1,99 Sarotlaspitzen und 1 Nördliche Röbispitze


Publiziert von Kauk0r , 24. Oktober 2019 um 23:51.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Prättigau
Tour Datum:21 September 2019
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   A 
Aufstieg: 1150 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PKW bis St. Antönien, dort diverse Parkplätze (1 Tag/ 6 SFr, 2 Tage/ 9 SFr).

...seltsamer Titel für eine Bergtour, der Sinn erschließt sich im Laufe des Berichts. Um es kurz zusammenzufassen, das Wochenende sollte schönes Bergwetter bieten, die Folgewoche nicht. So fiel mein Plan ein paar Nächte auf der Tilisunahütte zu verbringen buchstäblich ins Wasser. Da ich aber trotzdem gerne mal im Sommer das St. Antönier-Gebiet besuchen möchte, entschließe ich mich halt am Wochenende loszugehen und das Tourenziel nicht groß zu variieren. Leider zeigt die Reservierungsseite der Tilisunahütte für Samstag eine volle Belegung an, da die Prognose eigentlich gut ist rechne ich nicht mit Absagen und große Lust auf eine gut belegte Hütte habe ich auch nicht. So ist mir eine Nacht im Auto recht.

Als ich um acht Uhr in St. Antönien ankomme sind noch viele Parkplätze frei. So kann ich in aller Ruhe loswandern. Die erste Passage bis zur Engi ist mir vom Winter vertraut, zunächst auf der Straße, dann über die Wiesen abkürzend zum Berghaus Sulzfluh und rein ins Tällibachtal. In der Wand lassen sich eindrückliche Höhlen bestaunen, bevor man über die steile und geröllige Engi in die Hochebene von Plasseggen steigt. Ursprünglich wollte ich gemäß AVF zum gleichnamigen Pass und dann von der Nordseite nach oben. Als ich aber die Flanke zwischen Südgipfel und Hauptgipfel der Sarotlaspitzen sah entschied ich mich, es dort zu versuchen bzw. mir das von unten mal anzuschauen. Sollte es nicht klappen, könnte ich problemlos über den Wanderweg zum Plasseggenpass laufen. So verließ ich den Wanderweg und flanierte entlang eines Bachlaufs an die Süd-Westflanke der Sarotlaspitzen. Am besten versucht man so gut es geht dem Geröll auszuweichen. Der Grashang unter dem Wanderweg steilt im Bereich von P.2272 bei einem Hirtenhüttchen deutlich an. Hier ist die Stufung eher mäßig, deshalb sollte man sich hier nicht unwohl fühlen, wenn man die SW-Flanke durchsteigen will. Nach der Überquerung des Wanderwegs habe ich mich praktisch sofort wieder nach oben orientiert. Die Stufung in der Grasflanke ist jetzt wieder deutlich besser, deshalb trotz anhaltender Steilheit gar nicht so schlecht zu gehen. Anstatt wie aus der Ferne geplant über die Grasrinne zum Gipfel zu steigen halte ich auf die Felsen über mir zu. Hier hoffe ich auf so etwas wie einen Wildwechsel. Tatsächlich kann man kurz so etwas wie eine Spur erahnen. Es folgt eine seichte Grasrinne mit Geröll am Boden und eine grasige Geröllrampe und schon steht man am Geröllfeld unter der Scharte. Ab dem Einstieg bei der Hirtenhütte bis zu diesem Geröllfeld  ist man anhaltend in anspruchsvollem Gelände unterwegs. Je nach Abschnitt ein oberes T4 mit Tendenz zu T5- wären mein Bewertungsvorschlag. Das Geröllfeld gehe ich in Aufstiegsrichtung links an und folge ihm an seinem Rand unkompliziert in die Scharte. Dort genieße ich einen tollen Blick ins Verwall und die Silvretta, bevor ich dem breiten Grat folgend an den Plattengürtel gelange. Dieser lässt sich völlig unkompliziert übersteigen, in der Folge noch über gute Stufen (T4-) und Felsblöcke hinauf zum langezogenen Gipfelgrat. Der höchste Punkt der Sarotlaspitzen (2564 m) ist ungeschmückt, weiter nach Osten folgt ein einfaches kleines Holzkreuz und noch etwas weiter ein Steinmann. Gipfelbuch habe ich keines gefunden, wer Lust hat kann ja mal eins hochbringen. Die Aussicht von da oben ist jedenfalls überwältigend, vor allem der Blick zu den bleichen Bergen, die wie Eisberge vor einem liegen und der Blick den Bergkamm entlang zur Inner Platinaspitze wissen absolut zu begeistern.

