Hohe Gaisl - Innerkoflerführe


Publiziert von Stefan_F , 17. Dezember 2021 um 13:45.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:10 September 2021
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 1155 m
Abstieg: 1155 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Brunneck das Pustertal Richtung Toblach. den Abzweig Richtung Pragser Wildsee rechts nehmen. Im Pragser Tal bald links halten und über "Brückele" über die zweitweise gesperrte Straße hinauf zur Plätzwiese. Dort Parkmöglichkeit.

Jeder Bergsteiger kennt sie, die Traumgipfel um die man lange herumschleicht und sich ewig vornimmt. Manchmal wächst der Respekt derart, dass man schon Ausreden findet warum man jetzt gerade nicht einsteigen kann. Den Gipfel juckt das freilich wenig. Was auch Jeder kennt, sind die Touren die wie aus dem Nichts einfach passieren.
 
Im Südtirolurlaub war ja Einiges geplant, aber sicher nicht diese Tour. Ich war, auch über hikr, mit allerlei Bergsteigern verabredet. Mit Einem konnte ich mich nicht auf ein Ziel einigen, Einer hatte kalte Füße bekommen da ihm die Tour zu schwer war, einer sagte ab – warum weiß ich nicht und dann gab es Manuel. Er machte von Anfang an einen unerschütterlichen Eindruck und hatte eine unaufgeregt professionelle Art. Mir war sofort klar, dass es mit ihm passen würde. Nun war eigentlich ein anderes Ziel anvisiert und wir hatten beide großen Respekt vor dieser Tour. Manuel schrieb mir später er hätte kein gutes Gefühl bei dieser Tour und machte einen Alternativvorschlag. Da sind wir wieder bei den großen Touren, die man sich eigentlich immer ewig lang vornimmt. Plötzlich stand die Hohe Gaisl im Raum. Puh. Was sollte ich sagen? Natürlich schlägt man das Angebot nicht aus. Auf dem Papier klingt es mit ZS IV in der Innerkoflerführe nicht schwer, aber bei der Gaisl ist man ja vorgewarnt. Also los.
 
5:00 holt mich Manuel ab und wir fahren durch die Nacht zur Plätzwiese. Hier stehen schon allerhand Autos. Bergfreunde die sich den Sonnenaufgang nicht entgehen lassen wollen, erklärt mir Manuel. Wir eilen über die mit Morgentau bedeckte Wiese Richtung Stollaalm und weiter durch Krummholz und Dolomitenschutt aufwärts. Die Wegfindung ist im Dunkeln nicht ohne. Es geht immer, man kann sich fast nicht verlaufen, aber den effektivsten Weg finden wir nicht immer. Das Gehölz lichtet sich und wir stehen bald auf einem Buckel. Im Osten geht die Sonne auf – das war also Manuels Ziel. Die Sonne bestrahlt die eh schon rote Wand der Hohen Gaisl – Croda Rossa. Unfassbar! Es ist nicht klar wo es schöner leuchtet: im Sonnenaufgang oder die Westwand der Gaisl.
Nach einer kurzen Pause geht es weiter über den Schuttgletscher zum Einstieg. Hoch türmt sich die Wand vor uns auf. In einer Altschneerinne steigen wir auf. Die Begrenzungsfelsen sind schon recht brüchig – Gaislgelände… Bald gilt es die Rinne nach Süden zu überqueren, was aber gehörige Tücken hat. Wir haben weder Pickel noch Stöcke dabei. Mit einem Stein in der Hand zum Stufenschlagen und mit eher weniger stabilen Sohlen versuchen wir einen Weg über die Rinne zu bahnen. Sichern kann man das nicht, es ist zu brüchig. Wir zaudern, etwas vor, etwas zurück. Mein Begleiter will genau so wenig aufgeben wie ich und schafft es ans andere Ufer. Er hat Grödel in seinem Rucksack gefunden, womit es ganz gut geht. Als er mir die Dinger zuwirft darf nichts schiefgehen. Trifft er mich, tut es weh, wirft er zu kurz liegen sie unten im Schutt. Er macht auch das klasse und ich darf über die Schneerinne schleichen. Auf der anderen Seite der Rinne angekommen wartet das für die Gaisl so typisches brüchiges Gelände abr es lässt sich gut steigen. Auch rote Markerungen finden sich immer wieder. Die Anspannung nimmt hier etwas ab. Es hilft natürlich, dass Manuel das Gelände kennt und weiß wo es langgeht. Die gesamte Wand ist aber derart komplex und lang, dass wir an diesem Tag noch oft raten werden, wo wir hin müssen. Ich hätte mir die Route wesentlich kürzer und übersichtlicher vorgestellt. Das sind hier durchaus Westalpendimensionen!
Wir gehen bis auf die Schlüsselstellen seilfrei. Trotzdem oder gerade deswegen ist volle Konzentration gefragt. Es wäre episch hier alle Einzelheiten aufzulisten. Um es für euch hilfreich kompakt zu halten, hier die Beschreibung der Seillängen (die man aber eher selten als solche steigt). Die Standplätze und Abseilstellen sollte man sich verdammt gut merken! Wir haben das nicht gut genug getan und im Abstieg elend viel Zeit mit der Orientierung vertan.

