Herbstliche Gratüberschreitung am Danielkamm


Publiziert von Nyn , 15. Oktober 2019 um 18:54.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum:13 Oktober 2019
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 12:30
Aufstieg: 1850 m
Abstieg: 1850 m
Strecke:ca 18km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Almkopf-Bahn Talstation zwischen Heiterwang und Bichelbach
Unterkunftmöglichkeiten:Im Tal

Etwas Schnee in den höheren und Nordlagen fiel 2 Tage zuvor, aber das Wetter für das Wochenende ist schön warm und mit toller Fernsicht angesagt. Leider habe ich nur den Sonntag. Also wohin?
Es soll eine Überschreitung werden, also mehr als 1 Gipfel! und der/die sollen bitte nicht zu sehr überlaufen sein und - äh - es soll auch ein bischen Kletterei und Abenteuer dabei sein. Über 2000m hoch wäre gut wegen der Fernsicht; südseitig zudem, denn dort sollte es schneefrei sein.

Ein ganz schöner Batzen Kriterien, die ich liebend gerne alle erfüllt sähe. Geht das?

JA! Es geht und WIE! Fündig werde ich in den Ammergauern am Danielkamm mit der Gesamtüberschreitung des westlichen Teils.

Die Berichte von vielhygler, Ali und ZvB, um stellvertretend einige der hikr zu nennen, die in dieser Gegend auch schon unterwegs waren, stimmen mich ausgeprochen zuversichtlich. Oft weglos, IIer-Stellen, Bruch, Latschen, Schrofen und Wegsuchen - das ist genau mein Ding und für mich alles gut machbar. An die Leistung von Nik komme ich allerdings nicht heran, der den ganzen Danielkamm an 1Tag! beging. (Zu meiner kleinen Entschuldigung darf ich anführen, dass mir ja auch weniger Tageslicht zur Verfügung stand - aber ich hätte das selbst dann konditionell nie leisten können. HUTAB!)

Plan: Also stelle ich für meine Runde ab Almkopfbahn-Talstation dafür an den Anfang die "Jöcher" und laufe dann am Grat nach Osten, soweit ich mag oder kann, wobei die Rückkehr zum AP (und Heimfahrt) leider nicht beliebig späte Abstiege zulässt.

Im Einzelnen sind die Abschnitte zwar bereits mehrfach beschrieben, bewertet und bebildert, trotzdem teile ich gerne meine eigenen Eindrücke und Fotos.

AP:
An der Almkopfbahn gibt es genügend Parkplätze. In aller Herrgottsfrühe ist es noch dunkel, als ich ankomme. Ich gönne mir noch einen Kaffee aus der Thermoskanne, zum kleinen ersten Frühstück tut es auch eine Banane. Ich packe zusammen und stiefle das erste Stück noch mit der Stirnlampe bewaffnet los.
Einige Wegkreuzungen führen anderswohin, an einer Ecke bin ich mir nicht ganz sicher, finde dann aber die richtige Abzweigung (beschildert ist mein anvisierter Anstieg mit "Niederjoch" rot-weiß-rot).

JÖCHER:
Ich folge dem Steiglein, welches sich westlich des Kehrtals bald in vielen Kehren (Wortspiel) durch herrlichen Wald empor windet. Die Markierungen sind etwas verblasst. Es ist auch noch nicht so richtig hell. Einen umgestürzten Baum, der den Hang auf 30hm blockiert, umgehe ich oberhalb und stehe danach erstmal weglos im Gelände, kann aber in etwa parallel zum Verlauf des Weges weiter ansteigen und gewinne ihn bald wieder. Ich komme an 2 Quellen vorbei, die Erste ohne Nass, die 2te tröpfelt spärlich, aber das genügt mir, um etwa 0.6l zu trinken und meine Flaschen komplett aufzufüllen. Jetzt habe ich also 2.5l. Ob das reicht?
An der Weggabelung (Steinmännle, Baum) muss ich mich entscheiden, wohin ich zuerst gehe. Zum Niederjoch ginge es links fast waagrecht hinüber, aber wohl einiges an Latschen. Das reizt mich heute weniger. Also mache ich mich geradeaus hinauf -weglos-aber recht eindeutig- gleich zum Mittjoch auf. Durch schön freigeschnittene Gassen gelange ich zum oberen Westgrat und bald zum herrlich aussichtsreichen Gipfel. Seen, Täler, Berge, Licht....einfach schön.
Den Übergang zum Hochjoch finde ich auch gut. Er hält sich mehr oder weniger am Grat. Zuweilen weiche ich links oder rechts einigen Grünerlen aus
Der Gipfel des Hochjochs ist klein und ziemlich bewachsen, ebenso wie die Gratfortsetzung hinab zum Schärtle. Erste Steigspuren ab Gipfel leiten in eine Sackgasse. (vgl "Steilrinne des Todes"). So gehe ich einige Meter zurück nach Westen und wende mich dann den weniger offensichtlichen, aber schließlich halbwegs gut gangbaren Latschengassen der Südsüdostflanke zu, die zurück zum Grat auf die andere Seite der "Todesrinne" führen. Einige Stufen und Absätze leiten zum Schärtle.

