Alperose müesse das gsi si... Blüemlisalp Nordwand


Publiziert von danski , 13. Mai 2017 um 00:38.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:10 Mai 2017
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Ski Schwierigkeit: SS+
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 9:45
Aufstieg: 2350 m
Abstieg: 2350 m
Strecke:Griesalp - Oberi Bundalp - Uf der Wart - Hohtürli - Blüemlisalpgletscher - Blüemlisalp Nordwand - Blüemlisalphorn; Abfahrt via Nordwand und Hohtürlihang
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Griesalp

https://www.youtube.com/watch?v=SR5sxe1IQUo Weder "Summernacht", noch "Alpärose", aber durchaus eine emotionale Liebesgeschichte. Nicht zu einer unbekannten Berner Oberländer Schönheit, die Polo Hofer in seinem Ultra-Klassiker besingt, nein die Rede ist von der Blüemlisalp Nordwand als one-day-stand, sozusagen...

Grosse Ziele setzen perfekte Verhältnisse voraus und der Mai scheint bis jetzt geradezu mit solchen gesegnet zu sein. Lange erschien uns die Blüemlisalp Nordwand in einem Tag als zu kühnes Unterfangen. Doch mit der persönlichen Form auf Höchststand und den entsprechenden Verhältnissen trauten wir sie uns zu. Der Start ins Abenteuer findet für mich um 03:00 unter der Zürcher Hardbrücke statt. Die Szene mutet bestimmt absurd an und ich tue mich noch schwer mit dem Gedanken, in einigen Stunden in einer sehr archaischen Gegend unterwegs zu sein. Um diese Tageszeit ist selbst die A1 zwischen Zürich und Bern rasch erledigt. Nach etwas mehr als 2 Stunden erreichen wir die Griesalp als erstes Fahrzeug. Wir dürfen uns der Spurarbeit sicher sein, falls es denn eine solche geben würde. In die Skibindungen können wir jedenfalls erst beim Lärchenboden steigen. Bei der Bundalp folgt die letzte schneefreie Stelle, während sich die Sonne bereits am Morgenhorn zu schaffen macht. Der Berg trägt tatsächlich einen recht einleuchtenden Namen. Auf hartgefrorener Schneeoberfläche ziehen wir an der Oberi Bundalp Richtung Hohtürlihang, der klare Anzeichen von Regeneinwirkung zeigt. Wir reiben uns die Augen, denn eigentlich haben wir spätestens ab hier mit strenger Spurarbeit gerechnet. Stattdessen präsentiert sich die Schneeoberfläche hart. Mit Harscheiseneinsatz habe ich nicht gerechnet, dementsprechend sind sie auch nicht dabei. So gut es geht fellen wir in der Falllinie hoch, bis die Reibung der Felle der Schwerkraft nichts mehr entgegenzusetzen hat. Ich binde die Skis auf, aber schon bald breche ich mit jedem Schritt knietief durch die Kruste, was sich als sehr mühsam und kraftraubend entpuppt und mir einige Flüche entlockt. Glücklicherweise treffen wir auf eine Spur vom Vortag, die bequem ohne Harscheisen zu begehen ist. Bei Uf der Wart folgen wir dem Sommerweg zum Hohtürli. Diese Route ist nicht sehr empfehlenswert und sicher. Besser via Hohtürlihang bis zu dessen Ende aufsteigen und dann westseitig etwas abfahren. Ab dem "Bänkli" ist der Sommerweg unterhalb des Hohtürli bereits aper und wir genehmigen uns bei dieser bequemen Gelegenheit eine Pause. Obwohl sich das Wetter von seiner prächtigsten Seite zeigt, ist unsere Motivation und Zuversicht auf eher tiefer Stufe anzusiedeln. Irgendwie harzte es mit dem bisherigen Aufstieg und der Regen vom Vortag bis ca. 2500 m stimmt uns ebenfalls wenig optimistisch. Wie gut, dass wir kurz darauf das Hohtürli erreichen und die Blüemlisalphütte passieren. Denn jetzt endlich scheinen sich die Mühen langsam auszuzahlen. Die eindrückliche Hochgebirgsszenerie katapultiert unsere Motivation in andere Sphären, obwohl wir die Blüemlisalp Nordwand noch nicht mal zu Gesicht bekamen. An der Wyssi Frau haben sich am Vortag zwei Individuen temporär "verewigt", was sehr vielversprechend aussieht. Dann endlich kommt unser Objekt der Begierde in Sicht. Bei diesem Anblick könnte einem das Herz in die Hose rutschen oder eben ins Hüpfen geraten. Ich schwanke zwischen diesen beiden Polen, aber das "Hüpfen" gewinnt wie immer die Oberhand. Eine gewisse Ambivalenz ist diesem Tun aus meiner Sicht nicht abzusprechen. Eine kurze Abfahrt bringt uns ins wilde Reich des Blüemlisalpgletschers, der hier nicht mit grossen Spalten geizt. Diese umgehen wir und bald darauf befinden wir uns am Wandfuss. Über den wenig ausgeprägten Bergschrund schaffen wir es noch mit Skis, dann ist eine Portage für die nächsten 450 HM definitiv ökonomischer. Eine letzte Stärkung bevor das pièce de résistance zu bewältigen ist und wir beginnen Höhe zu gewinnen. Der Blick die sich aufsteilende Wand hoch ist ungemein beeindruckend. Wie zu erwarten ist der Schnee tief und reicht uns manchmal bis zu den Hüften. Um das Vorwärtskommen zu beschleunigen, wechseln wir die "Spurmaschine" alle 20 - 30 HM aus. Wir ziehen zuerst auf den flacheren Eisbalkon, bevor wir rechts des zentralen Séracs mehr oder weniger in der Falllinie auf den Gipfel zuhalten. Nach dem verhältnismässig flachen Eisbalkon steilt es noch einmal unmissverständlich auf. Eine Stelle mit zweifelhaft bodenlosem Schnee umgehen wir, in dem wir unmittelbar unterhalb des zentralen Sérac traversieren. Spätestens hier sind Steigeisen ein Muss, denn wir gehen nun auf Eis, was das Vorwärtskommen beschleunigt. Zwischenzeitlich muss wohl der Südwind aufgefrischt haben, denn wir werden immer wieder von Spindrift "geduscht". Nach dem zentralen Sérac ist der Weg frei. Das Finale empfängt uns mit konstanten 50°. Gleichzeitig ist die Schneeauflage stellenweise recht dünn, was in der Abfahrt unbedingt eine entsprechende Vorsicht erfordert. Die allerletzten Meter kratzen wir über von Lockerschnee bedeckten Fels, was noch einmal etwas unangenehm ist. Dann ist der Grat und der Gipfel nach 7.5 Stunden erreicht. Ich bin für einen Momente total überwältigt. Ein Traumgipfel!!! Grandiose Aussicht in alle Himmelsrichtung und Tiefblicke, die es wirklich in sich haben. Über 2000 HM tiefer leuchtet der Öschinensee, eingebettet in zaghaft ergrünenden Wiesen, tiefblau. Von Ost über Süd nach West präsentiert sich hingegen ein gegensätzliches Bild. Berge in tiefstem weiss soweit die Augen reichen! Umwerfend schön. Wir studieren noch kurz die Westflanke, die im Gegensatz zur Nordwand einladend flach wirkt und bereiten uns dann für die anstehende Herausforderung in Form der Abfahrt vor.

