Im und um den Schweizer Nationalpark


Publiziert von muellerto , 19. August 2020 um 17:33.

Region: Welt » Terra Incognita
Tour Datum: 2 August 2020
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   Münstertaler Berge   Starlex-Terza-Gruppe   I 
Zeitbedarf: 10 Tage

Der Schweizer Nationalpark ist ein stiller. Er wirbt und kommuniziert ganz anders als beispielsweise die Nationalparks in Österreich mit ihren vielen Hütten und Runden und Angeboten. Die meisten Gipfel sind nicht zugänglich und Mehrtagestouren fast nicht möglich. Darum sind viele Dinge im Schweizer Nationalpark auch Schweizern nicht bekannt.

In diesem Jahr drehten sich unsere Touren deshalb von drei Standorten aus um drei eng beieinander liegende Zielgebiete:

  • den Schweizer Nationalpark ganz im Südosten von Graubünden
  • das östlich anschließende Val Müstair
  • das hinter der Grenze (also bereits in Südtirol) gelegene Suldental


Karten und Literatur

Aufgrund dessen, daß die meisten im folgenden beschriebenen Touren in der Schweiz liegen, liegt uns hervorragendes elektronisches Kartenmaterial vor. Auf der Webseite map.geo.admin.ch kann man PDF-Dateien erstellen, diese ausdrucken und direkt zum Tourengehen verwenden.

Es gibt zudem den Wanderführer durch den Schweizerischen Nationalpark, ein kleines, informatives Büchlein ohne oder mit Karte, das 21 Touren im Nationalpark beschreibt, darunter allerdings sehr kurze. (Die Karte ist jedoch weit weniger detailliert als die Karten von map.geo.admin.ch)


Touren

Die ersten drei Tage bilden eine zusammenhängende Unternehmung mit zwei Übernachtungen auf der Cluozza-Hütte, die übrigen sind einfache Tagestouren.

Alle Entfernungen sind mit GPS gemessen, die Höhenmeter barometrisch.

Manchmal erwähne ich die Baumgrenze. Die Baumgrenze liegt im Nationalpark und im Val Müstair meist bei 2200m, also ein ganzes Stück weiter oben, als meist in den Schweizer Alpen.


Tag 1: S-chanf - Fuorcla Val Sassa - Cluozza-Hütte (Karte)
Länge: 17,7km, auf: 1298m, ab: 1095m, T3+

Wir beginnen in diesem Jahr mit einer langen und anstrengenden Tour. Diese führt von S-chanf zur Cluozza-Hütte, anfänglich durch das Val Trupchun, dann durch das Val Müschauns bis auf die Fuorcla Val Sassa (2856m), hinab durch das Val Sassa und dann immer noch ein ganzes Stück entlang der Ova da Cluozza.

Wir lassen unser Auto auf dem Parkplatz am Eingang des Val Trupchun (Prasüras) stehen. Die Parkhütte Varusch und die kleine ehemalige Alp Purcher sind vergleichsweise einfach erreicht, es steigt bis hierhin nicht groß an. Nun aber erfolgt über eine kleine Brücke eine Wendung nach links und wir betreten das Val Müschauns. Der Weg ist ab nun nicht mehr weiß-rot-weiß, sondern weiß-blau-weiß markiert und steigt spürbar an. Wir sehen schon nach kurzer Zeit ungefähr zehn Gemsen und ein paar Steinböcke weiter oben, und auf etwa 2100m sogar ein Edelweiß.

Etwa bei 2500m befindet sich eine Kletterstelle, die sehr wahrscheinlich den Grund dafür darstellt, daß dieser Weg blau markiert ist. Dort hängen drei vergleichsweise elastische Fixseile, von denen zumindest das unterste überflüssig ist. An den beiden anderen muß man schätzungsweise 30m aufwärts kraxeln, aber das ist für jeden, der schon einmal ein Klettergerüst bestiegen hat, keine Schwierigkeit. Diese Stelle ist T3+, alles andere auf dem Weg ist T3 (oder T2).

