Herbstliche Karwendel-Tour auf die Bettlerkarspitze (2.268 m)


Publiziert von Ovidam , 8. November 2016 um 13:57.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:31 Oktober 2016
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:Pertisau - Gernalm - Plumsjochhütte - Bettlerkarspitze und zurück
Zufahrt zum Ausgangspunkt:München - Tegernsee - Achensee - Pertisau - Karwendeltäler - Gernalm Parkplatz
Unterkunftmöglichkeiten:Gernalm, Plumsjochhütte

Eigentlich wollte ich schon Anfang Oktober nochmal eine schöne Jahresabschlußtour machen, aber da gab es den Wetterumschwung und danach war es fast 4 Wochen lang sehr unbeständig, nass, wolkig und kalt. Kein schönes Tourenwetter, und auch der Schnee bis runter auf 1.500 Meter ließ die Anzahl der Tourenziele zeitweise deutlich zusammenschnurren.

Wer hätte da gedacht, daß es nochmal ein traumhaftes Oktober-Monatsende geben würde und auch der Schnee sich nochmal auf über 2.300 Meter zurückziehen würde? Und als ich auch noch den Fenstertag vor Allerheiligen in der Arbeit frei nehmen konnte, war der Beschluß schnell gefasst, nochmal eine Spätherbsttour zu machen.

Da alle anderen Familienmitglieder mit Halloween oder Studium beschäftigt waren und sich auch kein Arbeits-Kollege motivieren ließ ("Was? Jetzt noch auf einen Berg?"), fragte ich kurzerhand den Bergführer Pio, mit dem ich schon einige Hoch- und Klettertouren gemacht hatte (http://www.alpin-dreams.com), ob er mitgehen würde. Da er gerade im Zillertal weilte, war er gerne bereit dazu.

Wo geht man aber einen Tag vor Allerheiligen noch mit einem Bergführer hin? Fast alle Hütten schon zu und die meisten Bergbahnen auch, auf den höheren Gipfeln schon Schnee, echte Klettertouren über 2.000 Meter gerne vereist.

Da fiel mir die beeindruckende Bettlerkarspitze ein, die ich schon so oft gesehen hatte auf Mountainbiketouren rund um die Eng und in den Karwendeltälern oberhalb von Pertisau am Achensee. Kein typischer Berg zum geführt werden mit markiertem Weg bis zum Vorgipfel, aber erstens wäre mir ein Alleingang um diese Jahreszeit zu riskant gewesen und zweitens lockte auch der Hauptgipfel, den ich alleine erst recht nicht angegangen wäre.

So trafen wir uns um kurz nach 7 Uhr an der Mautstelle zu den Karwendeltälern oberhalb von Pertisau, die am 31.10.2016 letztmals in 2016 für Autos geöffnet war (ab 1.11. gesperrt) und fuhren gemeinsam zur Gernalm. Dort parkte nur unser Auto, Pletzach- und Gernalm hatten bereits geschlossen. Die Herbststimmung war wunderbar und um 7:30 liefen wir dort los. Nach etwa einer Stunde auf steilem Fahrweg erreichten wir den Plumssattel mit der Plumsjochhütte, die auch schon seit 26.10. geschlossen war. Oberhalb derselben querten wir südwärts auf der rauhreifbedeckten Wiese hinüber zum Wegweiser Richtung Bettlerkar mit schwarzem Punkt.

Und ja: es gibt jetzt wirklich einen markierten Weg hinauf. Auf einer alten Freytag & Berndt-Karte von mir ist noch ein gestrichelter Pfad eingezeichnet, auf einer neueren Kompass-Karte gar nichts mehr. Im internet findet man widersprüchliche Angaben. Eigentlich ist es auch kein Weg, eher ein markierter Pfad, aber gut zu finden. Zunächst steil hinauf auf der Wiese, zwischen den Latschen auf einem Trampelpfad oder auch nur Schmelzwasserrinnen ohne Schnörkel und Serpentinen, gerade den Berg hinauf. Man gewinnt sehr schnell an Höhe. Noch in den Latschen begegneten uns Gemseneltern mit einem Jungen und an der Geröllgrenze hatten wir die seltene Begegnung mit einem jungen Karwendeladler, der wenige Meter über uns hinwegflog. leider waren wir zu langsam mit der Kamera.

Die sehr steile Geröllhalde verlangte volle Konzentration, da viele Steine vereist und glatt waren. Dann erreichten wir den grasigen und sonnigen (Vor-)Vorgipfel mit beeindruckendem Blick in alle Richtungen, vor allem ins zentrale Karwendelgebirge mit Kaltwasserkar-, Birkkar- und Ödkarspitzen. Jahreszeitbedingt war es glockenklar und alle Berge daher gestochen scharf zu sehen. Um den Vorgipfel (2.075 Meter) geht es zunächst rechts herum und dann von Westen über ein paar Schrofen markiert zum Gipfel mit Kreuz und Gipfelbuch. Bis hierher ein anspruchsvoller Wanderweg, maximal T3, alles markiert und mit Trittsicherheit auch auf losem Geröll gut zu bewältigen.

