Strahlende Aussichten am Zinggenstock


Publiziert von lorenzo , 22. Mai 2019 um 14:06.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Oberhasli
Tour Datum:12 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 5:45
Aufstieg: 750 m
Abstieg: 750 m
Strecke:LK 1250 Ulrichen; U. Mosimann, Clubführer Berner Alpen 5, SAC 1996
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Staumauer Oberaar (Hinfahrt .00-.10 Uhr)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito (Rückfahrt .30-.40 Uhr)
Unterkunftmöglichkeiten:Berghaus Oberaar

Die steil zwischen dem Grimsel- und dem Oberarsee aufragenden, vom Grimselpass gut sichtbaren Zinggenstöcke sind - wie etwa auch die Göscheneralp in den Urner Bergen - sogar Laien im Unterland als Strahlerparadies - oder villeicht eher -hölle? - bekannt. Laut dem Berg-Knappe 1/92 (S. 15-17) sollen hier seit der Entdeckung einer grossen Kluft  an der Südseite des Vordre Zinggenstocks anno 1719 fünfzig Tonnen Bergkristall gehoben worden, Tonnen davon aber durch Kluft- und Lagerraub wieder verschwunden sein. In den 1960er Jahren hatte sich dort zudem beim Abseilen von einer Kluft ein Berg- und Familiendrama ereignet, bei dem fünf Strahler aus Guttannen, darunter drei Mitglieder der Familie Rufibach, ums Leben kamen.

Als ich an Pfingsten letzten Jahres mit den Stöcken wieder erste Gehversuche an der Aare machte, begegnete ich Arzt, Bergsteiger, Schriftsteller und Strahler Peter Weibel, beschaulich seine Pfeife rauchend, am Ufer sitzend. Ich hielt an, begrüsste ihn, und wir kamen ins Gespräch über eines seiner Bücher, das ich gelesen hatte, über letzte Skitouren in dieser Saison und über seine Strahlertätigkeit u.a. im Binntal, im Gotthard- und im Grimselgebiet. Ich erwähnte dabei auch die Zinggenstöcke, und wir erinnerten uns beide - ich mehr vom Hörensagen - vage an die erwähnte Katastrophe. Als ich meinen lange gehegten Wunsch äusserte, die Zinggenstöcken auch einmal zu besuchen, meinte er, dort gäbe es ohne grösseren Aufwand nicht mehr viel zu holen, aber für eine Besteigung würde ich "bei guter Führung" villeicht im August wieder bereit sein...Wir verabschiedeten uns, und ich humpelte, endlich wieder mit einem konkreten Ziel vor Augen, wenn auch noch etwas skeptisch, weiter der Aare entlang.

Aber leider war Geduld noch nie meine Stärke gewesen, auch diesmal und trotz meiner Skepsis nicht, und so startete ich schon Mitte Juli zu einem ersten Versuch. Doch bereits beim Zustieg über Geröll und steiles Gras spürte ich Schmerzen im rechten Fuss, zu denen sich bei der ersten Schlüsselstelle, der Kluft, die nach Gewittersturzbächen zudem von nasser Erde glitschig war, eine unüberwindliche Unsicherheit beim Klettern gesellte. Ich suchte noch nach leichteren Alternativen, jedoch erfolglos, und brach die übereilte Übung schliesslich ernüchtert ab. Erst knapp zwei Monate später, als ich mich nach einigen Wanderungen im Jura, in den Voralpen und im Tessin wieder sicher fühlte, wagte ich einen zweiten Versuch. Auf dem Hüttenweg traf ich einen Strahler, der am Ufer des Oberaarsees auf Kristallsuche gehen wollte. Ich wünschte ihm viel Erfolg, verabschiedete mich kurz nach der Staumauer und schlug wieder den Pfad Richtung Vordre Zinggenstock ein, wo ich nochmals mein Glück versuchen wollte.