Danach geht es auf die Fuorcla Val Sassa, einen breiten Sattel unterhalb des großen Piz Quattervals (3165m), wobei es am Ende doch noch ordentlich weiter steigt. Erst kurz unterhalb des Sattels sieht man rechts den Lei da Müschauns (2739m). Leider nimmt bei uns die Bewölkung zu und es fallen sogar ein paar Tropfen.

Das Val Sassa ist steinig. Im oberen Teil lag bei uns noch Altschnee, so daß ein paar hundert Meter vergleichsweise bequem zu machen waren. Dann aber geht es über Steine, große und meistens aber kleine, also Geröll und Schutt, darunter übrigens einige interessante und sehr schöne. Merkwürdigerweise verliert man auf diesen Steinen ein bißchen das Zeitgefühl - man meint, man sei doch schon mindestens anderthalb oder zwei Stunden gelaufen, obwohl noch nicht einmal eine Stunde voll ist. Es zieht sich, lange Zeit auf der großen rechten Seitenmoräne des ehemaligen Gletschers.

Unten angekommen ist es bis zur Hütte dann noch einmal überraschend lang, wobei der Weg nicht direkt an der Ova dal Cluozza entlanggeht, sondern immer wieder steigt und fällt. Am Ende überquert er den Fluß und steigt dann markant zur Hütte an, die man erst sieht, wenn man direkt davor steht. Es reicht noch für ein Bier im Freien, dann beginnt der Regen ...


Tag 2: Fuorcla Murter (Karte)
Länge: 5.8km, auf und ab: 666m, T3

Der Regen ging die ganze Nacht. Oberhalb von 2800m fiel sogar Schnee. An die für heute eigentlich geplante Besteigung des Piz Quattervals (3165m) ist nicht zu denken. Der Gipfel ist nicht einmal zu sehen, er hängt tief in den Wolken. Wir müssen eine Ausweichtour machen.

Zur Fuorcla Murter (2545m, "Murter" auf der zweiten Silbe betont) ist es nicht weit, eine Art alpiner Spaziergang. Nach dem Frühstück hat der Regen aufgehört. Für die 666 Höhenmeter reichen eigentlich anderthalb Stunden, wir brauchen aber zwei, wegen der vielen Fotostopps. Zu sehen gibt es u.a. Steinböcke, etliche kleine Murmeltiere, noch nicht viel größer als ein Eichhörnchen, Gemsen. Man kann hier Fotos machen, auf denen zwei Tierarten gleichzeitig sind. Oben auf dem großen Sattel angekommen kann man sich hinsetzen und mit dem Fernglas einfach Tiere beobachten. Nördlich, d.h. unterhalb von P.2643 sehen wir am Hang ein Rudel ausgewachsene Rothirsche liegen, zehn oder zwölf, alle mit großem Geweih. Ein Foto wird auf diese Entfernung nicht einfach. Die Sonne kommt doch noch für eine Stunde heraus, der Piz Quattervals in unserem Rücken hängt allerdings noch immer in den Wolken. Wir haben richtig entschieden. Wir erreichen die Hütte genau in dem Moment, als der Regen wieder beginnt.


Tag 3: Cluozza-Hütte - Zernez - S-chanf (Karte)
Länge: 8.3km, auf: 446m, ab: 841m, T3

Der heutige Tag ist keine richtige Tour: wir gehen von der Cluozza-Hütte hinunter nach Zernez, fahren mit der Rhätischen Bahn nach S-chanf, holen dort unser Auto und verlegen nach Sta.Maria, das bereits hinter dem Ofenpaß im Val Müstair liegt.

