Es riecht auch ein wenig nach Wolle...


Publiziert von Henrik , 30. April 2019 um 12:11.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum: 4 April 2019
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   CH-UR 
Strecke:Milchküche Erstfeld
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV
Kartennummer:Schneehöhe Göschenen 100 cm

 
... ein etwas mulmiges Gefühl reist durch meinen Kopf! Der Winter ist nochmals mit aller Wucht über das Land gezogen. Schnee, der Stoff, der vielleicht am Ende des Jahrhunderts in Bergregionen durch Plastikflocken ersetzt werden muss, da es ihn natürlicherseits nicht mehr gibt... ich schreibe retrospektiv: da war vor einigen Tagen im Fernsehen eine Dok zu sehen, in dem der Wahnsinn heute und gestern gegenübergestellt war... Rummelplatz Alpen mit dem Massenwahn des Überall-Sein-zu-Wollen.
 
... das ist keine Beschreibung über eine Wanderung bzw. Spaziergang, sondern das aus dem Fenster schauen, wie andere mit dem Schnee zu Recht oder eben nicht zu Recht kommen. Sich das anzusehen, wo andere steckenbleiben, stranden, sich nerven (begreiflicherweise), sich überraschen lassen müssen, kalte Füsse bekommen, mehr als gewöhnlich nörgeln, die Hände über den Kopf schlagen und Verwünschungen in die Welt setzen... sogar auch dann, wenn man m. E. den Komfort hat, mit der Bahn unterwegs sein zu dürfen, dann lesen sich solche Meldungen nicht nur bequem – Zitate: „Der Verkehr auf der Nord-Süd-Achse kam teilweise komplett zum Erliegen, auf der Autobahn A2 waren hunderte Fahrzeuge stundenlang blockiert. Andermatt war phasenweise komplett abgeschnitten“. „Der Wintereinbruch mit teilweise ergiebigen Schneefällen bis ins Flachland hat in weiten Teilen der Schweiz für glitschige Strassen und Probleme im Verkehr gesorgt“. 
 
... das ist auch ein Plädoyer fürs Warten! Muss das mit Schnee sein? Ist das nicht etwas zynisch? Und selfie-frei! Um was geht es hier denn? Es geht um Schnee, dem Stoff, auf den Millionen warten, warten können, dürfen und müssen. Manchmal ist es einfach ein Wunsch.
 
... ich bin im IR unterwegs zum Gotthard – aussen vor ist es grau und nicht weiss!
Ich halte inne in der „Milchküche“ in Erstfeld, der IR hält an Gleis 1, da auf Gleis 4 ein Testzug der SOB steht – hier wurde die Fahrleitung durch den nassen Schnee morgens beschädigt.  In der Milchküche ist der Boden so nass wie draussen der Pflotsch. Und die Sicherheitsjacken der Handwerker und Bähnler werden halbnass über die Bestuhlung gelegt. Es riecht auch ein wenig nach Wolle...
 
... für die Weiterfahrt nach Faido steht nun also ausnahmsweise der RE via Bergstrecke auf Gleis 2. Dessen Fahrgestelle sind durch Eis und Schnee wie zugepappt.  Und an den Fenstern rutschen Schneebahnen zu Boden. Es ist grau und nicht weiss. Es hat Pflotsch und nicht nur Idylle. Es ist klamm und nicht ganz so gemütlich. Aber es ist eine Form der Abwechslung. Dass ich dem beiwohnen kann, könnte auch als Behinderung jener aufgefasst werden, die die betreuen, die nicht wie üblich auf Reisen sind: Am Gotthard herrscht gewissermassen ein Ausnahmezustand! Und in Göschenen wird mitgeteilt, die Schneehöhe sei bei einem Meter angekommen, wo gemessen wurde, wird nicht gesagt. Aus dem warmen Flirt-Stubenfenster  versinkt der Bahnhof in reinem Weiss, die Oberleitungen das Kontrastprogramm in Schwarz.
 
 
 
 
... ich steige in Faido aus, weder Pflotsch noch Schnee, juhee. Hier mutiert der Schnee zu Tropfen, grau ist es. Mit dem Gegenzug etwas später bin ich wieder auf der Heimfahrt. In Göschenen wird der RE aufgehalten, a) wegen eines Zuges aus Andermatt und b) weil ein Zug unterhalb Göschenen’s steckengeblieben ist. Die zugestiegenen Reisenden haben viel Humor dabei, Thomas Christen, der neue Tourismus-Direktor von AndermattTourismus ist auch dabei, um ihn herum kommt Stimmung auf. Die Verzögerung beträgt doch mehr als zwanzig Minuten, da kann man sich ausrechnen, dass die Verbindungen ab Erstfeld nicht eingehalten werden können, sodass tatsächlich dort an Gleis 2 geflucht wird, sehr laut, dass Kopfschütteln zu sehen ist und dass der Schnee schmilzt!
 
... da kann ich doch etwas zu Hilfe eilen: mit dem Wisch-Mob auf dem Tablet finde ich Verbindungen nach Zürich und nach Basel, halt mit Umsteigen und dem Hinweis, sich via kundendialog.sbb bemerkbar zu machen.
 
... diese Drehscheibe Erstfeld ist auch meine geworden: die „Milchküche“ mein Mittagstisch, wo man weiss, dass ich gerne Hahnenburger trinke, einen halben Liter, und wo man auch schon weiss, dass ich gerne eher fleischlos zu Tische sitzen möchte.  Und zwischendurch wird auch etwas Kleines gespendet.
 
... das Intermezzo Ausnahmezustand Gotthard endet in Basel, nicht trocken, aber spät.


Gourmessa Milchküche Erstfeld
 
 
 

Tourengänger: Henrik
Communities: Touren und Tafeln


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