1300 Meter über der Isar - Von Norden auf den Hinterödkopf


Publiziert von Wagemut , 4. August 2019 um 21:36.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:10 Juli 2019
Wandern Schwierigkeit: T6+ - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 13:00
Aufstieg: 1650 m
Abstieg: 1450 m
Unterkunftmöglichkeiten:Keine

Prolog

Ich war relativ spät vom Gasthof Wiesenhof ohne Radunterstützung gestartet, in der irrigen Ansicht es sei doch nicht soo weit bis zum Einstieg in die Nordostwand des Hinterödkopfs. Und außerdem sei der Jagdsteig, der vom Krapfen aus am Fuß der Nordwände von Hohem Gleiersch und Jägerkarspitzen entlangführt ein spannender und aussichtsreicher Steig, der für den Anfang und zur Einstimmung auf die bevorstehende Route durch die Nordostwand genau richtig sei. Doch dann dauerte alles länger und nach einem verfrühten, kräftezehrenden Schuttanstieg kam ich deutlich zu spät um ca 13:30 Uhr am Wandfuß an. Zu allem Übel zeigten sich Regenwolken, was mir den letzten Willen und Mut nahm, in die Wand einzusteigen. So nahm ich nur den Einstieg in Augenschein und genoss ansonsten die grandiose Aussicht auf die Karwendelhauptkette. Der Abstieg erfolgte über die Hinterödalm und den verwilderten, nicht ungefährlichen Steig, welcher knapp östlich des anschließenden Bachgrabens ziemlich direkt zur Isar hinunterführt.

Nach fünf Tagen ein erneuter Versuch

Start am Riedbodenparkplatz vor Scharnitz um ca. 6:15 Uhr. Bei angenehmer Morgentemperatur um die 18°C radle ich (notgedrungen) die bekannte Strecke mit dem schmalreifigen Treckingrad bis kurz nach der Gleierschhöhe. Da der Endpunkt der Runde noch nicht feststeht, deponiere ich hier mein Rad und wandere bis zur Brücke beim Jagdhaus Hubertus.

Vom Jagdhaus Hubertus zum Hinterödjöchl

Bis vor nicht all zu langer Zeit war der Weg zum Haus mit einem Holzschild ausgewiesen. Vermutlich "verirrten" sich aber mit der Zeit zu viele Leut zum edlen, hochherrschaftlichen Jagdhaus. Es würde sich hervorragend als Ausflugsgaststätte eignen. Der Jäger ansich bleibt aber gern unter seinesgleichen und bekommt ungern Besuch vom wohlmöglich noch mit E-Bike ausgestatteten Bergtourist, zumal einem der Zugang zum Gebäude und v.a. Brunnen ohnehin mit einem Zaun verwehrt wird.
Eine Pfadspur biegt vor dem Anwesen rechts ab und leitet am Zaun entlang aufwärts. In "Steiglinie" (analog zu "Falllinie" :-)) des Gebäudes führt der Pfad gerade nach Süden. Hier nicht weiter linkshaltend zu einem Jägerstand, sondern westlich eines ansetzenden Bachgrabens in Serpentinen steil aufwärts. Nach 280 hm flacht der Graben ab. Bei einem nicht zu verfehlenden Salzleckstein in lichtem Bergwald halte ich mich links und quere auf gutem Pfad leicht ansteigend zum Wetzsteingraben hinüber. Auf der östlichen Grabenseite verlasse ich den zur Hinterödalm führenden Steig. Ich steige leicht linkshaltend empor. Das Gelände wird flacher und weitet sich zu einer Art Tal, das zwischen Hirschkopf, 1828 m, und dem Hinterödjöchl, ca. 1900 m, liegt. Es geht erstaunlich gut durch ein Mischgelände aus lichtem Baumbestand, Wiesenflächen und kurzen Latschenbereichen (teilweise Beschnittspuren eines alten Steiges) aufwärts, bis ich auf ca. 1800 m aus dem Tal links hinauf auf den Rücken des Hinterödjöchls steige. Auf einer ebenen Wiese mit vereinzelten Zirben halte ich Rast.

Hinterödkopf Nordostwand

Der höchste Punkt des Hinterödjöchls ist zugleich Fußpunkt der Hinterödkopf-Nordkante. Von dort quere ich am Karrand entlang nah an den Felsen nach Osten hinüber. Nach ca. 10 min ist der Einstieg bei einem Altschneefeld erreicht.
Jetzt ist mir die Erkundungstour von vor fünf Tagen eine Hilfe, denn erster Richtpunkt für den Aufstieg ist ein latschenbestandenes Köpfl (O-Ton AV-Führer), welches man nur vom Kar aus aber nicht vom Jöchl aus kommend identifizieren kann.
Es geht über plattigen Fels erst gerade empor, dann schräg rechts zum Köpfl. Über grüne Flecken hinweg nach links. Dann nach rechts in eine Rinne, die sich bald zu einer Rampe ausbildet und zur Nordkante führt. Der AV -Führer empfiehlt einen Routenverlauf, der etwas unterhalb parallel zu meinem verläufen dürfte. Dieser Weg scheint mir aber brüchiger zu sein.

