Überschreitung Wörner – Hochkarspitze – Karwendel "tradizionale"


Publiziert von algi , 28. September 2018 um 11:35.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Karwendel
Tour Datum:27 September 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 1900 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mittenwald, Parkplatz bei den Kasernen

Die Gratüberschreitung vom Wörner zur Raffelspitze ist ein langgehegter Wunschtraum von mir. Vor ein paar Jahren wollte ich im Sommer mal den Ostgrat zur Hochkar angehen, habe dabei unglücklicherweise auf eine veraltete Karte gesetzt, in der östlich der Kammleitenwände noch ein Weg von der Fereinalm zum Thomasalpl eingezeichnet war. Leider war dieser Weg anscheinend schon lange offen gelassen worden, so dass ich mich in endloser Sucherei und Latschenkampf bei hohen Temperaturen verausgabt habe und schließlich in den Steilschrofen hinauf zur Hochkarscharte wegen Erschöpfung aufgeben musste.

 

Die hohen Temperaturen und die Wegfindung waren heute nicht das Problem, aber aufgrund der jüngsten Schneefälle war mir der nordseitige Aufstieg zur Hochkarscharte zu heikel, daher habe ich mich für den Gratabschnitt vom Wörner zur Hochkarspitze entschieden. Um 6:45 Uhr gehe ich beim Parkplatz an den Kasernen los, mir persönlich gefällt dieser Aufstieg zur Hochlandhütte besser als die Variante über’s „Bankerl“, da die langweilige und breite Fahrstraße entfällt. Der Weg hinauf zum Wörnersattel wurde in den letzten Jahren wegen starker Bodenerosion komplett renoviert, um die Erosion nicht weiter zu beflügeln sollte man auf irgendwelche Abkürzer die nur wenige Sekunden / Minuten Zeitgewinn bringen auch tatsächlich verzichten. Die Westflanke zum Wörner ist an einigen Stellen schon etwas vereist, lässt sich aber noch problemfrei begehen, das nächste Mal nehme ich einen Hammer mit um mein Hakensortiment aufzubessern, Wahnsinn was da in letzter Zeit alles „versenkt“ wurde.

 

Gut 3 Stunden sind es dann doch bis zum Gipfel geworden, im AVF sind für die Überschreitung zur Hochkar 4 bis 5 Stunden Zeitbedarf angegeben, das muss auch schneller gehen, sieht doch gar nicht so weit aus. Nach einer Trinkpause und dem Genießen der Aussicht mache ich mich auf den Weiterweg. Schon nach 100 m dämmert’s mir weshalb man auf dem Grat nicht so schnell vorankommt wie ich mir das gewünscht hätte, der Fels ist einfach zu brüchig um flott voranzuschreiten, sobald es etwas steiler wird muss fast jeder Griff und Tritt auf Zuverlässigkeit geprüft werden, und dies dauert eben seine Zeit. Das Abklettern in die erste Scharte ist noch relativ einfach, Wiederaufstieg durch die Südflanke zum Grat und weiter auf diesem bis ein steilerer Abbruch, in deutlich anspruchsvollerem Gelände ( II+ - III- ), in die zweite Scharte vor dem kleinen Turm führt.

 

Den Turm umgehe ich nordseitig, danach folgen auch flachere Gratabschnitte auf denen man sogar freihändig entlang laufen kann. Danach verjüngt sich der Grat wieder und leitet in schroffigem Gelände, in dem man gut vorankommt, bis zum plattigen Abbruch vor der Großkarscharte. Hier kann man entweder 15 m abseilen, oder lt. AVF auch abklettern. Eine eingerichtete Abseilstelle kann ich nicht finden, kommt für mich aber eh nicht in Frage, da ich kein Seil mitführe. Vor der steilen Plattenwand befindet sich ein flacher Felskopf, soll dieser Felskopf als Umlenkpunkt dienen? Habe ich auch schon mal gemacht und hat funktioniert. Wenn jemand abseilen will, empfehle ich die Mitnahme einer großen Bandschlinge, die man ggfs. opfern muss, und auch ein paar Haken zur zusätzlichen Absicherung.
 

Wo abgeklettert werden kann ist im Führer leider nicht erwähnt, links (nördlich) unterhalb der Abseilstelle zieht ein Riss nach unten, den will ich mir mal ansehen. Schon das anklettern des Risses in den abschüssigen Platten hat es gewaltig in sich, der Einstieg in den Riss ist jedoch absolut kleinsplittrig und brüchig, kein einziger positiver Griff vorhanden. Das kann es nicht sein, wenn da was ausbricht segle ich die halbe Nordwand runter. Also wieder zurück zum Kopf, auf der Südseite sehe ich nun auch eine steile Felsrinne die von rechts nach links fast bis an den Fuß des Wandls führt. Mangels weiterer Alternativen probiere ich die Rinne gleich aus, geht eigentlich ganz gut, zuletzt über eine steile Wandstelle nach rechts hinüber zu den Felsen knapp unterhalb der Abseilstelle ( III – III+ ). Irgendwie hat dieser Abstieg etwas an den Nerven gezerrt, der steile, sehr brüchige und scharfe Grat hinauf in die Scharte vor der Schlüsselstelle der Tour, fordert aber sofort wieder die volle Konzentration.