Für den Weiterweg folge ich dem Kammverlauf in Richtung NO-Gipfel. Recht bald bemerke ich in meiner Gehrichtung eine ältere rote Markierung, das erstaunt mich. Bald darauf bricht der Grat bei P.2558 nach Norden ab und wirkt plötzlich gar nicht mehr so einfach. Man kann sich zunächst noch an der Grathöhe orientieren oder etwas nach links in Abstiegsrichtung ausweichen, eine weitere Stufe habe ich dann konsequenter links umgangen. Das Gelände ist recht gut gestuft, aber steil (insgesamt T4+ und I). Danach prägt sich eine deutliche Spur aus, es gibt weitere Markierungen. Im Mittelteil gibt es noch eine etwas ausgesetzte, schmale aber kurze Querung auf der Nordseite. Dann flaniert man über den wieder breiten Rücken gegen den NO-Gipfel und den "Sarotlasee". Hier in der Senke bei P.2474 befinden sich ein paar Seeaugen, sehr idyllisch und erinnert mich irgendwie an die vielen Seen die Ivo66 aus dem Oberhalbstein präsentiert. Es ist herrlich warm, am See könnte ich lange verweilen. Aber es zieht mich auf den Nordostgipfel der Sarotlaspitzen, den man laut dem AVF unschwierig erreicht. Das wollte ich nun überprüfen, zumal die Bilder vom Gipfel hier bei Hikr und die Karte andeuten, dass der höchste Punkt  des langezogenen Gipfels im Nordosten und nicht im Südwesten, sprich oberhalb des Sees, liegt. Vom Hauptgipfel hatte ich den den Gipfel gezoomt und war guter Dinge, dass doch der SW höher sein könnte. Der Anstieg vom See ist unschwierig und kann beliebig unternommen werden (T3). Oben schnürt sich der SW-Rücken zusammen und es wird ein bisschen ausgesetzt über Felsblöcke (ungefähr T3+). Hier habe ich dann zum ersten Mal das Gefühl, der NO könnte in der Tat der höchste Punkt sein, was sich wenig später am südwestlichen Beginn des langen Gipfelgrats bewahrheitet. Dort befindet sich ein schönes, kleines Gipfelkreuz. Der Übergang zum Gipfel über den zackigen Grat dürfte sich vermutlich (mindestens) im III. Grat abspielen. Das ist natürlich etwas deprimierend. Von Süden gehts sicher auch nicht, also bleibt mutmaßlich nur in der Nordflanke und "von hinten". Dazu steige ich ein wenig am Grat zurück und dann in die Flanke hinab zu deutlich weißen Felsen (vllt. 100 Hm Höhenverlust insgesamt). Nun quere ich in der steilen, gerölligen Flanke in Richtung NO-Gipfel (T4). Es zeichnet sich eine grasdurchsetzte Aufstiegsmöglichkeit ab, die ich mir aus der Nähe anschauen möchte. Sie versteckt sich etwas hinter ein oder zwei Rinnen, die vorher zum Gipfel ziehen (und möglicherweise im II. Grad zu absolvieren wären). Es geht  steil nach oben, die Tritte sind ausreichend, die Hände am Untergrund helfen (T5-). So kommt man durchaus erstaunlich "einfach" zum Gipfelaufbau, der auch hier sehr plattig daherkommt (wie auf der anderen Seite auch schon gesehen). Es könnte eine breitere Rissstruktur (II ?!) den Zugang zum Gipfel vermitteln, auf dem ein Steinmann steht. Vom Grat komme ich da auf jeden Fall nicht hin, eine heikle Rinnenquerung (die vermutlich von unten gangbar ist vgl. Vermutung vorher) in der schattigen Flanke macht mich auch nicht an. Die Tritte sind teilweise erdig-feucht, damit würde mein Kopf den Sohlen nicht trauen, wenn ich es doch über den Riss versuchen sollte. Somit drehe ich vllt. 10 Höhenmeter unter dem Gipfel um, den restlichen Aufstieg zum Gipfel würde ich mit T5 und II angeben. Deshalb ist mir dann auch klar, warum der Gipfel in den gängigen Quellen im Internet nicht existiert und die Autoren des AVF waren vermutlich auch noch nie dort oben. Ich werde den NO-Gipfel in meiner Liste führen, um die Informationen zugänglich zu machen, bis der Gipfel bestiegen wurde. Ich kehre zum See zurück und genieße dort in der herrlichen Sonne das vom Wasser gekühlte Bier...langsam weicht so auch die Enttäuschung über den verwehrten Gipfelerfolg.

