Barthgrat extended


Publiziert von Toni83 , 11. Dezember 2019 um 15:38.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:18 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 2100 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:nach Scharnitz

Das Datum ist gesetzt. Am 18. September wandle ich auf den Spuren des hoch verehrten Hermann von Barth. Ich brauche mich nicht länger aufzusparen - einmal mehr muss ich hinaus um mich von der Last zu befreien, die ich mir durch jahrelanges Schauen und Studieren, selber auf die Schultern gepackt habe. Erwartungsvoll, abenteuerlustig aber auch ein bisschen scheu gehe ich die Tour an. Schließlich schreibt Barth selbst von dem Grat, der später seinen Namen erhalten soll, keine Steigerung mehr gefunden zu haben, sich aber auch keine zu wünschen.
Ich bin also vorgewarnt, vom Meister persönlich. Die Einstellung mit der ich schließlich antrete mir selbst ein Bild zu verschaffen, wird bei Zarathustra so vortrefflich in Worte gefasst: 
Du gehst deinen Weg der Größe: nun ist deine letzte Zuflucht geworden, was bisher deine letzte Gefahr hieß!
Du gehst deinen Weg der Größe: das muss nun dein bester Mut sein, dass es hinter dir keinen Weg mehr gibt!

Der herrliche, klare Morgen lässt die Lebensgeister in mir wachsen. Ein Tag der so beginnt, kann fast keine Enttäuschung werden, so spricht die Erfahrung aus mir. Mit dem für Karwendeltouren unverzichtbaren Radl geht es zur Amtssäge. Hier schlage ich einen gänzlich anderen Weg ein um auf den Katzenkopf zu gelangen, als Barth im Jahre 1870. Ich steige über den Süd-West Grat hinauf, der war damals noch keine Option, ist aber eine sehr interessante Variante. Hier kann ich schon ein bisschen kraxeln und mich mit der Ausgesetztheit anfreunden. 
Oben angelangt kann ich den ganzen Barthgrat bis hinüber zur Mittleren Jägerkarspitze vor mir sehen. Sollte man meinen, aber ich weiß es besser. Ab der Hälfte des Grates wird es ziemlich unruhig mit Einschnitten, Wänden, Ecken und Kanten. Oder wie Barth meint: ein Riesenrachen, jeden Augenblick bereit, das über ihm hinweggaukelnde Opfer zu verschlingen.
Dass die Beschreibung als Rachen keineswegs übertrieben ist, wird klar wenn man vor dem Abgrund steht den man abzuklettern hat. Es gilt also sich zu sortieren, eine Linie auszuspähen, und dann los zu legen. Aber es geht dann eh ganz gut, auch der gleich anschließende Wiederaufstieg ist kein Gegner.
Ich komme dem Kernstück des Übergangs immer näher - der spitzigen Felsschneide. Kein Bericht und kein Foto kann diesem Gebilde annähernd gerecht werden. Hier heißt die Devise: drüber, bevor man zu viel nachdenkt wie es nicht gehen kann! Den Gefühlsausbruch spare ich mir für später auf, die Schwierigkeiten sind an diesem Punkt nämlich nicht überstanden. Es geht von einer engen Scharte aus nochmal eine Wand hinauf. Klettertechnisch ev. sogar die Schlüsselstelle.

Als mit dem Erreichen der Mittleren Jägerkarspitze die Hauptaufgabe des Tages erledigt ist, statte ich (wie Barth vor 150 Jahren) noch der Nördlichen Jägerkarspitze einen Besuch ab. Dann trennt sich mein Weg von dem des großartigen Karwendelerforschers. Für mich geht es in der Rinne zwischen den beiden Jägerkarspitzen recht beeindruckend hinunter in die schaurig schöne Steinwüste des Rigelkars.
Immer noch sind Körper und Geist dermaßen frisch, dass ich unbedingt eine Fleißaufgabe dranhängen will. Dass die Wolken in dem Moment verdächtig nach Regen ausschauen, wische ich beiseite. Billiger werde ich den Berg den ich noch im Sinn habe nämlich nicht mehr bekommen. Es ist beschlossen, der Hohe Gleirsch wird der heutigen Gipfelliste auch noch hinzu gefügt. Über seinen Ostgrat geht es nochmal weglose 400 Hm nach oben. Aber es lohnt sich, kann ich doch von hier den Barthgrat in seiner ganzen Pracht einsehen und den wunderbaren Tag nochmal Revue passieren lassen.

