Tredeberspitze (3134m) und Hohes Kreuz (3159m) - Brüchige Überschreitung


Publiziert von BigE17 , 24. September 2020 um 17:49.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Venedigergruppe
Tour Datum:19 September 2020
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1950 m
Abstieg: 1950 m
Strecke:22 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Mittersill über den Felbertauern oder von Lienz kommend nach Matrei in Osttirol. Nun ins Virgental hineinfahren und dabei immer auf der "Hauptstraße" bleiben. In Ströden endet diese Straße bei einem großen Parkplatz (eine kleine Parkgebühr).
Unterkunftmöglichkeiten:Clarahütte

Die Clarahütte im hintersten Virgental dient als Ausgangspunkt für viele schöne Bergtouren: Dreiherrenspitze, Rötspitze, Westliche Simonyspitze,... Ein weiterer beliebter Gipfel ist das Hohe Kreuz. Dort steht ein riesiges Gipfelkreuz, auf dem ein Spiegel angebracht ist. Zur Wintersonnenwende wird dadurch ein Sonnenstrahl nach Prägraten geschickt. Desweiteren soll der Aufstieg nicht allzu schwierig sein. Daher wollten ich und ein Tourenpartner das Hohe Kreuz besteigen. Wir hatten geplant, zuerst die benachbarte Tredeberspitze zu besteigen und dann das Hohe Kreuz zu überschreiten. Doch den Verbindungsgrat zwischen den beiden Gipfel hatten wir unterschätzt...

Wir starteten um 6:30 am Parkplatz in Ströden. Wir spazierten über den Fahrweg zum Gasthaus Islitzer und zur Pebellalm und weiter über den Wasserschaupfad Umbalfälle. Nach dem Wasserschaupfad überwand der Weg die nächste Steilstufe mittels einiger Kehren. Der immer noch relativ breite Weg wechselte die Talseite und führte zu einer weiteren Weggabelung. Wir folgten weiterhin dem Steig Richtung Clarahütte. Der Weg war zwar flach, zog sich allerdings ordentlich in die Länge.

Bei der Hütte angekommen, erblickten wir auch schon den Wegweiser Richtung Hohes Kreuz. Wir wollten zuerst die Tredeberspitze besteigen, dem Steig mussten wir aber trotzdem folgen. Der Steig war jedoch kaum auszumachen, immerhin gab es immer wieder Markierungen. So überwanden wir die erste Steilstufe, dann folgten wir mäßig geneigten Hängen nach Westen. Auf gut 2500m erreichten wir eine Weggabelung. Wir entschieden uns hier nicht für den Weg zum Hohen Kreuz, sondern für den Theo-Brandstätter Weg Richtung Rötspitze.

Wir blieben nicht lange auf diesem Steig, schon bald verließen wir ihn, weil sich die Aufstiegsflanke zur Tredeberspitze direkt oberhalb von uns befand. Durch angenehmes Gehgelände stiegen wir auf, unser Plan war, auf der rechten Seite der Ostflanke zu bleiben. Der Untergrund wurde immer schuttiger und steiler, das Vorwärtskommen war aber nach wie vor nicht mühsam. Schließlich befanden wir uns im rechten Teil der Gipfelflanke, wo sich dann doch einiges an losem Schutt befand. Daher waren die letzten 100 Höhenmeter doch um einiges anstrengender. Wir erreichten so unschwierig den Gipfelsteinmann, der sich aber nicht am höchsten Punkt befand. Dieser war ein wenig weiter im Westen. Kurz mussten wir absteigen, wobei hier einfache, luftige Blockkletterei erforderlich war (I). Den Gratturm umgingen wir nordseitig (I), bevor wir den richtigen Gipfel erklimmen konnten. Die Kletterei war nicht besonders schwierig (II-), aber der kurze Anstieg war ordentlich ausgesetzt.

Da der Gipfel sehr schmal war, kehrten wir wieder zum Steinmann zurück, um zu rasten. Die Aussicht war fantastisch - alle hohen Gipfel ums Umbaltal, Großglockner, Hochgall, usw. Wir inspizierten außerdem die Ostflanke des Nordgipfels der Daberspitze. Angeblich soll man da im 1. Schwierigkeitsgrad hinaufkommen, das ist aber sehr zu bezweifeln. Zumindest wäre dieser Weg gletscherfrei. Allerdings war uns auch klar, dass der Abstieg von der Tredeberspitze zum Daberkees wegen des Gletscherrückgangs mittlerweile unmöglich geworden ist. Daher ist die Daberspitze von hier aus nicht mehr besteigbar. Wir schauten uns von hier aus den Verbindungsgrat zum Hohen Kreuz an. Es gab einen Aufschwung, der schwierig wirkte, der Rest sah nicht so schlimm aus.