Der Abstieg ist jedoch erst einmal ein Aufstieg. Nach Überschreitung der von den Regenfällen der vergangenen Tage grau-braun gefärbten Ova da Cluozza steigt es im Wald eine ganze Zeitlang, teils sogar recht steil. An einer Stelle ist der Weg sogar gesperrt und zwar wegen Beschädigung durch einen Hangrutsch, so daß eine Umleitung oben drüber genommen werden muß. Immerhin sehen wir im Bergwald noch drei Gemsen, die uns neugierig beäugen, eine macht sogar ein nie gehörtes, heiseres Geräusch (seit wann machen Gemsen Geräusche?). Außerdem treffen wir einen Parkranger, der gerade zur Hütte aufsteigt. Erst hinter P.2089 fällt der Weg nach Zernez ab und ändert dann auch seinen Charakter zu einem gemütlichen Waldweg. Nach der Überquerung des Flusses Spöl ist der Ort bald erreicht.

Wer im Abstieg nach Zernez mehr Zeit hat, kann von P.2089 aus nach Süden einen unbenannten Gipfel (2578m) machen. Die Abzweigung ist im Wald beschildert. Aber daran ist heute nicht zu denken, denn es nieselt bereits und es pfeift ein eiskalter Wind. 


Tag 4: Munt la Schera (Karte)
Länge: 13.5km, auf: 676m, ab: 868m, T3

Wir fahren von Sta.Maria aus mit den Postauto hinauf bis auf den Ofenpaß und darüberhinaus bis zur Haltestelle Buffalora. Wir gehen dann über eine freie Fläche, auf der bereits Edelweiße wachsen, überqueren zwei glasklare Arme der Ova dal Fuorn und erreichen die Alp Buffalora. Dort kann man frisch gemolkene Milch trinken (zwei Schluck für 1 CHF, bißchen teuer ...) Dann steigt der Weg kurz durch einen kleinen Wald, bevor man die Baumgrenze erreicht und er langsam flacher und flacher wird. Der Blick fällt dann auf den Munt Chavagl (2542m), der Munt la Schera (2586m) liegt erst dahinter und wird von diesem verdeckt. Der Weg verläuft nun fast horizontal. Der Anstieg zum Gipfel (schwindelerregende 200 Höhenmeter) ist harmlos, wird aber bemerkenswerterweise durch hunderte Edelweiße gesäumt. Diese sind allerdings nicht sehr schön (eher grau als weiß).

Vom Gipfel aus können wir Quattervals und Murter sehen. Im Südosten steht der große Ortler strahlend weiß in der Sonne, etwas davor auch Piz Umbrail (3033m) u.a. Unter uns liegt der Livigno-Stausee. Mit dem Fernglas können wir an den westlichen Hängen zahlreiche Gemsen sehen. Wir trafen übrigens denselben Parkranger wie gestern nun auf dem Gipfel des Munt la Schera wieder.

Wir umrunden den Munt la Schera nun westlich und bleiben auf dem oberen Weg (um im Tal nicht an der Paßstraße entlanglaufen zu müssen) zur Haltestelle Il Fuorn. Dieser geht durch einen schönen Bergwald, der ab und zu auch ein paar Blaubeeren für uns hat. Dieser Weg fällt nicht einmal groß ab.

Dies war die letzte Tour im Schweizer Nationalpark. Die übrigen Touren liegen außerhalb.


Tag 5: Minschuns - Valbella (Karte)
Länge: 13.3km, auf: 973m, ab: 524m, T3

Wir fahren mit dem Postauto bis zur Haltestelle Biosfera in Tschierv. Von dort aus nehmen wir den nördlichen roten Weg nach Osten, der bald als Themenweg "Bär" ausgewiesen wird. Leider können wir dem Themenweg nicht lange folgen, denn er ist nach seiner Biegung nach Westen bald gesperrt. Um zur Alp da Munt zu kommen, muß man einen großen Umweg nach Osten über die Alp Champatsch machen. Es zeigt sich aber, daß das die bessere Idee ist, als den steilen Zickzack-Weg zu nehmen, denn dieser östliche Weg ist moderat und geht durch einen sehr schönen Wald. Weiter oben dann, hinter der Alp Champatsch, wird der Wald lichter, fast parkähnlich (man sieht das auch auf der Karte), und verläuft horizontal.