Blüemlisalp Nordwand

Der Materialcheck wird pedantisch ausgeführt, denn Fehler sind ab nun unverzeihlich. Nachdem ich mich vergewissert habe, dass alles seine Richtigkeit hat,  beginne ich unterhalb des Grates vorsichtig Richtung Wand zu traversieren. Ich bin jedoch etwas zu tief und kratze über versteckte Felsen. Noch vorsichtiger mit einem Skistock sondierend taste ich mich vor, bis ich mich in der Abfahrtsposition befinde. Meine beiden Mitstreiter queren problemlos oberhalb meiner Position. Nic macht den Anfang. Er hängt kontrollierte turns aneinander, bis uns ein unangenehm kratzendes Geräusch erreicht. Das Eis ist also nie weit weg. Vorgewarnt arbeite ich mich vorsichtig nach unten, doch auch mich erreilt eine Schrecksekunde. Puh, alles gut gegangen, aber man muss permanent auf der Hut sein. Bis unterhalb des zentralen Séracs ist das skifahren technisch und wenig flüssig, doch dann ändert sich der Charakter schlagartig. Mit schnellen, grosszügigen Kurven "fliegen" wir völlig unbeschwert über Schnee und Gelände, an dem auch Jeremy Heitz seine grosse Freude hätte. Viel zu schnell sind die unteren, fantastischen zwei Drittel der Abfahrt mit Stil vernichtet. Die Körperchemie emittiert mal wieder jenseits aller Grenzwerte! Der kurze Gegenanstieg ins benachbarte Gletscherbecken ist schmerzlos. Mit viel Schwung schaffen wir einen weiteren Gegenhang fast gänzlich ohne Aufwand, bevor wir über wunderbar aufgesulzte Westhänge unter das Hohtürli cruisen. Nur noch 60 HM, die letzten des heutigen Tages! Dann lassen wir auf dem Hohtürli die Blüemlisalp hinter uns. Es ist ein grosser Genuss, den riesigen, je nach Exposition perfekt aufgesulzten Hohtürlihang mit einem einzigen Zwischenstop hinunterzukurven. Der Rest ist nicht der Rede wert. Als wir nach fast 10 Stunden zurück auf der Griesalp eintrudeln, dämmert uns noch nicht wirklich, was wir da soeben vollbracht haben. Die Müdigkeit hat noch keine Chance, gegen das Endorphin in Höchstkonzentrationen anzukommen. Wir kühlen unsere Füsse im herrlich kalten Gamchibach. Nach der heutigen Dosis Eis und Schnee erfreuen wir uns wieder an den üppig spriessenden Frühlingswiesen. Vom Bahnhof Reichenbach zieht mich die Blüemlisalp noch einmal in ihren Bann, bevor ich mich mit der Bahn von ihr entferne und wieder ins urbane Leben eintauche. "Blüemlisalp irer Summernacht, nachdäm i han ä bärgtour gmacht..."

Tourengänger: danski


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Kommentare (2)


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amphibol hat gesagt: herrlich!
Gesendet am 13. Mai 2017 um 11:39
! schöne lines an einem der wohl schönsten Berge im BEO!
Gratuliere, amphibol

danski hat gesagt: RE:herrlich!
Gesendet am 15. Mai 2017 um 19:36
Danke, wahrlich ein grossartiger (Ski-) Berg!


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