ZIGERSTEIN und KOHLBERGSPITZE
Nach einer kettenversichterten steilen Felsschrofenpassage und langer waagrechter Querung des Geröllfelds unter den Steilabbrüchen der Kohlbergspitze-Westflanke erreiche ich am "Einstieg" zum Zigerstein auch einen der 2 Anstiege auf die Kohlbergspitze ab Bichelbach, wobei der über den Zigerstein etwas anspruchsvoller ist.
Eigentlich nur ein kleiner Gratturm in der Südwestflanke der Kohlbergspitze macht der Zigerstein trotzdem gehörig was her. Fast 1x rundherum lustig, aber ausgesetzt (Drahtseil) hinauf, Kreuz mit Buch und eine instruktive Aussicht. Nach kurzer Gipfelrast und kleinem Vesper geht es zurück und ich mache mich gegenüber an die steile schrofige SW-Flanke der Kohlbergspitze. Die 250hm bis zum Gipfel sind recht mühsam, die muss ich mir hart verdienen. Bestimmt 3 Dutzend mal schaue ich hoch zum Kreuz und denke: Jetzt müsste ich doch gleich da sein.... Das Kreuz kommt kaum näher. Nun, wer rechnet auch damit, dass das soooo riesig ist. (s. Bilder).

Am Gipfel der Kohlbergspitze ist es recht windig, die Sicht entschädigt aber für alle Mühen. Einige wenige Gleichgesinnte genießen ebenfalls wie ich das tolle Ambiente. Damit endet vorerst der markierte Teil meiner Runde.

Ich verziehe mich recht bald Richtung Ostgipfel in der Hoffnung auf weniger Wind. Dieser bleibt allerdings für die nächsten Stunden recht hartnäckig mein Begleiter. Der weitere Abstieg ab O-Gipfel über den Grat ist kurzweilig. Respekteinflößend sind die supersteilen Nordabbrüche. Etliches später schaue ich von Osten her oft zurück, da sieht auch der Grat elend steil aus! Doch dieser entpuppt sich jetzt als weniger schwer als befürchtet und bietet mir dank der abolut traumhaften Verhältnisse (kein Schnee, alles trocken) keinelei Probleme. Am Besten in Gratnähe bleiben!

ZAHN/BEIM ZAHN
Die übliche Variante ist eine Umgehung rechterhand der Abbrüche, bis ich über Schrofen in der SW-Flanke wieder hinaufsteigen kann. Der Untergrund ist leider in der Flanke weniger berauschend, wechselt zwischen halbwegs guten Stufen, Gras, Bruch und abschüssig geschichteten Platten, dazwischen garniert mit allerlei Gerölleinlagen und Gebrösel. Nicht wirklich schwer, aber ich brauche gehörig Konzentration und bin froh wieder auf der Grathöhe zu sein. Der Zahngipfel selbst ist wenig ausgeprägt.

KESSELJOCH
Der Gratübergang Richtung Kesseljoch wartet recht bald mit einem respektablen Abbruch auf. Mehrere Steilrinnen führen linkerhand tiefer. Die Leichteste und am wenigsten Ausgesetzte ist die Erste (I-II), dann geht es direkt oder nur wenig unterhalb des Grates weiter bis vor den senkrechten Steilaufschwung am Kesseljoch-Westgrat. Ob es vorteilhafter ist, früher vom Grat weg in die Flanke zu queren, kann ich schlecht sagen. Ich bin jedenfalls direkt am Beginn des senkrechten Aufschwungs über einige dachziegelartig geschichtete Platten leicht rückwärts ins Kar gekommen. (kurz II).

Die südliche Umgehung und Querung bis zur ersten Wiederaufstiegsmöglichkeit entspricht in etwa der beim "Zahn", nur ist die Schichtung schräger, ungünstiger und der Fels grasdruchsetzter= noch brüchiger. Also ist erhöhte Vorsicht geboten. Für mich ist diese Querung der unangenehmste Teil der Tour.
Nach einer kurzen kaminartigen Rinne folgt wieder leichteres Gelände und es geht im Zickzack hoch und über den Grat vollends zum Gipfelsteinmännle. Püh.
Als Belohnung gibt es erneut tolle Einblicke und Ausblicke rundherum

PITZENEGG
Der Grat zum Pitzenegg ist im Vergleich zu der Schinderei in den Flanken zuvor purer Genuß! Fester Fels, nette Aufschwünge, einige wenig geneigte Platten und immer am Grat! Oben erwartet mich ein BergsteigerPärchen, das von der anderen Seite hinaufgestiegen ist und nicht schlecht darüber staunt, woher ich gerade komme. Da spüre ich doch gleich die Anstrengung in den Muskeln ob der Gegenanstiege etwas weniger und da mir noch genügend Zeit bleibt, beschließe ich die geplante Tour und am Grat weiterzugehen bis zur Hochschrutte/Plattberg und erst dahinter zum Farenegg abzusteigen.