Etwa an der Stelle, wo der Zickzack-Weg von unten heraufkommt, entscheiden wir uns, den Minschuns-Gipfel (2520m) von Süden aus weglos zu machen, etwa 300 Höhenmeter. Dieser Berg ist harmlos, übersichtlich und nur mit kurzem Gras bewachsen. Ein Bauer, der gerade nach seinen Kühen schaut, bestätigt uns darin (er geht ja selber weglos). Wer noch nie weglos gegangen ist, kann hier bestens seine ersten Erfahrungen sammeln. Der Gipfel selbst wird von Kühen "bewohnt". Eine liegt tatsächlich ganz oben und hat 360° Rundumsicht. Eine andere kaut an einem Elektrokabel. Was man halt so macht. Wir gehen auch auf der Rückseite weglos hinab und erreichen die Abzweigung ins Valbella.

Das Valbella ist breit und der Weg zunächst fast horizontal. Wir beobachten mit dem Fernglas mindestens zwei Gruppen, die im Aufstieg zu dem nördlich gelegenen Piz Vallatscha (3020m) sind. Diese nördliche Kette sieht aus wie in den Dolomiten. Später dann ändert der Weg seinen Charakter, er wird ein schmaler Hangweg, denn der Fluß geht steil ins Tal hinunter, der Weg bleibt aber horizontal. Ab P.2311 geht er wieder durch lockeren Arvenwald bis zur Ofenpaßhöhe, von wo aus wir zurückfahren.


Tag 6: Piz Umbrail - Lai da Rims - Piz Praveder (Karte)
Länge: 20.9km, auf: 902m, ab: 1989m, T3+

Dies war ursprünglich für zwei Tage geplant, also als zwei separate Tagestouren. Aber die Argumente dafür schmolzen mehr und mehr und wir haben uns entschlossen, diese lange Tour an einem Tag zu machen.

Man kann von Sta.Maria mit dem Postauto auf den Pass Umbrail hinauffahren. Das dauert überraschend lange. Die Mitfahrt in diesem Bus muß vorher namentlich reserviert werden und wird vom Fahrer kontrolliert. Wenn man oben aussteigt, ist man auf 2505m. Die Straße geht dann noch weiter bis zum Stilfser Joch, das ist in Sichtweite. Wir aber gehen einen Weg vorbei an Schweizer (!) Stellungen bzw. Unterkünften aus dem Ersten Weltkrieg (in Sta.Maria unten gibt's ein kleines Museum). Dort sind auch Hinweistafeln zu lesen. Auf dem Weg (T3) befinden sich weiter oben zwei durch Ketten gesicherte Stellen (T3+), aber Klettern kann man das nicht nennen. Die 500 Höhenmeter bis zum Gipfel macht man recht gemütlich.

Vom Gipfel (3033m) hat man einen fantastischen Rundumblick, vor allem natürlich zum Ortler und seinen Kollegen, aber auch zur Berninagruppe. Leider ist es so, daß natürlich fast alle Mitfahrer aus dem Bus zur gleichen Zeit oben ankommen, der Gipfel ist drum oft ziemlich bevölkert.

Wir gehen nun nach Nordwesten hinab zum Lai da Rims (2395m), der allerdings lange nicht zu sehen ist. Es gibt aber ungefähr 100m weiter oben einen Punkt, von wo man ein gutes Foto dieses sagenhaft schönen Sees mit seinem türkisblauen Wasser machen kann. Das Wasser ist übrigens auch aus der Nähe sehr schön, man kann mehrere Meter weit darin sehen. Wer Lust hat, kann reinspringen - die meisten, die das tun, sind allerdings äußerst schnell wieder draußen.

Vom See aus geht es nach Westen zunächst durch eine Schwemmebene mit mehreren schönen Bächen, dann steigt es, aber nie unangenehm. Erst der letzte Knick im Weg, der auf den Piz Praveder (2767m) hinaufführt, ist wirklich steil. Ein Weg ist es dort eigentlich nicht mehr - der Berg ist weglos, aber ohne Schwierigkeit. Noch einmal gute Sicht von oben, aber nicht mehr auf den See.

