Wild und grimmig...über die Hinderi Spillgerte zum Rothore


Publiziert von lorenzo , 26. August 2019 um 22:06.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Simmental
Tour Datum:24 August 2019
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1520 m
Abstieg: 1520 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Grimmialp, Hotel Spillgerten oder Grimmialp, Parkplatz Senggibach
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Spillgerten, Bergheim Wildgrimmi
Kartennummer:LK 1247 Adelboden, 1246 Zweisimmen; M. Brandt, Clubführer Berner Voralpen, SAC 1981

Bereits dreimal war ich schon von der Hinderi Spillgerte zum Rothore weitergestiegen: das erste Mal nach meiner ersten Begehung des Färmelgrats im Juni 1998, das zweite Mal nach meiner ersten Begehung des Grimmigrats im Oktober 1998 und das dritte Mal vom Seehore über den Fromattgrat kommend und mit Abstieg über den SE-Grat zur Grimmifurggi im Juli 2002. Dabei hatte ich aber jedes Mal den Verbindungsgrat zwischen der Spillgertenlücke und dem Wildgrimmisattel "elegant" nördlich umgangen, d.h. auf den Skirouten ins Wildgrimmi absteigend bis ca. 2060m und wiederaufsteigend auf das Rothore. Der wild gezackte Verbindungsgrat liess mir aber keine Ruhe, und nachdem ich am letzten Wochenende vom Seehore aus mit Sperberaugen wieder einmal seinen Konturen gefolgt war, suchte ich im Voralpenführer nach näheren Angaben. Die Route schien laut M. Brandt, der sie mit WS bewertet, durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen, einzig zwei Abseilstellen, eine davon angeblich 30m tief, die man aber auch südlich umgehen könne, bereiteten mir etwas Kopfzerbrechen. Auf dem Weiterweg zum Rothore wartete zudem eine weitere Hürde: die Überschreitung des W Vorgipfels mit einem "ziemlich steilen Abstieg (ev. abseilen)" nach E, die mich auch noch verunsicherte. Die Überschreitung der Hinderi Spillgerte traute ich mir noch zu, und auch den Rothore NE-Grat, über den ich absteigen wollte, hatte ich von einer Begehung der S-Wandrampe im Oktober 2010 noch vage als einigermassen begehbar in Erinnerung. So konzentrierten sich meine restlichen Zweifel v.a. auf die beiden erwähnten, noch im Raum stehenden Fragezeichen Verbindungsgrat und W Vorgipfel... 

Eine Woche später war es dann soweit: die Wetterprognose war gut, und in den vorangehenden Tagen hatte es nicht geregnet, so dass Gras und Felsen trocken sein würden. Beim Kamin zum 3. Gendarm im Grimmigrat kam ich erstmals ins Stocken: nach bald 20 Jahren wollten mir die ersten, leicht überhängenden Meter nicht mehr gelingen (IV oder V, statt III wie im Führer?) und ich kehrte beim ersten Haken entmutigt um. Zum Glück war inzwischen die nach links hinauf führende Plattenrampe mit einigen Bohrhaken eingerichtet worden und öffnete mir so doch noch ein Türchen für den weiteren Weg nach oben, durch das ich dankbar eintrat. Der Schritt ins Leere bei der ersten Abseilstelle im Verbindungsgrat erforderte dann zwar etwas Überwindung, dafür löste sich die "30m-Frage" bei der zweiten Abseilstelle zwanglos dadurch, dass es sich nur um ca. 15m handelte...Und auch das Abseilen vom W Vorgipfel liess sich dank vorhandener Schlinge problemlos bewerkstelligen. Meine Bedenken bezüglich der "Verlockung des Ungewissen" waren also weitgehend unbegründet gewesen! Dafür musste ich mich - wie bereits am Grimmigrat - am vermeintlich vertrauten Rothore NE-Grat nochmals zusammenreissen, indem die beiden abzukletternden Stufen kniffliger waren als in meiner Erinnerung, ich zudem die obere Abseilstelle suchen musste, und ausserdem die untere wegen der brüchigen Felsen immer noch gleich gefährlich war wie vor bald 10 Jahren. Schliesslich hatte ich aber auch dieses letzte Hindernis überstanden und gelangte durch das Wildgrimmi, mit jedem Schritt entspannter, bald zum Wald von Würzi, wo ich mir die erfrischenden Himbeeren schmecken liess, und entlang dem beruhigend berauschenden Senggibach zurück.