Der Nachmittag ist noch früh, da ich ja nicht nach Hause fahren muss, kann ich diese gesparte Zeit in eine Fortsetzung der Tour investieren. Vom Hauptgipfel der Sarotlaspitzen habe ich die Nordflanke der Nördlichen Röbispitze als gangbar angesehen, so dass ich diese nun noch der Tour hinzufügen möchte. Vom Abfluss des Sees schaue ich in Richtung Plasseggenpass und checke die Wegoptionen. Da entdecke ich eine seichte Wegspur in der Schuttflanke, diese ist auch grob in der Schweizkarte eingezeichnet. So gelange ich recht komfortabel hinab auf den oberen Karboden. Von hier kann ich gut versuchen ohne zuviel Höhenverlust zum Pass zu queren. Das Geröllfeld stellt sich als unproblematisch heraus. Und über ein Erosionsfeld das durch Bodenfeuchte hervorragend zu gehen ist erreiche ich den Plasseggenpass (2354 m). Der Wanderweg quert meist ansteigend hinüber zum Sarotlapass (2389 m), ein breites Felsband ist zusätzlich mit einem Drahtseil versichert. Der Nordgipfel wirkt von hier plötzlich unnahbar, was die Spannung etwas erhöht. Vom Pass weg führt eine sehr ausgeprägte Spur hinüber zur Nordflanke und den Rücken hinauf zum sperrenden Felsriegel am Grat. Zunächst hatte ich eine Umgehung in die Ostflanke angenommen, doch die Spuren führen in die Westflanke. Dazu "umkraxelt" man einfach die Kante und kann auf guter Trittspur die Flanke queren, sowie den folgenden Einschnitt erreichen. Nun geht es in die Ostflanke und weitere Trittspuren vermitteln einen steilen, aber unschwierigen Aufstieg (T4) zum Gipfelkopf der Nördlichen Röbispitze (2448 m). Dieser ist zweigeteilt. Der höchste Punkt im Süden, der Steinmann nach schmaler Querung eines Felsbandes im Norden.

Da ich nicht mehr zum Plasseggenpass zurück möchte versuche ich den Direktabstieg vom Sarotlapass zu den Böden von Plasseggen. Hier oben zeichnet sich erneut eine Wegspur ab, es gibt auch noch wenige Markierungen. Die Spur verläuft sich im Weidegelände aber recht bald. Einfach geht es über das Alpgelände zurück zum Wanderweg und damit auf bekanntem Weg zum Parkplatz.

Fazit: Die Sarotlaspitzen bilden einen tollen und einsamen Aussichtspunkt im Angesicht mächtiger und beliebter Gipfel. Den teilweisen Wegspuren nach zu urteilen waren die Gipfelregionen im Kamm nördlich der Rotspitze in früherer Zeit beliebter. Umso spannender war es hier etwas Pioniergeist zu erleben, da man kaum Informationen findet.

Die folgenden, dieses Mal doch deutlich zahlreicheren Fotos habe ich der Übersichtlichkeit wegen aufgeteilt. Teil Eins enthält die Impressionen der Tour, Teil Zwei zeigt Routenbilder.

Tourengänger: Kauk0r


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