HOCHSCHRUTTE
Über Gras flaniere ich tiefer. 1 Stufe wird kurz abgeklettert (I), dann geht es zwischen der Schrägstufe und einer auffallend hellen Platte über Steilgras gut gestuft tiefer, bis ich zum Grat zurückqueren kann. Der Rest ist leichter.
Bald traversiere ich das Wiesjoch und mache mich an den leichten, aber doch recht langen Anstieg zur Hochschrutte. Ab Pitzenegg dachte ich, so ne 3/4tel h, dann wurden doch gut 1 1/4tel daraus. Mei, was bin ich inzwischen doch platt. Noch ein Aufschwung, noch ein Gratstück, noch ein Aufschwung.... Das Gipfelkreuz ist  vermutlich ein wenig kleiner als das auf der Kohlbergspitze?, aber wohl nicht viel!
Dafür erwarten mich am Gipfel absolute Einsamkeit, nordseitig einige Schneeflecken und der traumhafte Blick rundum...u.a. auf den östlichen Danielkamm samt der dahinter aufragenden Zugspitze.

ABSTIEG
Ab hier gibt es wieder Markierungen, wenn auch etwas verblasst und am Ostgrat der Hochschrutte einige alte(!) Drahtseilversicherungen. Ab dem Kl. Pfuitjöchl (Gedenktafel) führt mein markierter Weg zuerst zu meinem Nachmittagsumziehtrinkenessenschwelgenausruhensockenwechselnpäusle, wenig später kann ich 2 Gleitschirmflieger beim Starten beobachten, dann geht es kurz steil hinab, dann breit und gemütlich über Gras und Weiden zum Farenegg und im Weiteren den Rücken steil hinab zum Fahrweg kurz vor der Bichelbacher Alm. Ich wende mich nun westlich, kann alsbald WASSER auffüllen (HERRLICH!!!) und folge dem Fahrweg in langen Kehren und angenehmer Steilheit bergab nach Bichelbach und zuletzt eben, aber schon wieder im Dunkeln zum Ausgangspunkt. Gut, dass ich die Stirnlampe dabei habe.

Fazit:
Toll, lang, aussichtsreich, an der Kohlbergspitze und dem Pitzenegg mitunter besucht, sonst herrlich einsam.
Mit Pausen und viel Fotografieren war ich 12.5h unterwegs.
Die Wegsuche ist relativ unproblematisch. Nicht bei Schnee oder Nässe!! Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und gute Kondition sind unbedingt nötig. Klettertechnisch tangieren wenige Stellen den IIer, in den Flanken teils schrofig, grasig und brüchig. Etliche Varianten sind möglich.
Insgesamt sehr, sehr lohnend. Eine meiner schönsten Grattouren bislang.


Tourengänger: Nyn


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Kommentare (3)


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Nik Brückner hat gesagt:
Gesendet am 17. Oktober 2019 um 12:37
Hi Markus!

Ich Grat-tour-liere Dir zur schönsten Kante der Ammergauer. Der Danielkamm ist wirklich fantastisch!

Herzlichen Gruß,

Nik

Nyn hat gesagt: RE:
Gesendet am 17. Oktober 2019 um 16:37
Danke schön, Nik
Den östlichen Abschnitt werde ich mir sicher auch noch zu Gemüte führen. Den Daniel-Ostgrat und/oder SO-Grat integrieren, der sieht doch nett aus! (Bitte mit weniger Schnee als bei Dir und Yuki)
PS: Auf einem der Fotos (von dir oder kardirk) sieht man auch den NNO-Grat des Büchsentaljochs im Profil. Ich habe darüber keinerlei Informationen gefunden. DER würde mich auch reizen!

Nik Brückner hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. Oktober 2019 um 10:07
Wenn Du das machst, nimm den SO-Grat, der ist deutlich freundlicher. Da macht dann auch ein bissl Schnee nix aus.

Was die Nordseite angeht, da gibt es ein, zwei Anstiegsmöglichkeiten. Ich weiß aber leider nicht mehr, wo ich das gelesen habe. Vielleicht weiß Kardirk mehr.

Herzlichen Gruß,

Nik


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