Hinderi Spillgerte
Zustieg: von Grimmialp (1227m) oder dem Parkplatz Senggibach (1224m) auf der gelb und weiss-rot markierten Alpstrasse über Würzi (1334m) und Alpetli (1622m und 1792m) zur Scheidegg (1991m), T2, und auf einem guten Pfad SW entlang des Rückens von P. 2235 zum Grimmigrat bei ca. 2225m, 1h 45min bis 2h 15min, T3.

Aufstieg NE- oder Grimmigrat: Auf dem Grasgrat (Pfadspuren), einige Felsstufen überkletternd, zum Beginn des Felsgrats auf ca. 2280m. Zuerst über drei kleine Gendarmen zu einem Felsentor. Dann gut gestuft (II) auf den 1. grossen Gendarm (Steinmann) und über eine Platte (II, Bh) hinunter in den 1. Sattel. Kleingriffig (III, Bh) auf den 2. Gendarm und auf Geröllbändern und über eine Stufe (III) hinab in den 2. Sattel. Nun entweder direkt durch den markanten, unten überhängenden Kamin (IV, Hk) oder nach links über eine Plattenrampe (IV, Bh) und nach rechts über ein ausgesetztes Egg hinauf und wieder leichter auf den 3. Gendarm. Einfacher Abstieg in den 3. Sattel und gut gestuft  (II) über Gipfelflanke und -Grat auf die Hinderi Spillgerte (2475m), 2h-2h 30min, ZS.

Abstieg S- oder Färmelgrat: vom Gipfel nach W zu einem einzementierten Ringhaken und 20m Abseilen zum Färmelgrat. Die obere Grathälfte kann E auf abschüssigen Geröll- und Schrofenbändern umgangen werden (Vorsicht!), dann auf der unteren Grathälfte, einige Gendarmen überkletternd oder umgehend (II) zur untersten Gratstufe. An Bh-Stand mit Kette 25m Abseilen zum Einstieg (ca. 2400m), und weiter auf dem Grasgrat (Pfadspuren) nach ESE (ev. Abstecher nach S zu gutem Übersichtspunkt, Steinmann) zur Spillgertenlücke (ca. 2360m), 1h, ZS.

Verbindungsgrat Spillgertenlücke-Wildgrimmisattel
Von der Spillgertenlücke (ca. 2360m) nach ENE über eine Felsstufe (5m, III) empor und auf dem Gras- und Schrofengrat und zuletzt über leichte Felsen zum 1. und höchsten Gendarm ca. 2385m. Kurzer Abstieg nach ENE zu einem Felsblock mit Schlinge und Karabiner und 25m Abseilen nach SE in die Lücke vor dem 2. hohen Gendarm (der mit dem 3. wie unten beschrieben SE umgangen wird). An einer kleinen selbst gelegten Schlinge nochmals 15m durch eine felsige Rinne nach SE bis zum Gras abseilen. Durch ein kurzes Schrofencouloir nach NE auf eine Grasschulter und Querung zurück zum Grat, der nun nach E führt. Ein 1. niedriger Gendarm wird überklettert, der 2. und 3. können S umgangen werden. Weiter auf dem Gras- und Schrofengrat (Pfadspuren) zu einen Turm, der S umgangen werden kann, und über einen steileren felsigen Gratabschnitt (I) auf die Kuppe ca. 2325m. Auf dem Grasgrat (Pfadspuren) zuerst nach SE, dann auf dem Schrofengrat nach SSE hinunter zum Wildgrimmisattel (2222m), 1h 30min-2h, WS.