 

 

Tourengänger: Toni83


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Kommentare (11)


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Westfale hat gesagt: Starke Aktion
Gesendet am 11. Dezember 2019 um 16:52
Gratuliere. Vor allem dann noch den Gleirsch dranzuhängen.
Ich hatte vor einigen Jahren auch das Vergnügen am Barthgrat. Da wir durch Übersichern zu langsam waren, gab es aber noch ein ungeplantes Biwak vor der mittleren Jägerkarspitze. :-)
Nehme an, ihr hattet ein Seil dabei. (In die Scharte vor der klettertechnischen Schlüsselstelle muss, wenn ich mich noch richtig erinnere, zwingend abgeseilt werden. Außer natürlich man heißt Hermann von Barth.)

Toni83 hat gesagt: RE:Starke Aktion
Gesendet am 11. Dezember 2019 um 18:57
Danke! War wohl ein ziemlich ausgesetztes Biwak ;)
Bei der Tour war ich allein und ohne Seil am Weg.
Schönen Gruß

Westfale hat gesagt: RE:Starke Aktion
Gesendet am 12. Dezember 2019 um 11:23
Hut ab. War damals schon froh über das Seil. Dadurch ging dann aber auch die Zeit flöten.. Ja, es war ausgesetzt und sehr kühl damals.. Bräuchte ich nicht nochmal.

Nic hat gesagt:
Gesendet am 11. Dezember 2019 um 18:29
Gratulation zu dieser gewaltigen Tour. Wie hat es Olliver Kahn mal so treffend ausgedrückt? Da braucht man "Eier"...oder so ähnlich. Top!

VG Nico

Toni83 hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. Dezember 2019 um 18:58
...oder einen guten Tag.

hefra hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. Dezember 2019 um 22:27
Bei deinem Können wirst du den guten Tag nur fürs Wetter gebraucht haben ! Starke Geschichte, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass du auf dich allein gestellt warst. Großen Respekt !

VG Frank


Toni83 hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. Dezember 2019 um 10:27
Hallo Frank,
solche Runden gehen bei mir nur mit entsprechender Tagesverfassung. Ob ich die habe, weiß ich meist schon beim Aufstehen :)

hannes80 hat gesagt:
Gesendet am 12. Dezember 2019 um 08:50
(D)ein Weg echter Größe ... und das solo! Super geschrieben dazu. Chapeau!

Toni83 hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. Dezember 2019 um 10:28
Danke Hannes!

kardirk hat gesagt:
Gesendet am 12. Dezember 2019 um 09:32
Gratulation.
Mir hat damals der SW Grat gereicht, zumal der Barthgrat über meinem Können schon damals lag. Wie lang hast Du denn für das Ründchen gebraucht.
Jetzt gäbe nur noch die Steigerung einer Umrundung des Riedlkars auf Graten über die Verbindung Nördlich.Jägerkarspitze - Hoher Gleiersch, laut AV ein zapfiger 4er.
Viele Grüße
Dirk

Toni83 hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. Dezember 2019 um 10:35
Servus Dirk,
deinen lässigen Bericht zum SW Grat kenne ich natürlich!
Ja, die Zeit ist natürlich immer relativ, weshalb ich die auch nicht in den Bericht einfließen lasse. Zu schnelle Zeiten werden einem auch gerne mal als unsympathischen Wesenszug ausgelegt. Aber wenn du direkt danach fragst: Von/bis Radlparkplatz waren es 7 Std. reine Gehzeit.
Schöne Grüße
Toni


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