Nun beginnt der lange Abstieg, zunächst durch das Val Döss Radont, dann durch die hügelige Ebene Döss Radont, ab P.2236 auf einem breiten Fahrweg hinunter ins Tal. Bald kommt ein schöner Fluß, die Aua da Vau hinzu. Bei P.1778 ist eine öffentliche Haltestelle eingezeichnet. Tatsächlich gibt es einen Bus, den man von hier aus nutzen kann, allerdings nur dienstags und donnerstags. Wir gehen deshalb die verbleibenden 400 Höhenmeter zu Fuß durch schönen Wald nach Sta.Maria, wobei noch mehrmals hinter uns zwei hohe Wasserfälle sichtbar werden (einer kommt aus dem See). Das Val Vau ist ein überraschend schönes Tal.

Eines muß man zum Piz Umbrail bedauerlicherweise noch sagen: Biker! Diese Biker rennen in ihren albernen Kniehosen wie von Sinnen auf diesen Gipfel, ihr Fahrrad auf der Schulter an den Ketten vorbei ... als ob es keine anderen Berge gäbe. Wer ohne Rad hier oben ist (und das ist eine sehr bescheidene Minderheit!), muß folglich jederzeit damit rechnen, daß ein (oder zwei, oder drei, oder vier) Biker wie aus dem Nichts hinter ihm angeschossen kommen und irgendwie an ihm vorbeiziehen. Das waren an diesem Tag bei uns sicher 30 oder 40. Insbesondere unten im Val Vau ist es deshalb klug, zu Fuß den Fahrweg nicht zu verlassen, denn alle Nebenwege, auch die weiß-rot-weiß markierten, sind selbstverständlich zum Biken da.


Tag 7: Piz Terza (Überschreitung) (Karte)
Länge: 15.6km, auf und ab: 970, T4

Wir fahren mit dem Auto nach . Der Grund dafür ist, daß der Bus dorthin Stundentakt hat und wir von Sta.Maria aus noch umsteigen (und lange warten) müßten, dasselbe am Nachmittag noch einmal. Mit dem Auto sind es nur zehn Minuten.

Von Lü aus geht es in langen Kehren einen gemütlichen breiten Weg hinauf, erst oberhalb von 2200m wird es ein wenig steiler. Vor der Fuorcla Sassalba (2599m), die wir nicht überschritten haben, befinden sich zwei kleine, sehr flache, aber klare Seen. Von dort geht es nach Osten hinauf zum Piz Terza. Etwa auf 2800m liefen direkt vor uns vier Schneehühner auf dem Weg, die nicht aufflogen, sondern lieber im Geröll in der Unsichtbarkeit verschwanden. Oben geht der Weg dann über alle drei Gipfelkuppen, wobei die letzte, die östliche, wohl als der Hauptgipfel (2908m) anzusehen ist, sie trägt ein Kreuz und einen granitenen Grenzstein aus dem Jahre 1943, der damals offensichtlich so wichtig war, daß er ohne Hubschrauber hier hinaufgebracht wurde.

Wer die Augen aufmacht, kann nun auf dem nach Norden führenden zackigen Grat eine rot-weiße Markierung feststellen. Dieser Pfad wurde von Südtiroler Seite markiert. Auf Schweizer Karten ist er gestrichelt eingezeichnet. Achtung, das Gelände hier ist T4 und von einem eigentlichen Weg kann keine Rede sein. Am besten, man schnallt die Stöcke an den Rucksack und nimmt die Hände. Bis zum Piz Cotschen (2767m) ist es ein ganzes Stück, das haben wir nicht gemacht, aber wir sind etwa bis P.2699 gekommen und dann weglos nach links in den Talkessel abgestiegen. Dort im Hang befindet sich gröberes Geröll, das geht ganz gut. Man kann dann auf die flachen Seen in der Mitte des Kessels zuhalten und weiter dem Wasserlauf folgen. Etwa dort, wo der rote Hauptweg die 2450m-Linie kreuzt, haben wir ihn wieder erreicht.