Rothore
Aufstieg über den W- oder Wildgrimmigrat: vom Wildgrimmisattel (2222m) dem Wildgrimmigretli folgend bis unter den W Vorgipfel und diesem S entlang zu einem angelehnten grossen Block. Dieser wird S ausgesetzt auf einem Grasband umgangen, dann zwischen Block und S-Wand über eine Grasrampe nach W hinauf und über eine weitere Grasrampe nach N zum W-Rücken. Über schöne Platten (I-II) auf den W Vorgipfel (2349m), 15min,  L. Abstieg nach NE: Abklettern zu einem Felsblock, an einer Schlinge 15m Abseilen durch eine brüchige Rinne (altes Fixseil) nach N und Querung (II) nach E zurück zum Grat, 15min, L. Auf dem felsigen Schrofengrat (Stellen I) nach ENE auf das Rothore (2409m),15min, T4.

Abstieg über den NE-Grat: auf Schrofen und leichten Felsen zu 2 kompakten Felsstufen (je ca. 5m, III), über die zu einer Grasschulter abgeklettert wird. Auf dieser nach SE zu einem Felsblock mit Schlinge E des markanten Felsturms und 25m Abseilen durch eine Felsrinne nach S. Weiter auf dem Grasgrat nach ENE zu einer Gratsenke und hinauf  zu P. 2329. Abklettern nach NE zu einem Felsblock und an einer grossen Schlinge und einer kleinen Schlinge an Hk 25m (oder besser 30m) Abseilen nach N in eine brüchige Rinne (Vorsicht beim Abziehen des Seils!) und zuletzt 5m Abklettern (III) zur Traumlücke (2246m), 1h, ZS.

Rückweg: auf dem Grat nach N bis vor P. 2267, dann nach W und NE auf Geröll und Gras hinunter ins Wildgrimmi, auf Pfadspuren und dem eingezeichneten Pfad zum Bergheim Würzi (1554m), und auf der Zustiegsroute zurück, 1h 15min, T3.

Insgesamt 9h 15min-10h 45min.

Material:übliche Kletterausrüstung mit 50m 7,5m Zwillingsseil (1 Strang; für Seilschaften besser 50m Einfachseil), 5 Schlingen, 4 Express, Kk-Set und 3 kleinen und mittleren Friends sowie Leichtpickel (letzte 3 nicht gebraucht).

Fahrplan: 6.45 Start, 11 Uhr Hinderi Spillgerte, 12 Uhr Spillgertenlücke, 13.30 Wildgrimmisattel, 13.35 W Vorgipfel, 14.15 Rothore, 15.15 Traumlücke, 16.45 retour.

Bemerkungen: wie der Titel besagt, handelt es sich um eine anspruchsvolle und zudem lange Tour, die Erfahrung beim Klettern in brüchigem Fels und mit steilem Gras bzw. abschüssigem Schrofengelände voraussetzt. Ausstiege sind vom unteren Ende des Grimmigrats oder vom Wildgrimmisattel Richtung Wildgrimmi möglich. Vom Rothore kann einfacher entlang des WSW-Grats oder über die W-Flanke, den W Vorgipfel zuletzt N umgehend, zum Wildgrimmi abgestiegen werden, 30min, T4, oder über den SE-Grat ab P. 2329, indem man zuerst nach SW hinunter hält, über 2 Felsbänke abklettert (II) oder diese W umgeht, durch ein schwach ausgeprägtes Couloir nach SE absteigt, den Felsturm 2181 SW umgeht und über den Grasrücken vom Chilchli (2055m) zur Grimmifurggi (2022m) gelangt, 1h, WS. Von dort auf dem weiss-rot markierten Bergweg über Grimmi (1739m) und Würzi (1334m) zurück, 1h, T2.

Tourengänger: lorenzo


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Kommentare (2)


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Aendu hat gesagt: Gratuliere...
Gesendet am 27. August 2019 um 08:33
...zu dieser wilden Tour! Die Spillgerte ist einfach ein grandioser Voralpengipfel!

Beste Grüsse

Aendu

lorenzo hat gesagt: RE:Gratuliere...
Gesendet am 27. August 2019 um 13:36
Hallo Aendu

vielen Dank, ich teile Deine Meinung! Falls Du die Tour nicht schon gemacht hast, würde sie Dir sicher auch gefallen.

Herzliche Grüsse

lorenzo


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