Wieder auf originaler Route - an der Kante kurze Zeit aufwärts bis zu einem steilen Wandl, das durch einen dunklen senkrechten Riss in zwei Teile gegliedert wird. Bis hierher III. und schuttiges Gehgelände.
Laut AVF soll man links von der Kante weg über zwei Steilstufen, wovon die zweite überhängende in der rechten Flanke erklettert werden soll. Spätestens hier ist Schluss mit lustig. Ich bin mir nicht ganz im Klaren darüber, ob ich hier richtig bin bzw. ob diese alte IV- -Route für mich das richtige ist. :-)
Ich laboriere etwas unter dem Wandl herum, klettere zwei Höhenmeter auf ein Gesims direkt unter dem Aufschwung (kurz IV), komme dann aber nicht weiter. Also führe ich einen Quergang nach rechts aus und kann von dort zum Ausgangspunkt zurückklettern.
Ich entscheide mich, es mit einem Band zu versuchen, das unter dem Wandl leicht ansteigend nach links führt und somit die Rinne zu erreichen, die einen laut Wegbeschreibung zurück zur Kante leiten soll. Bald öffnet sich, wie erhofft, rechts tatsächlich "die" Rinne mit ein paar Absätzen (III+). Die Kante ist wieder erreicht. Auf ihr nochmal steil empor; zum Schluss durch eine kaminartige Rinne auf ein großes Schuttband, dass man laut AVF aus dem Kar (vermutlich vom Einstieg in die Rinne zur Jägerkarscharte) deutlich sehen kann. Hier könnte man auch geradeaus zur Jägerkarscharte hinaufsteigen, was aber wohl auch nicht trivial sein dürfte.
Ich halte mich hingegen rechts und klettere die letzten Meter der zerklüfteten "Kante" hinauf, die einiges an Bruch zu bieten hat. (II.-III) und komme knapp östlich des Gipfels am Hauptgrat an. Das wäre erstmal geschafft!

Übergang Hinterödkopf-Nördliche Jägerkarspitze-Mittlere Jägerkarspitze-Südliche Jägerkarspitze

Nach einer Pause auf dem Gipfel, mache ich mich an den Grat zur Nördl. Jägerkarspitze. Den ersten markanten Gratkopf mit schöner plattiger Kante (siehe Bild ) überschreite ich, wobei der AV-Führer bereits eine Umgehung auf südlichem Bande empfiehlt. Durch die plattige Ostflanké geht's in mehreren Absätzen zum Gipfel der Nördlichen Jägerkarspitze. Ein Gipfel, der sehr selten besucht wird, viel seltener als der Mittelgipfel. Die Bekanntheit des Barthgrats mag die höheren Besuchszahlen der Mittleren Jägerkarspitze erklären, oder liegt's am großen Gipfelkreuz und der originellen, ledernen Gipfelbuchtasche mit Schreibzeugetui? Naja, jedenfalls finden sich in den Gipfelblättern der Nördlichen die üblichen Verdächtigen wie Traudl Maurer, Peter Manhardt und sogar der Zak Heinz.
10 min später stehe ich auch schon auf der Mittelspitze, wo ich eingehend den Grat zum Katzenkopf inspiziere. Eine Tour fürs nächste Mal...

Abstieg übers Kar in den Flecken und Jägerkar zum Gleirschbach

Nach einer kurzen Pause steige ich über Schrofen nach Süden ins Kar in den Flecken ab. Die Steigspuren zur sog. Porten lassen sich von obern recht gut finden und so habe ich auch bald das östlich gelegene Jägerkar erreicht, wo endlich die gröbsten Schwierigkeiten hinter mir liegen. Unten am Gleirschbach kann ich schließlich meinen Wassermangel wieder ausgleichen. Nach der Möslalm lohnt sich der waagrechte, rausgehaltene Daumen. Der freundliche Autofahrer nimmt mich bis zur Gleirschhöhe mit. Da ist das Raddepot nicht mehr fern...

Fazit: Abenteuerliche, klassische Bergfahrt in einer gewiss selten besuchten Nordwand und oben ein typischer Karwendelgrat. Ein früher Start wird empfohlen.

