Reichenberger Spitze (3030m), Rosenspitze (3060m) und Großschober (3055m)


Publiziert von BigE17 , 14. Februar 2020 um 10:19.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum: 1 August 2017
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: WS - Gut fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 13:30
Aufstieg: 2200 m
Abstieg: 2200 m
Strecke:21 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mittersill über den Felbertauern oder von Lienz kommend nach Matrei in Osttirol. Nun ins Virgental hineinfahren und dabei immer auf der "Hauptstraße" bleiben. In Ströden endet diese Straße bei einem großen Parkplatz (eine kleine Parkgebühr).
Unterkunftmöglichkeiten:Neue Reichenberger Hütte, Clarahütte

Wenn man sich in Prägraten am Großvenediger aufhält und dann auf der nördlichen Talseite ein wenig bergauf geht, erkennt man im Umbaltal einen hohen Gipfel. Dessen Nordwand fällt äußerst steil über 1000 Hm in die Tiefe. Und trotzdem wissen die meisten nicht, wie er heißt. Es ist der Großschober, einer der höchsten Gipfel der Lasörlinggruppe. Er bekommt auch kaum Besuch, weil alle Wege sehr lang sind. Südlich davon befindet sich die doppelgipfelige Rosenspitze. Sie wird gelegentlich bestiegen, wegen der Nähe zur Neuen Reichenberger Hütte. Weiter im Südosten steht die Reichenberger Spitze, die so gut wie nie bestiegen wird. Und das hat einen guten Grund...

Zusammen mit einem Tourenpartner hatte ich beschlossen, alle diese Gipfel an einem einzigen Tag zu besteigen. Wir wussten, dass diese Tour sehr lang war, deshalb starteten wir bereits um 5:30 am Parkplatz in Ströden. Aber zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass mir heute die längste und gefährlichste Bergtour bis heute bevorstehen würde. An diesem Tag ging zugegebenermaßen auch einiges schief. Doch der Reihe nach...

Mit den Fahrrädern fuhren wir über den recht flachen Weg zur Pebellalm, hier zweigten wir in Richtung Neue Reichenberger Hütte ab. Ab hier wurde der Weg sehr steil, wir mussten die Räder ab nun durchgehend schieben. In zahlreichen Serpentinen führte der Weg 400 Hm nach oben bis zum Eingang ins Kleinbachtal. Gerade das letzte Stück war ganz besonders steil. Entlang des Weges sahen wir auch ein Auto, aber wie man damit da hochkommt?? Es wurde nun ein bisschen flacher, wir mussten aber immer noch schieben. Nach weiteren 300 Hm erreichten wir auf 2200m endlich eine Almhütte im Großbachtal. Ca. 200m vor der Hütte deponierten wir die Mountainbikes und gingen zu Fuß weiter.

Der Steig führte - vorbei an der Alm - ohne Höhengewinn ins Tal hinein. Ganz hinten im Tal begann der Weg, zur Bachlenke anzusteigen. Davor verließen wir den Steig und überquerten den Großbach. Nun stiegen wir kurz über einen Grashang auf, das war etwas mühsam wegen des langen Grases. Danach querten wir kurz entlang des steilen Hanges, bis es flacher wurde. Vor uns lag nun ein wunderschönes Kar, am Ende erkannten wir die Graue Wand sowie die Scharte zwischen dieser und der Reichenberger Spitze. Diese war vorerst unser Ziel. Als wir uns nach längerer Zeit in angenehmem Gelände unterhalb der Scharte befanden, erkannten wir, dass der Südgrat der Reichenberger Spitze schwierige Felsstufen hatte. Deshalb beschlossen wir, weiter rechts aufzusteigen.

