Val Pincascia (Val Verzasca): Rifugio Alpe Fümegna und ihre Alpkäserei


Publiziert von Seeger , 18. Juli 2009 um 18:22.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Locarnese
Tour Datum:17 Juli 2009
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Poncione Rosso   CH-TI   Gruppo Cima di Gagnone 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Strecke:Lavertezzo 536m - Rifugio Alpe Fümegna 1810m - Lavertezzo 536m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto: Tenero – Valle Verzasca – Lavertezzo: Zwischen Kirche und alter Doppelbrücke zweigt eine enge Strasse hangwärts ab. Diese kann man bis unterhalb Cognera 758m befahren. Dort befinden sich auf 680m Höhe entlang der Strasse Parkmöglichkeiten. Ö.V.: Postauto von Locarno nach Lavertezzo
Zufahrt zum Ankunftspunkt:item
Unterkunftmöglichkeiten:Rifugio Alpe Fümegna 1810m Capanna Cornavosa SEV 1991m Lavertezzo: Albergo della Posta, Tel 091 746 16 67 (unbedingt reservieren)
Kartennummer:Osogna 1293

Das Rifugio Alpe Fümegna, 1810m, - ein Familienbetrieb und 28 Jahre in gleicher Hand - ist ein Aufstieg von Lavertezzo im Valle Verzasca alleweil der Mühe wert. Bezwinger der Via Alta Verzasca machen hier seit Jahren Zwischenhalt.
Gleich hinter der Kirche von Lavertezzo steigt eine Granit-Treppe in Direttissima in die obersten Häuser, Verzöö, 618m, rot/weiss markiert hinauf. Achtung: Letzte Natel-Verbindung!
Nun unbedingt durch die engen Gässchen dieses sehr gut unterhaltenen Weilers in den oberen Teil hinauf schlendern, wo der Weg durch eine mit Trockensteinmauern gesäumte Gasse – la carraia (Karrenweg) – vorerst über eine Wiese empor steigt. Ich glaube, den schwülsten und heissesten Tag dieses Jahres erwischt zu haben. Dazu brennt die Sonne in günstigstem Einfallswinkel in den Nacken. Sauna garantiert! So bin ich um den Schatten der bald erreichten Wälder und jeden wasserführenden Brunnen dankbar. Das erste Mal in Cognera, 758m, wo ich dem Plätschern im Schatten der Laubbäume rastenderweise zuhorche und vom kühlen Nass nicht nur nippe.
Einigermassen den Durst gestillt, gehe ich im Wald in sanfter Steigung nach Forno, 824m, hinauf und anschliessend über Treppenanlagen zur Brücke hinunter. Neue Gatter mit rustikalen Holzverriegelungen – gespendet vom Verkehrsverein – haben keine Verbote/Gebote-Tafeln, jedoch sind sie interessanterweise immer ordentlich geschlossen.
Nach einer kurzen Steigung über einen rauen, aber breiten Weg erscheint die Verzweigung: Nach links führt der Weg ins Val d’Agro, nach rechts ins Val Pincascia. In steilen Kehren geht’s ostwärts ins Tal hinein und angenehm gleichmässig steigend bis auf Pt.1155, auf Höhe des schön ausgebauten Weilers Pincascia, welches auf der Gegenseite liegt und mittels Brücke erreichbar ist.  
Recht steil und abwechslungsreich steigt der Weg weiter zur neuen Brücke nach Cornavosa unterhalb Pt.1404, kurz darüber zur Abzweigung des Alpweges zu den Alpe Lavazzè, 1658m (Lavatsch=Speckstein) und Alpe Cuneggio, 1761m (von cuneo=Kegel/Keil). Ich folge geradeaus dem Haupttal und kämpfe mich schnaubend auf die Alpe Fümegna, 1627m. „Mach es wie die Ratten – suche stets den Schatten!“ Gesagt getan. Besorgt betrachte ich den sonnigen Weidehang und Schlussspurt zum Rifugio, welcher von einem Tragseil überspannt ist. Personenlift?!
Im dritten Anlauf starte ich zu dieser Tortur, welche keine geworden ist. Warum? Ganz einfach: Wenn die Kinder nicht mehr mögen und beginnen, schlapp zu machen, muss man sie ablenken. Bei mir ist es das Fotografieren der Blumen. Und immer wieder neue, unbekannte….den ganzen Hang hinauf! Ich hüpfe von Highlight zu Highlight, alle Mühsal vergessend. Und ehe ich mich versehe, stehe ich vor dem Rifugio, welches sicher keine Schönheit ist, jedoch von einer äusserst sympathischen Familie den Odem eingehaucht bekommt, welcher einem das Gefühl der Geborgenheit gibt.