 

Lt. AVF handelt es sich um einen Riss im Schwierigkeitsgrad IV+, da bin ich mal gespannt. Von den 2 nebeneinander liegenden Rissen sieht der Linke leichter aus, also wird dies wohl der richtige Kandidat sein. Unten eine glatte plattige Stelle um in den Riss zu gelangen, ein paar Meter hoch, und weiter oben kann man links zum Grat rausqueren. Die plattige Stelle zu Beginn fiel mir am schwersten, oder habe ich mich nur dumm angestellt, der Riss selbst ist gutmütig, nur leider etwas vereist, und die Linksquerung ist heute unmöglich, da dieser Wandbereich komplett vereist ist. Glücklicherweise kann man über eine kurze steile Wandstelle auch gerade austeigen. Bei trockenen Verhältnissen ist dieser Riss bestimmt die schönste Kletterstelle der gesamten Tour, aber niemals IV+, bestenfalls IV-/IV.

 

Nach dem Riss gleich ein weiterer Höhepunkt, der scharfe Reitgrat der vom vorgelagerten Kopf wieder hinüber zum Massiv führt. Ich versuche ja immer „Reiten“ möglichst zu vermeiden (schade um die Hose), aber hier gibt es keine Alternative, Schenkel zusammenzwicken und los geht’s. Der nächste große Gratturm wird großzügig rechts in der Südflanke mit Überquerung diverser Rinnen umgangen. Vor einer kleinen Seitenschlucht erreiche ich wieder den Grat und gleich darauf setzt oberhalb einer Scharte eine plattige Wand an. Normalerweise bestimmt nochmal tolle Kletterei aber heute fast komplett vereist, also nochmal ca. 30 m die Schlucht runter klettern und an einer flacheren Stelle zu einer Rippe queren die oberhalb dieser Plattenflucht ebenfalls zum Grataufschwung empor führt. Nun nochmal über einen verschneiten aber einfachen Gratkopf auf den flachen Grat der in wenigen Metern zum Gipfel führt.

 

3 1/4 Stunden habe ich für die Überschreitung benötigt, nun genieße ich diesen perfekten Herbsttag mit den ungemein guten Sichtverhältnissen in vollen Zügen. Im GB stoße ich gleich auf den Eintrag von swobi der am Freitag letzter Woche den Ostgrat gemacht hat.
 

Den Abstieg über die steile Schroffenflanke ins oberste Großkar finde ich ohne Probleme, hier folge ich den gut „ausgetretenen“ Gamswechseln hinüber in die SO-Flanke des Wörners zu dem ja nun wieder aufgestiegen werden muss. Gelegentlich hilft ein kleiner Steinmann bei der Wegsuche, begehbar ist das Gelände jedoch fast überall. Da man in der Flanke den Gipfel nicht sieht, konnte ich es mal wieder nicht abwarten und bin etwas zu früh zum Ostgrat gelangt, war aber auch kein Problem, bin 50 m nach Westen rübergequert und zuletzt mittels einer Rinne die kurz vor dem Gipfel den Ostgrat erreicht, emporgestiegen.

 

Der lange Abstieg vom Wörner hat mich nun schon ein bisschen genervt, und die Radlermaß auf der Hochlandhütte ist praktisch verdunstet.

 

Fazit: richtig alpine Gratüberschreitung mit grandioser Aussicht und wenigen schwierigen Einzelstellen. Das meist unzuverlässige Gestein erfordert jedoch durchgehend hohe Konzentration. Da man vom Wörner bis zum Wörner fast durchgehend der Sonne ausgesetzt ist, sind für eine Begehung kühlere Tage zu bevorzugen und die Mitnahme von reichlich Trinkflüssigkeit empfehlenswert.

 

Viele Grüße

Albert


Tourengänger: algi


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Kommentare (4)


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Chiemgauer hat gesagt: Knapp verpasst
Gesendet am 28. September 2018 um 20:16
Servus Albert, hätte dich ja gerne live in Aktion gesehen aber musste mich heute mit deinen beiden Gipfelbucheinträgen von gestern begnügen. Habe mir den Grat auch angesehen, allerdings nur von beiden Gipfel aus ;-) Mir hat die Variante deines Abstiegs schon gereicht.
Gruß Hans

algi hat gesagt: RE:Knapp verpasst
Gesendet am 29. September 2018 um 06:58
Servus Hans,
die Hochkarspitze steht bei diesem Wetter hoch im Kurs, 3 Begehungen innerhalb einer Woche, welch ein Zufall. Welche Runde hast du gemacht, oder schreibst du noch einen Bericht ?

VG Albert

Chiemgauer hat gesagt: RE:Knapp verpasst
Gesendet am 29. September 2018 um 18:04
Bericht wird es keinen geben Albert, da schon beschrieben. Aus dem Großkar auf die Hochkarspitze (war mein Hauptziel) und weil es noch gepasst hat noch auf den Wörner. Runter dann wie rauf.
Jetzt wo die Sonnenstunden weniger werden und die Temperaturen niedriger sind südseitige Touren sehr beliebt ;-)
Gruß Hans

ADI hat gesagt:
Gesendet am 19. November 2018 um 23:07
Zu dieser sehr anspruchsvollen Tour gratuliere ich Dir sehr herzlich.....
Stark!
Was für KÖNNER.....

VLG,

ADI


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