Doch nun kam der spannende Teil: der Übergang zum Hauptgipfel, bei dem ich sehr dankbar war, einen geübten Bergführer dabei zu haben. Hier gibt es natürlich auch keinen markierten Weg mehr, allenfalls Pfadspuren und ein paar Steinmännchen. Der Übergang schaut sehr wild und bröselig aus. Der Weg löst sich aber dann über diverse Bänder sehr gut auf. Mit Klettern hat das kaum etwas zu tun, vielmehr mit extrem rutschigem Karwendelgebrösel, bei dem man sich quasi nirgendwo festhalten kann (weil alles sofort wegbricht) und bei dem 100 % Trittsicherheit gefordert ist, da jeder Fehltritt fatal wäre, denn gerade nach Westen fällt das Kar sehr steil ab. Also: zuerst auf einem natürlichen Band rechts (westlich) um den Vorgipfel herum, dann 2-3 Meter steil über Geröll absteigen (Vorsicht!) auf ein weiteres Band/Pfadspur. Auf diesem bleiben, dann Richtung Grat auf Pfadspuren aufsteigen, eine kleine Stufe überklettern (jeden Tritt und Griff dreimal checken!) und man erreicht das berühmte Tau mit Knoten an der Schlüsselstelle. (Etwas rechts der kleinen Stufe verläuft eine sehr steile und rutschige Pfadspur. Wem die lieber ist, kann auch diese nehmen.) Das Seil ist sehr solide an einer bestens verankerten Kette befestigt. Aber einen Schwierigkeitsgrad III oder 3 Meter hohen Überhang wie in früheren Beschreibungen beschrieben gibt es hier nicht mehr. Der Überhang ist wohl "weggebröselt" und die Stufe damit etwas kleiner geworden. Am besten das Tau beherzt packen und links herum kurz auf die Ostseite des Grates klettern, dann noch einen Tritt und man ist oben. Bestenfalls eine II. Dann auf kurzem schmalen Gratstück (exponiertes Gehgelände) wieder rechts und dann zuletzt links hinüber zum Hauptgipfel.

Wir waren nach insgesamt gut 3 Stunden oben, für den Übergang zum Hauptgipfel haben wir knapp 30 Minuten gebraucht. Die Aussicht in alle Richtungen war unbeschreiblich schön und glockenklar, ich verzichte darauf, alle sichtbaren und mir bekannten Gipfel zu nennen. Schon immer wollte ich mal auf einem richtig einsamen Karwendelgipfel stehen. Das alte Kreuz muß ja irgendwann durch ein sehr schönes neues ausgetauscht worden sein (welches hoffentlich auch von den Idioten mit Axt und Säge verschont bleibt, die im westlichen Karwendel ihr Unwesen treiben). Das Gipfelbuch hat einen 2-3 cm breiten Rücken und ist gerade mal halbvoll, der erste Eintrag von 2006! Im ganzen Oktober haben wir erst den zweiten Eintrag gemacht.

Der Weg zurück ist derselbe und schnell erzählt: der Übergang ist abwärts eigentlich nicht schwerer als aufwärts, verlangt aber wieder volle Konzentration. Am Vorgipfel machten wir nochmal richtig Rast und genossen die Aussicht. Dann wieder runter zum Plumssattel (das Geröll ist leider zu steil und grobkörnig zum Abfahren :-() und zurück zur Gernalm. Vom Gipfel (ohne die Rast auf dem Vorgipfel) ca. 2 Stunden.

Die ganze Tour war sehr sehr einsam. Die einzigen Menschen, die uns begeneten, waren ein paar Bauarbeiter, die eine Leitung hinauf zum Plumssattel legten. Zudem sahen wir von oben 2 Mountainbiker an der Plumsjochhütte und neben Adler und Gemsen einen Auerhahn zwischen den Latschen. Das war sehr schön, noch mehr, als ich später am randvollen Roß- und Buchsteinparkplatz vorbei nach Hause fuhr :-).

Für mich als Tour echtes Bergtouren-Typ-Neuland nach Karwendelklassikern mit Weg wie Birkkar- und Lamsenspitze, Kletter- und Hochtouren oder Wanderungen in den Bayerischen Vor-Alpen. Ich habe mich diesmal wirklich inspirieren lassen von Tourenbeschreibungen vom 83_Stefan, Erdinger oder trainman und vielen weiteren ... herzlichen Dank!

Tourengänger: Ovidam


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Kommentare (2)


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83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 11. November 2016 um 19:50
Hallo Ovidam, ich gratuliere dir herzlich zur schönen Bettlerkarspitze! Für mich ein besonders eindrücklicher Gipfel im nördlichen Karwendel.

Ovidam hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. November 2016 um 17:40
Vielen Dank, Stefan, aber ich mußte sowas jetzt endlich auch mal ausprobieren :-). Da hast Du ja schon viele Vorlagen geliefert und es wird sicher nicht meine letzte gewesen sein. Aber nachdem ich nun den Grat von der Schaufelspitze zum Falzthurnjoch selber gesehen habe, nochmal mein größter Respekt für Deine Touren! Viele Grüße Jürgen


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