Für mich ist es ein Wiedersehen nach zwei Jahren. Sie hinkt etwas. Das mache nichts, sagt sie, es sei halt so. Diese Frau strahlt Güte aus. Sie erkennt mich sofort. Kurz darauf kommen zwei Alpinisten der besten Sorte von der Capanna Borgna her entlang der Via Alta. Dolmetscherdienst. Interessenaustausch. Freunde auf Zeit - Zeitreisende. Duschen unter den nahegelegenen Wasserfällen mit warmem Wasser erwärmt von den dunkeln Felsen. Zurück zum Haus. Zwei blonde Hütejungen springen sehr schnell den Steilhang von der oberen Alp herunter. Überstellig und fröhlich, den Schalk in den Augen. Der Mann und Alphirt mit Hund hintendrein. Der Vierte, der „Anziano“ sei oben geblieben. Er hatte eine Vorahnung.
Zuerst essen die Älplerfamilie, dann wir. Im Freien bei untergehenden Sonne. Welch geschmackvolle Makkaroni, dazu kühles Bier. Im Innern dann noch einen Kaffee mit Grappa. Früh ins Körbchen. Doch vorher die bange Frage, wie das Wetter morgen denn sei. Telefon 162 gebe diffuse Angaben, sagt sie. Schnee bis auf 2000m, aber nur im Bündnerland; Gewitter, aber erst im Verlaufe des Tages. Summa summarum: Da kommt was auf uns zu!
Mit der klaren Absicht, das Frühstück um 6 00 Uhr einzunehmen, legen wir uns schlafen. Noch im Morgengrauen geht’s los. Blitz, Donner und Platzregen. Ein Inferno. Zum Glück sind wir im Rifugio – einem Rifugium, wo man sich zurückziehen kann und nicht der Unbill ausgeliefert ist. Die meisten Blitze schlagen in den Poncione Rosso ein, welcher eisenhaltig ist.
Die beiden Kollegen wollen unbedingt zur Capanna d’Efra. Ist ja die leichteste Etappe. Sich Mut einredend. Der Aufbruch-Termin wird bei jedem Gewittereinbruch neu definiert. So um 1100 Uhr klart es auf. Hastige Emsigkeit. Zwei Kollegen Richtung Grat, ich Richtung Tal. Knappes Tschüss, Arrivederci und weg.
Keine zwanzig Meter unterhalb des Rifugio erreicht mich ein Platzregen. Dank Anorak nur ein Nasse-Schuhe-Problem. Abstieg zur Alpe Fümegna. Dort treffe ich den Sohn, 42, welcher schon mit 14 Jahren selbständig käsen konnte. In einer hergerichteten Hütte stehen das Käsekessen, die Rahmzentrifuge, die Käsepresse und das Butterfass. Behende bereitet er die Frischkäse zum Pressen vor und erklärt mir anschaulich viele Details. Ein Blick in den blitzsauberen Käsekeller. Eine Reihe Oktoberkäse sind in Tüchern eingepackt an einer Stange aufgehängt. Ich kann mir davon etwas kaufen. Solltest Du dort vorbeikommen, versuche auch Käse zu kaufen. Er ist einmalig im Geschmack. Wirklich lecker. Verabschiedung und Abstieg.
Beim Aufstieg achtete ich nicht auf die vielen Bäche, welche den Weg queren. Beim Abstieg schon! Mächtig angeschwollen ist jeder Bach ein Grund zum Hüpfen. Glücklich, wer Reservesocken dabei hat. Vier Stück habe ich – und alle werden zum Auswinden nass. Schuhe mit integriertem Schwimmbad. Pfloootsch – Pfloootsch im Gleichmass der Schritte. Dank Anorak und Rucksack-Haube bleibe ich wenigstens im oberen Teil trocken.  
Gewitter auf Gewitter folgen. Ich denke an meine Zeitreisenden der Fümegnahütte, welche jetzt da oben sind, wo die Blitze einschlagen. Hoffentlich geht es ihnen gut. Hätte ich sie vom Vorhaben abbringen sollen? Mit welchem Recht kann man, soll man, tut man? Ich hadere mit meiner Unzulänglichkeit. Vorwürfe an einen Routinier und alten Hasen….
Ich erreiche Lavertezzo und geniesse bei Regen einen Glace-Stängel, Magnum natürlich, und anschliessend aus Frust ein Erdbeer-Cornet. Für zuhause kaufe ich noch ein Kastanienbrot. Alles im Kiosk. Die ältere Frau ist sehr nett.
Ein Engel bringt mich zum Auto, welches auf der andern Seite im Val d'Ambra beim Bacino geduldig auf mich wartet.. Am nächsten Morgen liegt Schnee bis auf 2000m. Wie geht’s meinen Kollegen?

Tourengänger: Seeger


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Kommentare (2)


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Henrik hat gesagt: Herrlich, man müsste wirklich
Gesendet am 19. Juli 2009 um 17:40
den Schuh mit Abflusskanälen noch erfinden! Es gibt ja den AirCon-Schuhe, der hier immer wieder als Werbung erscheint...

Trefflicher Bericht.

Ciao

Henrik

Seeger hat gesagt: RE:Herrlich, man müsste wirklich
Gesendet am 21. Juli 2009 um 22:19
Caio Henrik
Gute Idee. Sollte technisch möglich sein. Wie die Lenzklappe bei den Segelschiffen. Mit Geschwindigkeit wird ein Sog erzielt.
Je schneller Du gehst, umso grösser ist das Vakuum.
Dein
Andreas


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