Einsame Gipfel über dem Calfeisental: Seezberg (2487 m) und Zinerspitz (2508 m)


Publiziert von marmotta , 26. September 2014 um 23:11.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:23 September 2014
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG 
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 1400 m
Strecke:St. Martin - Malanseralp - Schönböden - Schöni Tolen - Seezberg - Seezbergsattel - Zinerspitz Südgipfel - Zinerboden - Eggtal - Marchtal - Plaggenboden - Säss - St. Martin
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit PW nach St. Martin oder cff logo Gigerwald, Staudamm (von ca. Mitte Mai - ca. Mitte Oktober wenige Postautokurse an Wochenenden, in den Sommermonaten auch werktags)

Traumhafter Start in den Herbst!
 
Die als Wasserscheide zwischen Seez und Tamina in Ost-West-Richtung verlaufende Bergkette zwischen Piz Sardona und Sazmartinshorn zählt zu den einsamsten Ecken des Kantons St. Gallen. Dies spiegelt sich auch in der Berichterstattung auf Hikr.org wieder: Kaum einer der Gipfel weist mehr als einen Tourenbericht auf, einige noch gar keinen. Mit dieser grossartigen Überschreitung der Grate südlich des Weisstannentals durch Delta und 3614adrian kamen Egghorn, Zinerspitz und Seezberg bzw. Heitelgrout zwar endlich zu ihrem esten Tourenbericht, doch die Normalanstiege von Süden bzw. Südwesten sind noch immer nicht beschrieben. Die genannten Gipfel sind zum Teil aus äusserst brüchigem und unzuverlässigem Sardona-Flysch aufgebaut, weshalb eine Besteigung über die teils haarsträubenden Grate, deren Schneide lediglich aus losen, abwärts geschichteten Schieferplatten besteht, ausgesprochenen Liebhabern und Spezialisten für derartiges Gelände vorbehalten bleibt. Wesentlich einfacher und weniger heikel sind die Zustiege über die von Gras- und Schuttrinnen durchzogenen Süd- bzw. Südwestflanken. Beim Zinerspitz besteht die Kunst allerdings darin, den höchsten Punkt zu erreichen, welcher den leicht zugänglichen Südgipfel nur unwesentlich überragt, von diesem aber durch eine tiefe Scharte getrennt ist.
 
Vom filmreifen Ort St. Martin am hinteren Ende des Gigerwaldstausees (1340 m) steigen wir auf der Alpstrasse zur Malanseralp (1832 m), wo noch eifrig gearbeitet wird. Ansonsten sollten wir auf der gesamten Tour keine Menschenseele antreffen - dafür Murmeltiere, Bartgeier, Gämsen und Steinböcke.
 
Über Nacht hat es bis ca. 2300 m heruntergeschneit, insbesondere die Nordseiten sind durchgehend mit einer dünnen Schneeschicht überzuckert - nach einer frostigen Nacht ist zudem in Schattenlagen der Boden stellenweise noch gefroren. Bei den Güllenböden (welch passender Name) verlassen wir den zum Heitelpass führenden Wanderweg und steigen weglos, aber ohne grössere Mühen -teilweise auf Kuhpfaden- über die Schönböden zu dem grasigen Sporn, welcher in nordwestlicher Richtung direkt auf den Seezberg-Grat leitet (T3). Dort ist es durch den frischen Nordwind augenblicklich gefühlte 10 Grad kälter, so dass wir eine zusäztliche Kleidungsschicht anlegen.
 
Nach wenigen Schritten auf dem aussichtsreichen Grat erreichen wir den kotierten Punkt mit dem Vermessungssignal (P. 2475.5). Da dies ersichtlich nicht die höchste Erhebung des Seezbergs ist, folgen wir dem Grat in westlicher Richtung zum Gipfel P. 2487, zuletzt über einfache Felsen (T4-). Natürlich ist es ein wenig schade, an einem Tag mit solch aussergewöhnlicher Fernsicht ringsum von wesentlich höheren Bergmassiven eingerahmt zu sein - doch die Nahsicht auf das Ringelgebirge und auf die vergletscherten (und an diesem Tag fast unwirklich weiss leuchtenden) Gipfel über dem Talschluss, allen voran Piz Sardona und Piz Segnas ist ebenfalls sehr eindrücklich! Überhaupt stellt die Überschreitung des Seezbergs eine herrliche, einfache und doch einsame Gratwanderung mit schönen Ausblicken dar. Erstaunlicherweise war der Wegpunkt bis anhin noch keinem Hikr-Bericht zugeordnet (wenngleich Delta und 3614adrian den Berg auf ihrer eingangs erwähnten Tour wohl ebenfalls überschritten haben)…
 