Tourengänger: Wagemut


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Kommentare (11)


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Westfale hat gesagt:
Gesendet am 20. August 2019 um 08:39
Saubere Tour. Ist auf meiner viel zu langen ToDo-Liste gespeichert! :-)

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. August 2019 um 21:35
Danke Dir! Eigentlich war der Gedanke im Hinterkopf, die Tour mit dem Barthgrat zu beschließen, aber die anspruchvolle Nordwand hat dann erstmal gereicht für diesen Tag. Beim nächsten Mal vielleicht mit Erweiterung...Kimmst mid? :-)

stefanl78 hat gesagt: Voglwuid
Gesendet am 15. September 2019 um 21:52
... wia auch manch andere Berichte von Dir! Hab gestern unterhalb der Birkkarspitze deine Kameraden für die geplante Hauptkammüberschreitung getroffen. Sehr sportliches Unterfangen. Viel Glück und gutes Wetter!
Gruß aus Wolnzach
Stefan

Wagemut hat gesagt: RE:Voglwuid
Gesendet am 15. September 2019 um 22:14
Servus Stefan,

danke Dir! Lustiger Zufall mit dem Treffen an der Birkkar'! Ja schau ma mal, ob die Tour klappt. Wenn ned, a ned schlimm. So a Tour kafft ma ned im Supermarkt. Die Rahmenbedingungen san scho mal ned schlecht.
Aus Wolnzach bist Du. Des is ja quasi bei mir ums Eck! :-)

Viele Grüße ,

der Joseph

stefanl78 hat gesagt: RE:Voglwuid
Gesendet am 15. September 2019 um 22:22
Ja, des Wetter muß schon passen. Mich hats heuer gewittermäßig im Karwendel mehrmals erwischt, Kaltwasserkarspitze bis Birkköpfe is ins Wasser gefallen und und und ... Wolnzach - Au is mei Radlhausstreck, Gruß aus der wahren Hopfenmetropole ;-)

Schmiger hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2021 um 20:22
Mal aus Interesse die Frage - wie sind die Schwierigkeiten vom Hinterödkopf in Richtung Nördliche Jägerkarspitze einzuschätzen? Maximal ein IIIer und halt üblicher Karwendelbruch (sprich in dem Sinne vergleichbar zu bspw. Großkarspitzen Grat oder ähnlich wie Wettersteinspitzen Überschreitung) oder schon nochmal das Eck wilder?

Schmiger hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Juli 2021 um 20:35
...und hat sich auch schon wieder recht schnell erledigt - das eine Video welches es gibt vom letzten Jahr plus die Bilder aus deinem Bericht waren doch Vorlage genug es heute mal zu wagen...

Und ja, typischer Bruch aber auch paar schöne Kletterstellen (wenn man östliche & nördliche Jägerkarspitze recht direkt erklettert) - insgesamt noch davor die komplette Jägerkarlspitze überschritten über das kleine Jägerkarl - sehr tolle Runde ;-)

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Juli 2021 um 08:28
Servus Schmiger,

dann kann ich Dir nur noch zur schönen Tour gratulieren! :-) Sorry, hatte bis jetzt keine Zeit, Dir zu antworten. Wie war der Aufsteig übers Jägerkarl?

Viele Grüße,

Joseph

Schmiger hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Juli 2021 um 12:58
Ja, schöne Tour war es - mittlerweile hat mir auch ein guter Freund den Auszug aus dem AVF im Nachgang zukommen lassen, der spricht ja sogar von IV- für den Gratübergang Hinterödkopf - Nördl. Jägerkarspitze, wobei ich das eher noch im III. Grad gefühlt gesehen habe...

Der Aufstieg übers Jägerkarl ist ganz nett, wenn auch mühselig (also die Latschengassen hinüber sind nur noch rudimentär offen, etwas Wühlerei), das Kar hinten raus anstrengend zu gehen - dann in einer recht brüchigen Rinne meist im II. Grad mit paar Stellen III- hoch zur Kante.

Es ist halt einfach insgesamt schön so das komplette Jägerkar zu umrunden mit den ganzen Blicken vor & zurück immer ;-)

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. Juli 2021 um 20:46
Dann hat der Freund einen AVF "alpin", eine Auflage, die ca ab Mitte der 90er herauskam. Sehr abgespeckte Auflagen mit geringem Informationsgehalt, da viele Touren rausgeflogen sind. Eigentlich hatte der Rother-Verlag den Plan zu jedem Gebirge zwei Führer rauszubringen, einen "alpin" mit Touren bis IV und einen "extrem" mit Touren ab IV. Das ist aber, glaub ich, nur für das Kaisergebirge umgesetzt worden.

Der Gratübergang zur Nördl. Jägerkarspitze ist definitiv kein IVer, aber halt brüchig, so wie es sich fürs Karwendel gehört.:-) Der alte AVF bewertet es mit III.

Xoph hat gesagt: Hinterödkopf
Gesendet am 23. August 2022 um 22:45
Hallo!
Allen Respekt vor deiner Tour!
Wir haben gestern (22.8.22) die Überschreitung NördlJK - JKscharte gemacht. Die von dir (und sonstnochwo) so bezeichnete "Östl. JKspitze" IST in Wirklichkeit der HINTERÖDKOPF; der in der Beschreibung genannte "unbedeutende Hinterödkopf" ist... gar nix, nur so eine nicht weiter auffällige Graterhebung.
Gr Xoph!


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