Gastlosen Nord


Publiziert von Bergamotte , 28. Juli 2020 um 17:00.

Region: Welt » Schweiz » Freiburg
Tour Datum:27 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-FR   Gastlosenkette 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PW bis Parkplatz Oberi Bire
Kartennummer:1226 / 1246

Eigentlich wollte ich mit diesen T6-Touren ja etwas kürzer treten. Aber hey, wir sprechen hier schliesslich von den Gastlosen, dem Spielplatz für Alpinwanderer und Kletterer in der Westschweiz. Einfache Gipfelrouten findet man nur vereinzelt, gegen oben sind die Schwierigkeiten fast unbeschränkt. Nachdem ich 2017 bereits die südlichen Gastlosen durchstiegen habe (*klick), widme ich mich heute der wilden, einsamen Nordseite. Sie scheint fest im Besitz der Kletterer zu sein, obschon eine Reihe von Gipfeln auch dem gestählten Alpinwanderer offensteht. Das ist doch einigermassen erstaunlich, denn die Routen sind nicht nur wild und abwechslungsreich, sondern streckenweise geradezu spektakulär. Stünde die Rüdigenspitze im Alpstein, wäre sie auch so verlassen!? 

Kurz nach acht Uhr geht's los vom geräumigen Parkplatz Oberi Bire. Der hohe Ausgangspunkt zu Füssen von Wandflue und Rüdigenspitze kommt mir natürlich sehr gelegen. Letzterer Gipfel soll den Abschluss bilden meiner Rundtour um und auf die nördlichen Gastlosen. Vorerst lasse ich ihn aber links liegen und quere zügig auf markiertem, teils wild-romantischem Weg bis zum Chalet Grat (1641m). Ein guter Weg führt links den Hang hoch. Er ist rot-weiss markiert, aber gemäss Swisstopo kein offizieller Wanderweg mehr. Wie auch immer, bis zur "Gratflue" (P. 1935m) ist das reines Gehgelände ohne jegliche Schwierigkeiten.

Die Turnschuhe wandern nun in den Rucksack, sie taugen nicht mehr für den Rest der Tour. Der kurze Übergang zum "Col des Moutons" (ca. 1920m) erfolgt entweder über rauhen Kalk dem Gratrücken folgend oder leicht nach Osten ausweichend. Vom Pässchen geht's direkt nach rechts ein schuttiges Couloir runter. Weglos, eher mühsam, aber eigentlich harmlos. Bei erster Gelegenheit (ca. 1840m) beginnt man mit der Querung nach Süden. Diese beginnt mit einem kurzen Wiederaufstieg und ist vor Ort wie auch auf der LK (maximale Vergrösserung) recht offensichtlich. Prinzipiell führt (mindestens) eine Wegspur der ganzen Wand entlang bis zum Oberbergpass. Nur, das Gelände ist für einen Erstbesucher wie mich recht unübersichtlich und ich verliere sie mehrmals.

Die Beschreibung im Freiburg-Führer von 2014 zur "Gastlosenspitze" (ca. 1995m) ist gut gemeint, aber in solchem Terrain fast zwingend zum Scheitern verurteilt. Besser man hält sich an die eigene Intuition. So steige ich über Steilgras, Schrofen und kleinere Absätze Richtung Grathöhe hoch (T6-) und lande wider Erwarten punktgenau beim Ziel. Von oben wirkt die Sache bereits viel übersichtlicher. Geholfen hätte mir das Wissen, dass es sich beim formschönen Gipfel mit dem Kreuz um die Glattewandspitze handelt, welche sich unmittelbar links (nördlich) von der weniger markanten Gastlosenspitze befindet. Im Anschluss versuche ich mich noch von drei Seiten an ebendieser Glattewandspitze, aber dieser Gipfel scheint den Kletterern vorbehalten.

Nach diesen Versuchen kurzer Abstieg und weiter geht's mit der Querung. Sehr bald treffe ich auf Trittspuren, die anregend Richtung Marchzähne hochziehen. Zielsicher und gutmütig (max. T5) führt sie mich zum im Führer erwähnten Felskamin (II, knapp 10m, nicht ausgesetzt) - aufatmen. Nach dem Ausstieg (Abseilstelle) ist man fast schon am Ziel: ganz kurz den Wegspuren folgen zurück nach Nordosten und hoch in die Scharte zwischen Marchzahn I & II. Dann in leichter Kletterei zum Marchzahn III, dem kotierten Hauptgipfel der Marchzähne (1994m). Via Scharte zwischen III/IV erreiche ich wieder die Aufstiegsroute.