Nun hatten wir an diesem Tag aber noch einen zweiten Gipfel auf der Agenda - den von allen Seiten ziemlich unnahbar wirkenden Zinerspitz (2508 m)! Beim Blick in die gefrorenen und mit Neuschnee überzuckerten Nordflanken wird uns allerdings schnell klar, dass die geplante Route über den Westgrat für uns heute nicht in Betracht kommt: Hier muss ein Steilaufschwung ca. 50 m unterhalb des Gipfels in der abschüssigen und brüchigen Nordflanke umgangen werden, was uns bei den vorherrschenden Verhältnissen zu heikel erschien.
 
Stattdessen steigen wir vom Seezbergsattel (ca. 2400 m, auf der LK nicht benannt und nicht kotiert) ca. 50 Hm ab, um die Plattenschüsse auf einem offensichtlich auch von den Gämsen regelmässig benutzten Schuttband zu queren und so zu der auch im Führer beschriebenen Kehle zu gelangen, die steil zum obersten Südgrat führt. Das Band war zwar einigermassen gut gangbar (T4-T5), doch im schuttigen Aufstieg zur Scharte unmittelbar vor der grossen Runse, welche die Westflanke vom Gipfel aus durchreisst, war der Boden und die Felsen mit Eis bedeckt, so dass wir die Segel streichen müssen. Die Devise hiess nun: Alles zurück und die Flanke auf der Südseite soweit traversieren, bis ein Aufstieg zum obersten Südgrat machbar erscheint. Dabei wollten wir so wenig Höhe wie möglich verlieren, was im steilen Gelände mit rutschigem Schutt, schlecht gestuftem Gras und abwärts geschichteten Flysch-Platten (zumindest bei mir) für einen unnötigen Adrenalinschub führte.
 
Irgendwann haben wir aber dann doch die gängigste Aufstiegsrinne durch die Südwestflanke erreicht. Hier geht es mässig steil in Schutt, Geröll und Gras zum Südgrat hinauf, den man unmittelbar am Nordabbruch der obersten Schichtstufe erreicht (T4+). Zwar könnte das Gras deutlich besser gestuft sein, doch ist diese Route bei einigermassen trockenen Verhältnissen auch im Abstieg gut zu gehen (mit etwas Zick-Zack sucht man sich die beste Linie). Der Gipfelkopf besteht dann wieder aus den charakteristischen, brüchigen Flyschplatten. Über diese und auf Schuttbändern gelangt man in wenigen Schritten auf den wenig Platz bietenden Südgipfel, der durch einen stattlichen Steinmann gekrönt wird. Dummerweise befindet sich der höchste Punkt auf dem durch eine tiefe Scharte getrennten Nordgipfel, der kaum einen Meter höher ist als der Südgipfel. Der Übergang sieht allerdings nicht ganz trivial aus: Im ersten Drittel ist die abzukletternde Kante noch einigermassen gut gestuft, der untere Teil ist aber praktisch senkrecht, erschwerend hinzu kommt das ausserordentlich brüchige Material - die Flyschplatten brechen ja schon heraus, wenn man sie nur mal scharf anschaut… ;-). Da wir natürlich weder Seil noch Sicherungsmaterial dabei hatten, wäre dieses "Problem" auf den untersten Metern wohl nur durch einen waghalsigen Sprung in die Scharte bzw. den Gegenhang des Nordgipfels zu lösen gewesen. Und dann wäre noch immer nicht klar gewesen, ob und wie wir wieder zurück kommen…
 
Somit mussten wir uns wohl oder übel mit dem Südgipfel begnügen - die Aussicht ist ja dieselbe.
 
Nach Abstieg zum Südfuss des Berges hängen wir noch eine schöne Höhenwanderung an, indem wir auf einer Höhe von ca. 2100 m die sonnendurchfluteten Südhänge unter Zinerspitz und Egghorn queren, bevor wir über den Plaggenboden zu den verlassenen Hütten der Alp Säss (1889 m) absteigen. Dort geniessen wir noch ein wenig die Abendsonne und den herrlichen Blick auf die Nordwände des Ringelspitz. Der steile Alpweg hinunter nach St. Martin vernichtet zwar effizient Höhenmeter, befindet sich nach dem Alpabtrieb jedoch in einem fürchterlichen Zustand. Über die komplette Länge gleicht er einem tief zerfurchten Acker, zum Glück war das Geläuf einigermassen trocken!

Tourengänger: marmotta


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