Kurz darauf wurden wir von einem Bartgeier überflogen, der jedoch andere Interessen weiter hinten im Kessel hatte, aus dem wir gerade kamen. Er landete dort sogar. Am Pass da Costainas kam er zurück und überflog uns erneut, nun Richtung Westen (Nationalpark). Es war ein ausgewachsenes Tier, am Bauch bereits hell gefärbt.

Der Rückweg nach Lü verlief entlang der Alp Champatsch, die wir schon kannten (Tag 5).

Am Piz Terza haben wir zehn oder zwölf Kühe gesehen, die nachweislich auf über 2800m lagen. Offenbar finden sie dort immer noch Futter. Im Berner Oberland trifft man Kühe selten über 2500m.


Tag 8: Piz Daint (Karte)
Länge: 14km, auf: 836m, ab: 1367m, T3+

Diese Tour sieht unspektakulär aus, hat's aber in sich. Wir beginnen auf der Ofenpaßhöhe. Dort geht es zunächst vergleichsweise gemütlich unter dem Il Jalet (2389m) hindurch. Dieser hat übrigens oberhalb unseres Weges ein hübsches Felsentor.

Hinter Davo Plattas beginnt der Weg dann zu steigen und das bleibt so bis zum Gipfel. Für diesen Aufstieg braucht man ein bißchen Kondition. Eine Pause kann man auf P.2649 machen.

Vom Gipfel (2967m) aus gute Sicht auf einige Berge, die wir nun schon kennen. Der Minschuns auf der anderen Seite des Tales sieht wie ein Zwerg aus.

Da ich nicht gerne zweimal denselben Weg laufe, habe ich die Tour als Überschreitung geplant, d.h. als Abstieg den südlichen Weg vorgesehen. Das sieht bereits oben vom Gipfel aus sehr steil aus. Ist es auch, und rutschig. Das T3+ bezieht sich vor allem auf diesen Abstieg hier unterhalb des Gipfels.

Nachdem P.2682 erreicht ist, geht es dann aber noch lange holprig weiter. Der Weg scheint hier durch mehrere Verschüttungen beeinträchtigt. Erst im Muliniersch wird es etwas flacher. Nach Überschreitung der Aua da Muliniersch kommt sogar eine vergleichsweise horizontale Wiese. Ein ganz anderes Laufgefühl!

Das härteste Stück ist aber der Abstieg entlang des Baches, in der Karte Val da la Föglia. Dieser Weg geht praktisch ohne eine einzige Serpentine senkrecht zu den Höhenlinien hinab. Auf dem oberen Teil macht man ab P.2212 auf etwa 750m horizontal mehr als 340m vertikal, das ist nach meiner Rechnung eine Steigung von mehr als 45%. Es ist klar, warum kaum jemand diesen Weg nimmt, weder hinauf noch hinab.

Wir gehen noch bis nach Tschierv, verpassen dort aber das Postauto, es fährt uns vor der Nase weg. Da wir nun nicht noch eine Stunde warten wollen, gehen wir zu Fuß bis Fuldera hinunter.

Dies war unsere letzte Tour auf Schweizer Boden. Wir fahren nun das Val Müstair hinunter bis nach Glurns und biegen dann rechts ab, um in das Suldental zu gelangen.


Tag 9: Erkundungstour über einen echten Gletscher (Karte)
Länge: 14.3km, auf: 585m, ab: 1015m, T3

Das Wetter hat sich dramatisch verschlechtert. Morgen soll es besser sein, deshalb machen wir heute eine "Erkundungstour". Diese wird allerdings eine richtig interessante Bergtour.

Wir fahren von Sulden aus mit dem Sessellift bis auf 2300m und gehen dann auf einem moderat steigenden Weg zur Hintergrathütte.

Dort beginnt der so angeschriebene Gletscherweg, der über den großen Blockgletscher geht, der sich auf der Südostseite des Ortlers befindet (Suldenferner). Das ist eine sehr interessante Sache, vor allem das viele Wasser, das auf und unter dem Eis fließt. Ich habe an einer Stelle direkt neben dem Weg ein rundes, etwa 40cm großes Loch gefunden, das mit Wasser gefüllt war. Ich habe meinen 1.20m langen Stock hineingesteckt, der keinen Grund fand ...

