Über die Spillgerten

Meine Heimat liegt zwar im Niedersimmental, trotzdem zieht es mich immer wieder zu den Spillgerten im Oberen Simmental, villeicht weil mein Urgrossonkel Paul Baumgartner, Pfarrer in St. Stephan, zu Beginn des letzten Jahrhunderts massgeblich an deren Erschliessung beteiligt war, so z.B. mit der Erstbegehung des Färmelgrats 1905 oder des Vorderi Spillgerte ESE-Grats 1909. Als ich die unten beschriebene Überschreitung 2004 erstmals unternahm, hatte ich zwar leider keine Kamera dabei, weil mir diese in der Mattenlimmi aus der Hand geglitten war und sich in Reparatur befand, dafür hatten sich mir die unvergesslichen Bilder und Eindrücke umso bleibender eingeprägt. Bei einer Tour in der nahen Umgebung diesen Sommer, und nachdem Aendu mit dem Zaunpfahl gewunken hatte, reifte in mir gleichwohl der Gedanke, die Überschreitung der Spillgerten nochmals zu versuchen, diesmal aber mit Kamera, wenn auch angesichts der "Bruchbude" ESE-Grat mit einem diesmal etwas mulmigen Gefühl...
 
Vorderi Spillgerte
Vom Bahnhof Blankenburg auf der Strasse durch den Betelriedgraben bis zur Kurve 1203 und auf dem weiss-rot (wr) markierten Bergweg zur Kurve S der Fromatthütte, T2. Auf einem rot markierten Bergweg Richtung Höuweggli bis ca. 1780m, nach SE durch ein Geröllcouloir etwas beschwerlich in die Lücke ca. 2040m und über die grasige W-Flanke (Pfadspuren) auf die Vorderi Spillgerte, 2h 30min-3h, T4.

Verbindungsgrat (ESE-Grat)
Vom Gipfel der Vorderi Spillgerte kurz über einen Felsgrat (II) zum plattigen Gratabschwung. An einem Felszacken 15m nach links abseilen, durch eine Grasrinne nach rechts hinauf zum spitzigen Gendarm und an diesem nochmals 25m abseilen. Auf Schrofen rechts um den Grossen Gendarm herum nach links und zuletzt an einem Felszacken gesichert rechts haltend zum Sattel ca. 2165m abklettern (III, brüchig). Auf einem Grashang zum Gratbuckel ca. 2220m, nach rechts durch das 1 Schrofencouloir hinunter und die Nase umgehend auf Bändern ansteigend (II) zurück zum Grat (Tanne). Auf dem schmalen Grat und zuletzt nach links 10m an einem Felszacken gesichert abkletternd (II, ausgesetzt, brüchig, Vorsicht beim Seilabziehen!) zu einer kleinen Scharte. Links weitere 10m abklettern (II) und durch ein Geröllcouloir 30m hinauf zur Gratlücke 2162. Nach links durch einen Felsdurchschlupf auf ein Geröllband, auf dem die folgenden ca. 4 brüchigen Gendarmen umgangen werden. Zuletzt durch einen gut gestuften Kamin (II) zurück auf den Grat. Nach rechts über eine ausgesetzte Platte (III) und ein Geröllband hinauf und nach links zurück auf den Grat, der über Felsen und Gras zum zweitletzten Zacken führt. Abstieg links durch einen bemoosten Kamin und Überkletterung des letzten Zackens (III). Über Schrofen und Gras einfach auf den Gratbuckel 2310 und zur Lücke 2294. Auf dem grasigen Grat zu einer Felsbastion, die rechts über ein ansteigendes Kriechband überwunden werden kann (II). Weiter auf auf dem Schrofengrat zu einem Sattel zwischen einer markanten Felsspitze und der Hinderi Spillgerte SW-Wand. Nach S auf einem Schuttband zum Felsfenster im Färmelgrat und durch dieses (II) zu dessen Einstieg beim Sattel ca. 2400m, 2h 30-3h, ZS.

Färmelgrat (S-Grat)
Vom Sattel ca. 2400m rechts über eine Platte hinauf und auf dem zuerst schmalen, dann breiteren Grat (II, Bh), Gendarmen z.T. ausweichend, zu einem grossen Aufschwung, der rechts durch eine Felsrinne erstiegen wird (II). Weiter über den Grat zum SW-Vorgipfel und hinab in die Scharte unter dem ca. 20m hohen Gipfelaubau. Links eines brüchigen Risses über splittrige Felsen zu einem alten Ringhaken (III, 5m), weiter unter einen Überhang, rechts haltend über diesen hinauf (IV+/A0, 2 Hk, einer lose, Bh) und nach links an guten Griffen zu einem einzementierten Ringhaken. Zuletzt über einfache Felsen auf die Hinderi Spillgerte, 45min-1h, ZS.

Grimmigrat (NE-Grat)
Über den Gipfelgrat (Geröll) und den Gipfelhang (Schrofen, Pfadspuren)  hinunter in die 1. Lücke. Gut gestuft (III) auf den 1. Gendarm und über Schrofen, zuletzt links haltend, hinunter zu enem einzementiertem Ringhaken, an dem 20m in die 2. Lücke abgeseilt werden kann. In Genusskletterei (III) auf den 2. Gendarm, von dem in die 2. Lücke abgeklettert wird (zuletzt feingriffig, III). Über eine grosse Platte in schöner Kletterei (II, Bh) auf den 3. Gendarm (Steinmann). Abstieg über Schrofen zu einem Felsfenster und über den Grasgrat Pfadspuren) zu P. 2236. 45min-1h, ZS. Nach WNW auf dem Grasrücken (Pfadspuren) hinunter zur Scheidegg, T4, und wr über Alpetli und Würzi zum Hotel Spillgerten, Grimmialp, 1h 30min-2h, T2.

Verhältnisse: mit Schleierwolken zuerst kühl, dann sonnig und mild. Schattseitig wenige Schneereste.

Material: übliche Kletterausrüstung mit 50m 7,5 Zwillingsseil (1 Strang), 6 Express, 5 Schlingen, Kk-Set und 3 mittleren Friends.

Fahrplan: 8.15 Blankenburg, 10.30 Vorderi Spillgerte, 14.45 Hinderi Spillgerte, 16.30 Scheidegg, 17.30 Hotel Spillgerten.

Bemerkungen: der ESE-Grat ist stellenweise sehr brüchig und ausgesetzt und erfordert anhaltende Konzentration und guten Routensinn! Der Grat kann bei Bedarf vom Sattel ca. 2165m nach SW über einen Gras- und Geröllhang und von der Lücke 2162 nach N oder SE durch ein Couloir verlassen werden.

Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein, -
Weh dem, der keine Heimat hat!

(Friedrich Nietzsche, aus "Vereinsamt", 1884)