SL1-2: nachdem man die bei uns schneegefüllte "Winkler-Rinne" gequert hat, quert man ca. 20m weiter nach links bis zu einem Schuttrücken. Hier folgt man dem gestuften Fels aufwärts bis zu einem großen Band mit roter Erde. 80m II+. Man folgt dem Band ca. 120m nach links bis zu einem Schuttrücken am Beginn einer engen Rinne. Diese Stelle sollte man sich gut merken, denn hier zweigt im Abstieg die Abseilpiste ab!

SL3-4: Man folgt der Rinne (80m, II-III) bis zu einem senkrechten Wändchen. Standplatz mit 2 Haken.

SL5: Über einen schmalen schuttbedeckten Felssims 25m nach links. II-III, 3 Haken

SL6: Schräg nach links über Stufen und Schutt aufsteigen bis man zu einer senkrechten Wand kommt. 50m, II

SL7: erste Schlüsselstelle: erst rechts über die senkrechte Stelle um nun linkshaltend über eine überhängende Stelle zu klettern. 10m III+, 1 Haken. Hier kommt ein Standplatz mit 2 Haken (Abstieg!) man hält sich nun links uner erreicht über Schutt eine hohe mit Kaminen durchzogende Wand

SL8: Zum Erfolg führt der anfangs recht glatte Kamin rechts. An oberen Ende findet sich ein Standplatz mit Haken. 60m, meist III, der Anfang erreicht IV

SL9: Es geht wiedermal nach links über ein Band um die Kante des Ostgrates herum. Im Schotterfeld finden sich Pfadspuren die zu die zu einer rötlichen Stelle an einer rinnendurchzogenen Wand führen. Man erreicht das sogenannte "Amphietheater".

SL10: Die rechte Rinne führt zu einer markanten Scharte im Ostgrat (rechts eines schlanken Turms). Nun umgeht man den ersten Turm im Grat rechts (II) und folgt dann der Gratkante. Sodann nach links durch einen IIIer Riss und einen IIer Kamin hinter einem eingeklemmten Felsblock.

SL11: Man befindet sich nun etwas unterhalb des Gipfelgrates und folgt recht offensichtlich einem Band nach rechts (II) und erreicht die "graue Rampe".

SL12: 20m II aufsteigen und  man erreicht endgültig den Gipfelkamm. Hier turnt man luftig um und über die Säulen die den horizontalen Gipfelgrat bilden und erreicht endlich den Gipfel. Ca. 5h vom Einstieg.