Nun wurde es ernst: Wir mussten einen brutalst steilen Grasschrofenhang überwinden (ca. 50°). Das hier hatte mit Gehgelände nichts mehr zu tun. Ständig mussten wir im steilen Gras klettern (I), manchmal auch an den Felsen. Das Problem dabei: Die Felsqualität war grauenhaft, im Gras waren die Tritte klein, wir mussten uns immer wieder an den kurzen Grasbüscheln hochziehen und es wurde mit zunehmender Höhe immer ausgesetzter. Irgendwann wurde es flacher. Wir hatten also das markante Grasband erreicht, das von der Scharte zwischen Grauer Wand und Reichenberger Spitze hierher führt. Dieses konnten wir leider nicht weiter queren, weil es kurz durch sandigen Fels unterbrochen war. Deshalb mussten wir gerade nach oben steigen, um den Grat oberhalb des höchsten Abbruchs zu erreichen. Es wurde noch ein wenig steiler als der untere Teil, das Gelände war ein wenig felsiger und ordentlich ausgesetzt. Nach dem sehr heiklen Anstieg erreichten wir schließlich auf knapp über 2900m den Grat. Hier erwartete uns dann gleich noch eine kurze Reitgratstelle (I), dann ging es im Gehgelände entlang des Grates weiter bis zum Gipfel.

Nun konnten wir erstmal die Aussicht genießen. Bei diesem traumhaften Wetter waren natürlich sehr viele schöne und bekannte Gipfel zu erkennen. Doch nun mussten wir ein neues Problem lösen: Von diesem Gipfel wieder herunterkommen. Geplant war, über den "Normalweg", den NW-Grat abzusteigen. Wir wussten, dass wir im oberen Teil kurz in die Nordwand ausweichen müssten. Wir kamen dabei aber nicht besonders weit: Unser Plan, direkt am Grat zu klettern, scheiterte an einem senkrechten Abbruch. Also versuchten wir, in die Nordwand einzusteigen. Aber das war an keiner Stelle möglich, weil die Felsqualität nicht furchtbarer hätte sein können, die Flanke immens steil und höllisch ausgesetzt war.

Also Planänderung: Da wir nicht über den Aufstiegsweg absteigen wollten, blieb nur noch eine Möglichkeit: Gerade durch die Westflanke absteigen! Eine nach unten hin immer markanter werdende Rinne war die sinnvollste Möglichkeit. Das war aber auch nicht einfach: Ausrutschen war verboten (würde aber nicht tödlich enden), es herrschte Steinschlaggefahr, der Fels war brüchiger als brüchig. So kletterten wir vorsichtig durch die steile Flanke nach unten (II). Ganz unten wurde die Rinne dann noch steiler, wir mussten ganz langsam und vorsichtig nach unten rutschen. Nun befanden wir uns auf einem großen Schuttfeld, über das wir angenehm zur Rosenspitze hinüber queren könnten. Wir ahnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass wir das Schlimmste noch vor uns hatten...

In angenehm zu begehendem Sand querten wir also die gesamte Südflanke der Rosenspitze, bis wir uns unterhalb des SW-Gipfels befanden. Eine kurze, steile Schuttflanke führte zur Scharte links des Gipfels empor. Die letzten Meter zum SW-Gipfel waren einfach (I). Wir kehrten wieder zurück zur Scharte. Nun begann der lange Verbindungsgrat zum Hauptgipfel der Rosenspitze. Am Anfang warteten nur wenige Kletterstellen auf uns (I), der Großteil des Grates war Gehgelände. So erreichten wir dann auch den Hauptgipfel der Rosenspitze.

Wir überlegten nun, ob wir den Großschober heute auch noch besteigen sollten. Es war nämlich bereits 12:00. Wir entschieden uns dazu, über den Verbindungsgrat hinüberzugehen, laut Führer Schwierigkeitsgrad II. Der schuttige Abstieg von der Rosenspitze erfolgte im Gehgelände. Dabei hielten wir auf der rechten Seite Ausschau nach Rinnen, durch die ein Abstieg ins Großbachtal möglich wäre. Geplant hätten wir die steile Rinne durch die SO-Flanke des Großschobers, aber falls die doch nicht begehbar wäre, hätten wir eine Alternative. Während die erste Rinne, an der wir vorbeigingen, unbegehbar war, folgten kurz danach 2 machbare, eine davon am tiefsten Punkt des Grates

