dazu kommen konnte. Und das haben wir quasi die ganze Zeit getan. Wir müssen uns vorwerfen, die Tour unterschätzt, bzw. unsere Fähigkeiten überschätzt zu haben. Auch, wenn es eben nicht im schwierigen Teil geschah, und genauso gut hätte passieren können, wenn wir uns von vornherein nur den Dome de Neige vorgenommen hätten. Wir haben unsere Grenzen kennengelernt und ziehen die Konsequenzen daraus. Mein Kumpel hat den Hochtouren vorerst abgeschworen. Ich selbst werde Berge dieser Kategorie nur noch mit Bergführer angehen, oder eben mit Leuten, die deutlich mehr Erfahrung haben als ich selbst. Alles andere wäre fahrlässig.
Was bleibt ist eine Erfahrung, die wir zwar nicht gerne gemacht haben, aber die vielleicht nötig war um uns vor größerem Unheil zu bewahren. Es bleibt die Erkenntnis, dass Unfälle nicht nur anderen passieren, so wie man das gerne verdrängt wenn man davon hört. Vor allem aber bleibt ganz viel Dankbarkeit dafür, dass ich jetzt hier sitze und diesen Bericht schreiben kann.
Vorab sei gesagt, wir sind alle gesund heimgekehrt und darüber bin ich unendlich froh!
Was passiert ist, ist ein Beispiel dafür, was auf einer Hochtour so alles schiefgehen. Gott sei Dank mit glimpflichem Ausgang.
Der Reihe nach. Der Sommer ist ja.... usw. Frustrierend ist der tägliche Blick auf die Wetteraussichten. In den südwestlichen Alpen dagegen strahlender Sonnenschein. Mein Vorschlag, die Ecrins zu versuchen findet bei zwei Kumpels sofort regen Anklang. Der Berg hat zwei Gipfel: Die anspruchsvolle Barre und den leichteren Dome de Neige. Mit dem einen Kollegen hatte ich vor kurzem Rimpfischhorn und Dufourspitze bestiegen, er hat die meiste Erfahrung. Der andere hat den Hohlaubgrat gemacht und einige Viertausender in den Alpen. Gemeinsam waren wir u.a. am Nadelhorn. Dennoch brachte er insgesamt die wenigste Erfahrung mit. Ich selbst würde mich in der Mitte einordnen. Wie dem auch sei, eine Tour der Bewertung "PD+" erschien uns als logischer Schritt, den wir uns zutrauten.
An dieser Stelle ein paar Worte zur Schwierigkeitsbewertung. Natürlich habe ich alle Hikr-Berichte zur Barre gelesen und mir ist nicht entgangen, dass "die Tour gefühlt mehr als PD+ ist". Auch wenn wir nicht ganz oben waren stimme ich dem zu 100% zu. Es ist definitiv schwieriger als etwa die Dufour. In unserem englischsprachigen Führer ist die Barre mit AD-/AD bewertet, was mir logischer erscheint.
Den Dome de Neige nur mit "F" zu bewerten halte ich schlicht für fahrlässig. Zwar muss man nirgends klettern, dennoch ist es eine lange Tour über spaltenreiche Gletscher mit Passagen über 40°. Und oft im Absturzgelände. Wenn das eine "F" ist, sind Allalin, Weissmies, etc. garnix!
Zurück zum Thema. Gutgelaunt trafen wir uns abends in Chamonix. Der schöne Campingplatz "Ile de Barrat" ist nicht nur günstig, sondern bietet obendrein eine spektakuläre Aussicht auf den Montblanc und macht Lust auf mehr.
Anderntags via Albertville und den Col du Galibier nach Ailefroide gefahren und den langen Hüttenzustieg unter die Füße genommen. Bereits in diesen 4 1/2h nervte der beißende Wind und machte die Sache dank einiger Gegenanstiege weniger erquicklich als erhofft. Das grandiose Panorama und die herrliche unverbaute Landschaft sind nicht zu leugnen. Da wünscht man sich doch eine schöne Hütte. Zwar ist das Hüttenteam im Refuge des Ecrins freundlich und hilfsbereit, doch lädt der kalte und ungemütliche Steinbau nicht gerade zum Verweilen ein.
3:30h Wecken. Draußen bläst ein erbärmlicher Wind. Beim Frühstück beratschlagen wir. Der Erfahrenste klagt über eine wiederkommende starke Erkältung und möchte nach ein paar weiteren Stunden Schlaf absteigen. Wir zwei übrigen überlegen. An diesem Tag ist nichts zu reißen. Fast alle Seilschaften bleiben da oder kehren nach kurzer Zeit um. Nur eine einzige erreicht den Dome de Neige. Was sollen wir tun? Wir sind so weit gefahren, so lang zu Hütte hochgelatscht, da wäre es doch schade... Aber der Top-Mann im Team fällt aus. Er erklärt sich sofort bereit einen Tag im Tal zu warten. Wir könnten es anderntags angehen. So machen wirs. Trotz leiser Zweifel, probieren kann man es ja mal. Und wenn es nicht ganz klappt, dann haben wir es wenigstens versucht. Und auch der Dome de Neige ist ja ein schönes Ziel.