Doch zuerst stiegen wir in der schuttigen Gipfelflanke ab und hielten dabei auf den Grat zu. In der ersten Einschartung betraten wir diesen. Er war von Anfang an sehr ausgesetzt, aber noch nicht allzu schwer (I-II, aber einige Reitgratpassagen). Schon bald waren wir am tiefsten Punkt zwischen den beiden Gipfeln angelangt, hier wäre zum ersten Mal ein Abstieg nach Süden möglich, falls wir den Grat nicht schaffen würden. Im weiteren Verlauf blieben die Schwierigkeiten am Grat konstant gleich, bis ein längerer Reitgrat (II) zum steilen Aufschwung hinführte - der Reitgrat wäre aber auch wesentlich einfacher umgehbar gewesen. Weil der Aufschwung nicht bezwingbar war, suchten wir auf der Nordseite nach einer Umgehungsmöglichkeit. Nach längerer Suche stach uns ein schmaler Kamin ins Auge. Und tatsächlich - durch diesen konnten wir recht leicht aufsteigen (II). Allerdings war er sehr eng - für ein wenig rundlichere Bergsteiger wäre hier Endstation gewesen. Danach ging es wieder längere Zeit auf der ausgesetzten Schneide weiter (I-II), an einer Stelle mussten wir auch ein wenig kräftiger zupacken (II). Doch dann mussten wir wieder in eine Einschartung absteigen. Das sah eigentlich recht einfach aus. Doch weil der Fels an dieser Stelle noch brüchiger war, als am restlichen Grat, weil die Stelle noch ausgesetzter war und die Kante dann doch steiler war, als sie auf uns gewirkt hatte, war dies definitiv die erste Schlüsselstelle (II). In dieser Scharte hätte man vielleicht südseitig über die plattige Flanke absteigen können - das wäre aber auf jeden Fall viel heikler gewesen, als über den gesamten Grat zur Tredeberspitze zurückzukehren.

Also weiter am Grat. Wegen eines steilen Aufschwungs mussten wir in die brüchige Nordflanke ausweichen. So konnten wir einiges an Gratstrecke umgehen, auch wenn die Kletterei ausgesetzt war (bis II). Schließlich mussten wir wieder zurück zum Grat und es ging so weiter, wie immer (also I-II im ausgesetzten Absturzgelände). Irgendwann mussten wir nochmal in eine Scharte absteigen. Eine kurze, steilere Stufe machte dabei ordentlich Probleme, weil es keine guten Griffe gab (II, 2. Schlüsselstelle). Wir blickten auch kurz in einige Rinnen, denn irgendwo sollte der Normalweg von der Neuen Reichenberger Hütte heraufkommen. Aber seit der plattigen, südseitigen Flanke, wäre jede Rinne viel zu steil für einen Anstieg gewesen. Ob die wirklich dieser "2. Normalweg" gewesen wäre? Uns stand jetzt aber noch der letzte Anstieg zum Gipfel des Hohen Kreuz bevor. Hier konnten wir doch noch einige Steilstufen erkennen. Diese waren aber alle in der immer noch überaus brüchigen Nordflanke umgehbar (II), den Großteil konnten wir direkt am Grat überwinden. Je näher wir dem Gipfel kamen, desto einfacher wurde das Gelände. Schließlich gelangten wir zum letzten, kurzen Aufschwung, der kein Problem mehr war (I).

Nach über 2 Stunden Gratkletterei konnten wir zum 2. Mal das wunderbare Panorama genießen. Und auch der Großvenediger war nun zu sehen, der vorher von den Malhamspitzen verdeckt worden war. Und das Gipfelkreuz am Hohen Kreuz ist auch noch eines der spektakulärsten in Osttirol.

Trotzdem begannen wir bald mit dem Abstieg über den richtigen Normalweg. Wir kletterten den obersten Aufschwung am Aufstiegsweg ab (I), doch dann begaben wir uns sofort auf den Ostgrat. Dieser war anfangs gut zu begehen, doch dann leiteten die Markierungen in die sehr steile Ostflanke. Beim Abstieg durch die Flanke mussten wir sowohl wegen Steinschlags, als auch wegen Absturzgefahr, vorsichtig sein - immerhin waren die Kletterstellen nicht mehr schwierig (I) und die Route war markiert. Im darunterliegenden Kar angekommen, entdeckten wir auf der anderen Seite des Kares eine Markierungsstange. Wir querten leicht ansteigend zu dieser rüber - doch hier war Endstation. Ein Abstieg durch die Nordwand wäre viel zu gefährlich gewesen. Keine Ahnung, was die Stange hier zu suchen hat - sie führt einen nur in die Irre. So stiegen wir halt weglos durch das nicht allzu steile Kar ab. Irgendwann befanden wir uns wieder auf dem Weg. Er führte kurz nordseitig über eine Steilstufe nach unten, dann mussten wir lange nach Westen queren. 