Nun nahmen die Schwierigkeiten am Grat jedoch zu. Nach einigen Klettereinlagen (I) versperrte uns ein plattiger Turm den Weg. Wir mussten also nun links ins Kar absteigen. Das war im steilen Schutt auch gar nicht so schwierig. Da wir nicht noch weitere 50 Hm hergeben wollten, versuchten wir, möglichst bald den Grat wieder zu erreichen. Als einzige Möglichkeit bot sich dafür eine steile Felsrinne an. Sie sah zwar auf den ersten Blick sehr ungut aus, bei genauerem Hinsehen wirkte sie dann doch nicht so schlimm. Tatsächlich war der Aufstieg aber äußerst unangenehm und anstrengend. Der Fels an beiden Seiten der Rinne bewegte sich bei Berührung, Steinschlag war also unvermeidbar, und das Gelände war wirklich brutal steil (Kletterei II). Nach einiger Zeit erreichten wir den schmalen Grat. Nun hieß es, einen Reitgrat zu überwinden, um zu einer steilen, ausgesetzten Platte zu gelangen. Sie war sehr steil und alle Tritte waren klein und voller Schutt (II). Danach wurde es erstmal wieder leichter, doch dann erwartete uns eine bitterböse Überraschung: Ein zehn Meter hoher senkrechter Abbruch versperrte uns den Weg. Unterhalb von diesem führte die geplante Abstiegsrinne ins Großbachtal hinunter, danach wäre nur noch eine Platte bis zum Gipfel zu überwinden. Aber das Abklettern dorthin wäre sehr schwierig gewesen. Das nächste Problem: Es gab hier keine Möglichkeit, zu sichern.

Deshalb blieb uns nur noch eine Möglichkeit: Wieder zurückgehen. Diesmal umging ich die unangenehme Platte östlich im brutal steilen Gras, was trotz der Ausgesetztheit kein Problem war. Für den Abstieg wählten wir uns dann eine andere Rinne aus, die weniger brüchig war. Doch leider wurde sie im Mittelteil furchtbar steil. Wir mussten uns hier äußerst vorsichtig bewegen, um nicht wegzurutschen (Kletterei II). Danach waren wir gottseidank wieder aus diesem Sch***gelände draußen! Nun hielten wir auf die Schuttflanke zu, die zur Scharte nach dem Abbruch führen würde. Diese war zur Abwechslung ungefährlich, aber sehr mühsam. Endlich standen wir in der Scharte, die Abstiegsrinne sah machbar aus. Aber die Platte bis zum Gipfel könnte nochmal spannend werden. Die ersten Meter waren noch einfach, doch dann wurden die Griffe und Tritte klein und lagen weit auseinander (II+). Nur langsam wurde es flacher und wir gelangten endlich auf den Gipfel des Großschobers. Beim Blick auf die Uhr dann der große Schock: Trotz des frühen Startes war es bereits nach 15:00.

Die Gipfelrast dauerte daher nicht besonders lang. Weil wir über die Platte nicht absteigen wollten, wählten wir nun den Normalweg. Durch die SW-Flanke konnten wir recht gut durch den Schutt abrutschen und waren dann ganz unten im Kar. Von hier aus wollten wir dann nicht noch einmal 200 Hm zur geplanten Abstiegsrinne aufsteigen. Also peilten wir wieder den tiefsten Punkt zwischen Rosenspitze und Großschober an. Auch hier war es notwendig, über 100 Hm durch steilen Schutt aufzusteigen. Nun begann der Abstieg durch die nächste Rinne. Sie wirkte von oben deutlich flacher als sie dann war, fast durchgehend mussten wir Kletterstellen überwinden (I-II). Glückerweise hatten wir aber überhaupt keinen Steinschlag, es bestand auch nirgends die Gefahr, abzustürzen. Allerdings war die Rinne recht lang, so waren wir trotz zügigem Tempo eine ganze Weile unterwegs.