Zustieg und erste Schlüsselstelle gelangen mir diesmal problemlos, bei der zweiten, leicht überhängenden musste ich mich aber kurz zusammen reissen, und auch die nachfolgenden Schrofen bis zum Grat waren nicht ohne. Jedenfalls musste ich auf dem Gipfel des Vordre Zinggensstocks 
360 innerlich zu seiner Aufwertung von WS auf WS+ beipflichten. Die erste Hälfte des Verbindungsgrats war dann wieder einfacher, die Umgehungsbänder der zweiten Hälfte dagegen wegen ihrer  stellenweisen Abschüssig- und Brüchigkeit eher unangenehm. Ab dem E-Grat zum Hindere Zinggenstock war jedoch das Gröbste überstanden, und auf dessen Gipfel konnte ich nach Abfall der Anspannung endlich auch das prächtige Panorama auf die Gipfel rund um den Grimsel- und Oberaarsee geniessen. Durch die Berichte auf Hikr gluschtig gemacht, suchte ich beim leichten Abstieg über den SW-Grat nach Quarzen, fand aber ausser einem gut erhaltenen, ca. 1,5cm langen Exemplar nichts mit der Ausbeute z.B. von bergmax Vergleichbares. Der Abstieg von der Zinggenlicken war dann einfacher als erwartet, und unterhalb des Geröllfelds liessen sich die Felsplatten gut W umgehen. Auf dem Hüttenweg traf ich einen Führer aus Gressoney und seinen Gast aus Milano, die das Grünhorn, die Fiescherhörner und das Finsteraarhorn bestiegen hatten. Sie waren über den Simplon gekommen, hatten ihr Auto auf der Grimsel parkiert und waren von dort mit öV aufs Jungfraujoch gefahren. Ich gratulierte ihnen und nahm für mich die willkommene Gelegenheit wahr, während der Fahrt zurück zur Grimsel bei einem anregenden Gespräch etwas von meinem üblen CO2-Ausstoss zu kompensieren...

Aufstieg zum Vordre Zinggenstock

Über die Staumauer Oberaar an deren N Ende P. 2305 und auf einem kurz danach vom Oberaarhüttenweg abzweigenden Pfad zuerst nach NW, dann nach NE hinauf bis ca. 2575m. Über Geröll und durch eine grasige Rinne nach NW zu einem Steinmann auf ca. 2640m. Weiter nach W und NW über Geröll und steiles Gras zum Einstieg auf ca. 2760m bei der linken Rinne der SE-Wand, 1h, T4. Durch die Rinne zu einer erdig-felsigen Kluft und an deren rechtem Rand (5m, III) zu einer Grasmulde (Bh mit Schlinge). In dieser ca. 15m hinauf, links über eine Stufe (3m, III), halb links haltend über Schrofen (I-II) auf den E-Grat und über diesen auf den Vordre Zinggenstock (2921m), 45min, WS+.

Traversierung zum Hindre Zinggenstock
Zuerst auf dem Verbindungsgrat mit gratnahen Umgehungen N oder. S, dann die weiteren Grattürme N auf Bändern umgehend (z.T. brüchig und heikel) zum Sattel ca. 2900m, und über den E-Grat einfach auf den Hindre Zinggenstock (3040m), 2h, WS (I-II, Stellen III).

Abstieg zum Oberaarsee
Über den SW-Grat zur Zinggenlicken (2973m), L, und durch eine (von unten versteckte) Schrofenrinne nach E hinunter, T5. Nach SE über Geröll hinab (Steinmänner), durch eine Grasrinne W der Felsen und E vom Grosse Nollen hinunter, dem Bach entlang (sumpfig) zurück zum Oberarrhüttenweg, und auf diesem zurück, 2h, T4.

Material: Helm, Leichtpickel, 20mm Reepschnur, ev. reduzierte Kletterausrüstung mit etwas flexiblem Sicherungsmaterial.

Fahrplan: 7.15 Start, 9 Uhr Vordre Zinggenstock, 11 Uhr Hindre Zinggenstock, 13 Uhr retour.

Tourengänger: lorenzo


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