So gelangten wir wieder zu jener Abzweigung, an der wir uns beim Aufstieg für den Theo-Brandstätter Weg entschieden hatten. Ab hier folgten wir durchgehend dem langen Aufstiegsweg zurück zur Clarahütte und zum Gasthaus Islitzer, wo wir dann auch einkehrten. Sehr empfehlenswert! Die letzten 20 Minuten zurück zum Parkplatz waren dann auch kein Problem mehr. Dort kamen wir schließlich um 17:30 an.

Erwähnenswertes:

1. Der Normalweg zur Tredeberspitze von der Clarahütte beinhaltet bis kurz vor den Gipfel nur Gehgelände, das erst auf den letzten 100 Hm etwas mühsamer wird. Erst auf den letzten Metern zum Gipfel ist kurze Kletterei notwendig (II-).

2. Will man von der Neuen Reichenberger Hütte zur Tredeberspitze aufsteigen, muss man über eine steile Flanke zur tiefsten Einschartung zwischen Tredeberspitze und Hohem Kreuz aufsteigen und dann über den ersten Reitgrat retourgehen. Anstiege vom Daberkees sind nicht mehr möglich, weil die Randkluft mittlerweile zu hoch und steil ist. Daher ist der früher übliche Zustieg zur Daberspitze nicht mehr begehbar.

3. Der Verbindungsgrat zwischen den beiden Gipfeln erreicht maximal den 2. Schwierigkeitsgrad. Trotzdem darf man ihn keinesfalls unterschätzen. Er ist sehr lang (wir benötigten knapp über 2 Stunden), der Fels ist sehr brüchig, und man muss durchgehend konzentriert sein. Der Grat erlaubt wegen der Ausgesetztheit nur an den wenigsten Stellen einen Fehler. Die im Text genannte, plattige Flanke ist weder als Aufstiegsvariante noch als Notabstieg sonderlich gut geeignet. Daher ist die Neue Reichenberger Hütte kein geeigneter Stützpunkt für die Besteigung des Hohen Kreuz.

4. Das Hohe Kreuz ist eigentlich nur über einen Weg einfach zu erreichen - den Normalweg von der Clarahütte. Die schwierigste Stelle ist dabei der steile, brüchige Anstieg durch die Ostflanke (I). Es wäre möglich, diese rechts durch eine Rinne mit grünem Gestein zu umgehen - die Umgehung ist wegen Steinschlaggefahr aber eher nur für Alleingänger geeignet. Der Schlussanstieg zum Gipfel ist hingegen vollkommen problemlos.

5. Während man sich beim Aufstieg zur Tredeberspitze eigentlich nicht verirren kann, muss man beim Hohen Kreuz doch sehr aufmerksam auf die Markierungen achten. Diese liegen weit auseinander, und der Steig ist stellenweise nur schwer auszumachen. Und die Markierung nördlich vom ostseitigen Kar sollte man am besten einfach ignorieren, weil dort kein Weiterkommen möglich ist.

6. Während das Hohe Kreuz regelmäßig - also an den meisten schönen Sommertagen - bestiegen wird, ist die Tredeberspitze ein sehr einsames Ziel. Sie ist aber genauso schön wie das Hohe Kreuz, und kaum schwieriger. 

7. Weil die Tour doch relativ lang ist - man benötigt mindestens 10 Stunden, wenn man in keiner Hütte einkehrt - ist eine Übernachtung in der Clarahütte zu empfehlen.

8. Wenn man dem schwierigen Verbindungsgrat gewachsen ist, kann man sich auf einen wunderschönen Bergtag vor einer traumhaften Kulisse einstellen. Wem der Schwierigkeitsgrad am Grat zu hoch ist, dem sind die Normalwege auf beide Gipfel zu empfehlen - vorausgesetzt man kann leichte Kletterstellen sicher meistern. Das Erlebnis wird so sicher nicht geschmälert. Und bei gutem Wetter kann man sogar bis zur Presanella und zum Care Alto sehen.

Tourengänger: BigE17


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