Wir gönnten uns eine ausgiebige Gipfelrast auf dem Fußballfeldgroßen Gipfelplateau. Nimmt die Anspannung dann ab, realisiert man eindrücklich, dass man mit dem Abstieg das komplexere Unterfangen noch vor sich hat. So hielten wir uns nicht lange auf und traten den langen weg nach Hause an. Hierzu klettert man bis zum oberen Ende der SL10 ab. Nun gilt es die Standplätze der SL 10, 8 und 7 zu finden. Ganz grob, wirklich nur ganz grob geht es dem Ostgrat folgend runter. Interessant ist der Punkt in SL 3-4 an dem die Abseilpiste nicht in die Wand quert sondern weiter auf der Südseite des Ostgrates nach unten geht. Hier muss man erstmal, wie im gesamten Abstieg die Standplätze finden. Das war bei uns die größte Herausforderung - neben extrem nervigen Seilkrangeln. Das wurde nach der langen Bergfahrt für uns derart belastend, dass ich froh war Manuels Fluchen im südtiroler Dialekt nicht zu verstehen. Heute klingt es fast milder wie er sich fragte was er hier treibt und dass das nicht das Ende sein soll. In der Situation spiegelt es den Ernst der Lage wieder und zeigt wie mental fordernd die Gaisl sein kann. Ich bin Manuel unendlich dankbar für seinen Einsatz und seinen Kampfgeist!

Später flacht der Ostgrat ab und man steuert auf eine Schuttflanke zu die im "Gemärk" ausläuft. Soweit geht es freilich nicht runter. Erreicht man schließlich die Schutthalde kann man dem Ostgrat folgend queren. Die Querung ist recht lang und endet in der Forcella del Pin. Hier haben auch alle Schwierigkeiten ein Ende. Es geht nun über eine steile, aber kurze Schuttflanke wieder auf den Blockgletscher. Wir folgen erleichtert und müde dem Aufstiegsweg zur Stollaalm. Dort trifft Manuel gute Bekannte und wir geneißen einen Schnaps auf die Tour bevor wir auf der Plätzwiese endlich was zu Essen bekommen und Manuel den besten Rotwein ausucht, den ich kenne. Die Köstlichkeit desselben kann aber auch mit der Freunde über die Tour zusammenhängen.

Die Tour war für uns beide sehr fordernd und ich möchte mich ausdrücklich bei meinem Begleiter bedanken! Er hat hier Großes geleistet und ich werde die Tour so schnell nicht vergessen.


Wissenswertes:

Es hilft für die Winkler-Rinne Grödel und einen Pickel dabei zu haben. Man erkennt sehr früh ob Schnee in der Rinne liegt und könnte die Sachen ggf. auch unter der Forcella del Pin deponieren. Mit 50m Seil kommt man sehr gut aus. Wir hatten 2 60m Halbseile, was eigentlich deutlich zu viel war. Ich weiß jetzt wie gut krangelnde Seile den Tag verderben können und auch zu ernsthaftesten Problemen führen können! Die Möglichkeiten die Seile beim Abseilen zu verklemmen ist wirklich üppig vorhanden! Die typischen roten Markerungspunkte finden sich in regelmäßigen Abständen. Die Abstände sind aber derart groß, dass man sich schon selbst überlegen muss wo es langgeht. Ein roter Punkt zeigt also nur ob man richtig ist - wenn man ihn den findet...
Der Fels ist eher fest - zumindest im Vergleich zu den anderen Routen am Berg. Höchste Vorsicht ist hier über viele Stunden erforderlich. Seinen Ruf hat der Berg zu recht und ja, er nimmt eine Sonderstellung unter den Dolomiten-3000ern ein. Umso eindrücklicher, unvergesslicher sind die Erinnerungen und Erlebnisse.

Tourengänger: Manuel, Stefan_F


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Kommentare (2)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 17. Dezember 2021 um 16:58
Scheint ein ordentliches Pfund zu sein. Gz zum guten Gelingen!

georgb hat gesagt:
Gesendet am 19. Dezember 2021 um 20:58
Servus Stefan,
du solltest Manuel aber dringend auch als Mitgänger aufführen, nachdem was er da Großes geleistet hat ;-)


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