Am deutlichsten sind die Wegspuren am Eggturm, wo zunächst eine grasige Rampe hochgestiegen wird (T5, bei Nässe heikel). Oben auf dem Grat trifft man auf den gelb markierten Weg der Kletterer und folgt ihm anregend nach rechts (Südwest) bis vor den Gipfelaufschwung, wo in die Südflanke gequert wird. Die herrliche Kletterkraxelei im Plaisirbereich (max. T5+) endet direkt beim Kreuz auf dem Eggturm (1933m). Wieder zurück beim Ausgangspunkt stehe ich wenige Minuten beim Oberbergpass (1824m), wo's vor Kletterern nur so wimmelt.

Hier setzt wiederum ein rw-markierter Weg ein, der nicht mehr Teil des offiziellen Netzes ist. Er quert geschickt den Wänden der Sattelspitzen entlang und endet wenig oberhalb vom Chalet du Soldat (1752m). Während der erste Teil noch etwas rauh ist, erweist sich die Fortsetzung als wild-romantische Bijou - Begehung dringend empfohlen. Kurzer Abstecher zur Hütte, die sehr gut besucht ist. Generell ist rund um Wolfs Ort (1921m) wahnsinnig viel Volk unterwegs an diesem Montag - was für Kontrast zu vorhin. So bin ich froh, als ich - zum zweiten Mal heute - wieder zu Füssen der Rüdigenspitze stehe und das Wegnetz verlassen darf.

Und an diesem Berg geht dann so richtig die T6-Post ab. Aufstieg durchs rechte Couloir über Steilgras und Schrofen, genau mein Gelände (Topo). Die Wegführung ist intuitiv und lässt nicht viele Varianten zu. Wenig unterhalb des Grates folgt eine heikle Querung nach links, man könnte hier auch T6+ geben. Zuletzt in angenehmer Kletterei dem Grat entlang über den nördlichen Vorgipfel und dann in wenigen Schritten zur Rüdigenspitze (2124m), wo es nach 5:30 Marschzeit endlich Lunch gibt. Ebenso belebend ist die leichte Brise hier oben an diesem Hitzetag.

Nach dem Aufstieg ist vor dem Abstieg und auch dieser hat es in sich. Wie vom Führer empfohlen halte ich mich ans links Couloir (von unten betrachtet). Zuoberst hat man gemäss Führer die Wahl zwischen dem Grat oder der steilen Grasflanke links davon (T6, meine Variante). In letzterer hängt ein langes, zuverlässiges Drahtseil. Fast angenehmer ist jedoch, neben dem Drahtseil abzusteigen, weil das Gelände dort besser gestuft ist. In einer felsigen Querung kurz vor der Vereinigung der beiden Varianten ist die Verwendung des Seils aber unerlässlich - ich wäre sonst umgekehrt. Anschliessend einfach das Couloir runter, über Steilgras, Schrofen und Geröllrunsen. Hier und generell an diesem Berg ist man heilfroh, dass er kaum besucht wird. Denn in beiden Couloirs verträgt es nur eine Partie, man löst fast unweigerlich Steinschlag aus, vor allem im Abstieg. Dank dem praktischen Ausgangspunkt Oberi Bire entfällt für einmal der lange Abstieg und 35 Minuten nach dem Gipfel sitze ich bereits in meinem Polo.


Zeiten (kum)
1:10  Gratflue
2:45  Marchzähne
3:25  Eggturm
5:25  Rüdigenspitze
6:00  Oberi Bire

Tourengänger: Bergamotte
Communities: T6, Freiburg


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Kommentare (2)


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Lugges hat gesagt: SAC-Führer Freiburg
Gesendet am 29. Juli 2020 um 11:46
Schön, haben die Gastlosen wieder einmal vom Alpinwanderer Besuch erhalten. Die Beschriebe im SAC-Führer zu den Gastlosen stammen von mir (3 Kapitel). Ich hoffe, sie haben dir weitergeholfen. Im Aufstieg zur Gastlosenspitze habe ich eine sehr schwach ausgetretene, gutmütige Pfadspur in Erinnerung, welche womöglich von Südwesten kommend einfacher zu finden ist.

Bergamotte hat gesagt: RE:SAC-Führer Freiburg
Gesendet am 29. Juli 2020 um 12:08
Ah, jetzt ist alles klar. Ich habe mich noch gefragt, warum der gute Mann 1:1 aus dem Führer abschreibt, ohne das offenzulegen... ;-)

Das war übrigens keineswegs als Kritik zu verstehen. Das Gelände ist so unübersichtlich, da kommt man mit Worten einfach an die Grenzen. Und bei einem nächsten Mal würde vermutlich alles schon viel klarer erscheinen.

Beste Grüsse


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