Der Tag auf der Hütte ging mit Schlafen, Schach spielen und Frieren dann doch weniger langweilig rum als erwartet. Und auch der Wind legte sich.
Am nächsten Morgen waren wir hellwach, fühlten uns fit und beschlossen los zu gehen. Zunächst 150Hm auf den Gletscher runter, diesen flach ansteigend und schließlich die 700m hohe Nordflanke bis unter den Gipfelaufbau. Nach gut 3:30 standen wir kurz vor der Breche Lory.
Dort boten sich zwei Möglichkeiten für den Aufstieg auf die Barre. Eine Spur zog wenig vor der Breche die Eisflanke rauf. Mehr als 50° steil und bockelhart gefroren verwarfen wir diesen Gedanken schnell. Schauen wir uns eben die Felsen von der Breche aus an. Das ging zunächst ganz gut, einige Schlingen zum Sichern sind vorhanden. Diesmal protestierte mein Kumpel. Heikel ist es eben schon. Keine Widerrede meinerseits. Also auf den Dome de Neige, den wir in wenigen Minuten in wieder ekelhaft starkem Wind erreichten. Nach der kurzen Gipfelrast beschlossen wir, uns doch noch mal die Anstiege zur Barre anzuschauen. Doch auch diesmal sah die Eisflanke genauso wenig einladend aus wie zuvor. Machen wir nicht, zu gefährlich. Uns noch mal die Felsen anzuschauen, dazu kamen wir nicht mehr. Von der Randkluft wollten wir die wenigen Meter zurück zur Spur traversieren, da geschah es. Das Gelände ist hier eigentlich absolut banal, vllt. 35-40° steil, und doch passieren Unfälle ja leider gerade an solchen Stellen. Hinter mir höre ich ein "Ahh, halt mich." Reflexartig drehe ich mich mit dem Gesicht zum Berg und ramme den Pickel ein. Keine Chance. In Bruchteilen von Sekunden reißt es mich aus der Flanke. Auf dem Rücken liegend sause ich den Kopf voraus talwärts. Ich denke mir "Das war's" und nehme innerlich Abschied. Das war wirklich Todesangst, denn ich war in diesem Moment fest davon überzeugt, dass wir diese Sache nicht überleben. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie gelingt es mir mich zu drehen. Verzweifelt versuche ich den Sturz mit Pickeleinsatz zu bremsen. Mein Kumpel hat seinen Pickel beim Abrutschen verloren. Wie er mir später erzählte versuchte er mit den Händen im Eis zu bremsen. Nach etlichen Metern wird das Gelände kurz flacher. Unsere Bremsversuche zeigen Wirkung. Es gelingt uns beiden tatsächlich zum Liegen zu kommen. Schütteln, Aufstehen, "Alles OK?" Alles gut. Der Blick nach unten lässt das Blut gefrieren. Ein paar Meter weiter bricht der Serac unvermittelt ins nichts ab. Ein Sturz dort hinab wäre final gewesen. Zittrig stapfen wir zurück in die Spur und merken, dass wir etwa 50Hm und fast 200 Längenmeter abgerutscht sind. Die Nervenzigarette war bitter nötig. Nur noch hinunter. Die folgenden 7h zurück zum Ausgangspunkt waren alles andere als schön. Mein Kumpel war moralisch noch weitaus mehr angeschlagen, sodass sich der Rückweg über die 700m hohe Nordflanke als reine Zitterpartie gestaltete. Dann noch den langen Gletscher hinab und den Wanderweg. Wir hatten viel Zeit über das Erlebte zu sprechen. Immer wieder saßen wir da und sagten, was uns durch den Kopf ging. Wir haben sofort beschlossen, dass wir keinerlei Schuldzuweisungen vornehmen. Die Tatsache, dass mein Kumpel ausgerutscht ist, ob ich den Sturz hätte halten müssen, all das führt letztlich zu nichts. Auch unserer Freundschaft wird die Sache keinen Abbruch tun.
Dennoch müssen wir natürlich selbstkritisch hinterfragen, wie es dazu kommen konnte. Und das haben wir quasi die ganze Zeit getan. Wir müssen uns vorwerfen, die Tour unterschätzt, bzw. unsere Fähigkeiten überschätzt zu haben. Auch, wenn es eben nicht im schwierigen Teil geschah, und genauso gut hätte passieren können, wenn wir uns von vornherein nur den Dome de Neige vorgenommen hätten. Wir haben unsere Grenzen kennengelernt und ziehen die Konsequenzen daraus. Mein Kumpel hat den Hochtouren vorerst abgeschworen. Ich selbst werde Berge dieser Kategorie nur noch mit Bergführer angehen, oder eben mit Leuten, die deutlich mehr Erfahrung haben als ich selbst. Alles andere wäre fahrlässig.
Was bleibt ist eine Erfahrung, die wir zwar nicht gerne gemacht haben, aber die vielleicht nötig war um uns vor größerem Unheil zu bewahren. Es bleibt die Erkenntnis, dass Unfälle nicht nur anderen passieren, so wie man das gerne verdrängt wenn man davon hört. Vor allem aber bleibt ganz viel Dankbarkeit dafür, dass ich jetzt hier sitze und diesen Bericht schreiben kann.
Tourengänger:
frmat

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