Am Ende gelangten wir auf ein ziemlich flaches, sandiges Schuttfeld. Dieses führte uns bis zur nächsten Steilstufe. Über diese stiegen wir unschwierig im Gras bis ins Großbachtal ab, auf der anderen Seite erreichten wir nach wenigen Metern Aufstieg wieder den Steig. Diesem folgten wir bis zu den Fahrrädern. Die Abfahrt war allerding nochmal recht trickreich. Öfter musste ich abwärts schieben (mein Tourenpartner nur einmal), einmal auch über eine etwas längere Strecke. Irgendwann waren wir dann doch bei der Pebellalm und konnten gemütlich bis zum Parkplatz rollen, den wir erst um 19:00 erreichten.

Erwähnenswertes:

1. Der Südanstieg auf die Reichenberger Spitze ist - trotz der geringen Schwierigkeiten - sehr unangenehm und nicht ungefährlich. Im steilen Gras besteht durchgehend Absturzgefahr, ebenso droht Steinschlag. Dabei spielt es keine Rolle, ob man direkt aus dem Großbachtal aufsteigt (so wie wir), oder von der Daberlenke zur Scharte zwischen Grauer Wand und Reichenberger Spitze aufsteigt und dann das markante Grasband quert. Im Abstieg ist dieser Weg noch viel unangenehmer. Der direkte Südgrat bricht an mehreren Stellen senkrecht ab.

2. Die Westflanke der Reichenberger Spitze ist noch die beste Abstiegsmöglichkeit. Auch dort ist größte Vorsicht geboten. Ein Aufstieg durch diese Flanke ist nicht möglich, weil es im unteren Teil zu steil und brüchig ist. Die wohl einzige Möglichkeit, den Gipfel zu erreichen, ist der Südanstieg. Der NW-Grat ist sowieso furchtbar...

3. Beide Gipfel der Rosenspitze sind einfach zu erreichen. Beim SW-Gipfel ist leichte Kletterei notwendig, für den Hauptgipfel könnte man sie auch umgehen, indem man sich im Schutt nördlich vom Grat aufhält (mühsam). Von der Daberlenke aus kann man problemlos die Rinne hoch zum SW-Gipfel erreichen.

4. Der abgelegene Großschober ist einfach durch seine SW-Flanke zu erreichen - aber mühsam. Um von der Rosenspitze dorthin zu kommen, steigt man auf dem Verbindungsgrat bis zur tiefsten Scharte ab, rutscht dann sofort im Schutt bis ins westseitige Kar ab und geht dann hinüber zur Flanke. Der restliche Verbindungsgrat ist schwierig und gefährlich (III-IV, eventuell sogar noch schwerer).

5. Als Abstieg vom Großschober stehen 4 Möglichkeiten zur Auswahl: Die große Rinne durch die SO-Flanke (II+, nicht empfehlenswert), unsere Abstiegsvariante, am südlichen Ende des westseitigen Kares ins Dabertal absteigen (sehr weit) oder südlich des Kares aufsteigen und über die Rosenlenke zur Daberlenke gehen (am weitesten). Die 2. oder 3. Variante sind empfehlenswert.

6. Ein Aufstieg aus dem Defereggental durch das Trojeralmtal bringt keine Zeitersparnis.

7. Ein Abstecher zur Neuen Reichenberger Hütte bzw. zur Clarahütte beim Abstieg kostet viel Zeit.

8. Trotzdem ist eine Übernachtung in einer der Hütten anzuraten. Wenn man sich nie verläuft, dauert die Tour immer noch ca. 12 Stunden, wenn man sie an einem Tag begehen würden.

9. Um die Reichenberger Spitze sollte man besser einen großen Bogen machen. Weil alle Wege dorthin ziemlich gefährlich sind, wird sie zurecht nur so selten bestiegen. Der Großschober liegt sehr abgelegen, weshalb auch er kaum Besuch bekommt. Für ausdauernde Bergsteiger ist er auf alle Fälle ein lohnendes Ziel. Die Rosenspitze ist nicht allzu weit von der Neuen Reichenberger Hütte entfernt, und wird deshalb auch viel öfter bestiegen als die anderen Gipfel. Wegen der geringen Schwierigkeiten und der super Aussicht ist eine Besteigung auf jeden Fall ein tolles Erlebnis.

Tourengänger: BigE17


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