Hohe Gaisl 3146m - Geburtstagsgeschenk mit Folgen


Publiziert von georgb , 1. August 2018 um 11:09.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:31 Juli 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1300 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Pragser Tal-Plätzwiese
Kartennummer:tabacco Pragser Dolomiten

Mein Geburtstagsgeschenk für Heinold stößt nicht überall auf Begeisterung. Die Gaisl ist ein berühmt-berüchtigter Berg und jeder, der dort hinaufzieht, nimmt ein gewisses Risiko in Kauf. Zum einen braucht es das von bergteufel eingeführte 4er Dolomiten-Händchen und zum anderen kann man hier Steinschlag kaum vermeiden. Wenn man sieht, wie nebenan die Kleine Gaisl zerbröselt hier, weiß man aus welcher Substanz das Massiv besteht!?
Endlich stimmen Terminplanung und Wetterbericht überein, mit Lukas Troi haben wir den perfekten Führer dabei, heute muss es sein. Ich habe natürlich Rudis und ADIs starke Berichte intensiv studiert, doch Lukas kennt die Gaisl gut und es genügt, ihm vertrauensvoll hinterherzusteigen.
Er drängt auf frühen Start und im Schein der Stirnlampen stapfen wir hinauf ins Gaislkar. Die Croda Rossa glüht in der Morgensonne, was für ein prachtvolles Spektakel, für mich der beeindruckendste Dolomitenberg überhaupt, noch mehr nach unserer heutigen Besteigung.
Die Schneereste zum Einstieg sind gerade noch so ohne Steigeisen begehbar, aber schon hier wird unsere Trittfestigkeit ordentlich geprüft. Es folgen ein paar ausgesetzte Schotterquerungen und es kommt die erste Kaminreihe in Sicht, perfekt als Härtetest geeignet, wer hier im Dreiergelände zögert, bitte zurück nach Hause, denn es kommt noch besser!
Über die danach folgenden Schüsselstellen kann man streiten, wir haben drei Stellen im 4. Grad angetroffen und jeder von uns hatte dabei seine Lieblingsschlüsselstelle ;-) Nach der zweiten Kaminreihe wird es deutlich leichter und es kommt endlich ein Hauch von Genussbergsteigen auf. Wir queren das sogenannte Amphitheater und kraxeln herrliches Zweiergelände hoch zur Gipfelkrone. Und es ist wirklich eine Krone, einzigartig und atemberaubend! Ein letzter ausgesetzter Tanz über ihre Zacken und wir stehen auf einem Fußballfeld..
Die Berge drumherum wirken wie Zwerge, wir sind mehr als beeindruckt von der Hohen Gaisl. Die Gipfelrast bleibt kurz, denn es wartet noch sehr viel Arbeit und auf Unwägbarkeiten muss man an diesem Berg immer gefasst sein!? Lukas richtet die Seile und wir schleichen uns vorsichtig abwärts. Der Weg ist zum Glück bestens präpariert, es finden sich immer stabile Haken, vorbildlich! Trotzdem braucht es höchste Konzentration, jeder Abseiler ist auch ein Steinschläger und es fliegen uns gelegentlich die Brocken um die Ohren. Und wie das Schicksal so will, springt ein heimtückisches Steinchen dem Geburtstagskind von der Seite an die Stirn und hinterlässt eine klaffende Platzwunde. Lukas zögert keine Sekunde, schnell ist der Hubschrauber alarmiert und 30 Minuten später schwebt Heinold davon. Während er im Krankenhaus versorgt und genäht wird schleichen wir uns betroffen abwärts. Jetzt nur keine Fehler, mit äußerster Vorsicht erreichen wir die alternative Abseilpiste.
Direkt unter dem 4er Wändchen zweigt sie dreimal 25 Meter nach Süden ab und danach kann zum erstenmal durchgeatmet werden. Nur eine plattige, ausgesetzte Querung (I) steht noch im Weg und erst jetzt dürfen wir uns an der Pinscharte gratulieren, wenn auch mit sehr verhaltener Freude. Was für ein gewaltiges Unternehmen, für mich der Höhepunkt meiner bisherigen "Karriere", viele andere Dolomitenberge wirken dagegen wie Kinderspielplätze!?
Mit weichen Oberschenkeln und noch unter dem Eindruck des Schocks hüpfen wir schweigend durch Geröll und Wiesen zur Stollaalm und lassen etwas bedrückt ein Bier zischen. Aber auch die Bullenhitze hat uns müde gemacht, an der Plätzwiese auf 2000m messen wir an die 30 Grad. Ein Geburtstagsgeschenk mit Folgen, das keiner von uns je vergessen wird!

Nachtrag:
Trotz unseres unglücklichen Erlebnisses entspricht die alte Mär vom "Gruselberg Hohe Gaisl" nicht der Realität. Das bezieht sich nur auf die Anstiege von Westen, dort besteht die Croda Rossa tatsächlich aus dem extrem brüchigen, namensgebenden roten Schotter. Die Innerkoflervariante dagegen unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen klassischen Dolomitenrouten und eine Verletzung durch Steinschlag ist auch dort jederzeit möglich.

Tourengänger: georgb


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Kommentare (2)


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ADI hat gesagt:
Gesendet am 7. August 2018 um 09:36
Jetzt hast ja bald alle Klassiker beieinander.....
Gratulation!
Jetzt noch der Pflerscher Tribulaun.....

Beste Grüsse aus 'Monaco

ADI

georgb hat gesagt: Grazie amico
Gesendet am 7. August 2018 um 19:40
Pflersch ist mir zu weit weg ;-)


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