Wir schauen mit dem Fernglas hinüber auf die andere (östliche) Talseite, um herauszufinden, wo der Weg zur Vertainspitze verläuft und ob es Schwierigkeiten geben könnte und können ein paar Fragen klären.

Abstieg von der Schaubachhütte durch das Tal.


Tag 10: Vertainspitze (Abbruch) (Karte)
Länge: 8.2km, auf und ab 800m, T4

Die Vertainspitze sollte der krönende Abschluß werden, aber daraus wurde nichts. Das Wetter war entgegen der Vorhersage noch schlechter als gestern. Bereits auf dem Kanzellift wurden wir ordentlich naß. Dann hörte es auf, so daß wir losgingen, blieb aber stark bewölkt.

Wir sind entlang von Steinmännchen bis etwa 3150m gekommen, der Gletscher direkt neben uns. Dann wurden die Wolken in kurzer Zeit so dicht, daß der Gipfel nicht mehr zu sehen war. Außerdem donnerte es zweimal kräftig und vom Ortler her wurde der Himmel dunkel. Wir entschieden uns, die letzten 400 Höhenmeter nicht mehr zu machen, obwohl wir kräftemäßig ohne weiteres dazu in der Lage gewesen wären. Andere haben auch umgedreht, es kamen uns im Abstieg aber auch noch Leute entgegen ...

Der Abstieg ging schneller als der Aufstieg. Wir sahen, daß wir aufwärts ungünstig gegangen waren, mehr über Geröll, was viel Zeit gekostet hat. Es ist klug, immer recht nah am Gletscher zu bleiben, teils verläuft "der Weg" sogar auf dem Eisrand.  Weiter unten regnete es dann richtig und bis abends anhaltend.



Unterkunft

  • Die Cluozza-Hütte (Chamanna Cluozza) ist ein Blockhaus im Schweizer Nationalpark und die einzige Hütte dort, die man einfach so buchen kann. Bißchen finster, weil sie im Wald liegt und die Bäume nicht viel Licht hineinlassen. Aber wunderbar still, man schläft wie von selbst.
  • Das mit viel Fleiß geführte B & B Chasa Jaro in Sta.Maria befindet sich in einem mehrere hundert Jahre alten Bündnerhaus. Wer schon immer einmal wissen wollte, wie so ein Haus von innen aussieht, hat hier Gelegenheit, das herauszufinden. Es gibt dort fünf Zimmer, vier davon mit uralter Holztäfelung, rechte Winkel kann man suchen. Wer über 1.65m groß ist, lernt in dem Haus auch ganz neu laufen. Prima Frühstück, und früh genug, um die Postautos um 7:20 bzw. 7:36 zu erreichen, das Haus ist auch nur eine Gehminute von der Haltestelle Sta.Maria Post entfernt. Man kann übrigens im gleichen Haus auch abends essen (es ist also eigentlich mehr als ein B & B). Und das Beste: eine Bäckerei ist gleich gegenüber, wenn man das Fenster aufmacht riecht es nach Tuorta da nusch.
  • Das B & B Nives in Sulden ist recht modern. Seine Stärken liegen im Service auf der Terasse und an der Bar sowie im Verhältnis von Leistung und Preis. Das Essen ist ausgezeichnet, wenn auch die Portionen so groß sind, daß man jeden Abend wie genudelt ins Bett geht.


Perspektiven

Es gäbe noch mindestens zwei weitere Touren im Nationalpark, nämlich

  • über das Val dal Botsch ins Val Minger, diese Tour haben wir vor vielen Jahren einmal gemacht, ich erinnere mich an viele Hirsche und Hirschkühe im Wald
  • von Zernez über den Munt Baselgia und unter dem Piz Macun hindurch nach Lavin
Bei beiden Touren ist das Problem, daß Anfang und Ende sehr weit auseinanderliegen und man sich Gedanken machen muß, wie man wieder zurückkommt

Tourengänger: muellerto


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»