Pfannenhölzer-Überschreitung und Hengst-Überschreitung


Publiziert von quacamozza , 8. Juli 2014 um 20:15. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum: 4 Juli 2014
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 1700 m
Strecke:Hinterstein P Auf der Höh-Ostrachbrücke-Mittagspitzl-Pfannenhölzergrat-Kleiner Daumen-Bei der Tür-Hengst-Alpe Engeratsgund-Käseralpe-Engeratsgundhof-Giebelhaus (16 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Sonthofen oder Oberjoch B 308 nach Bad Hindelang, weiter nach Hinterstein Parkplatz "Auf der Höh" (Tagesgebühr 2,50 €)
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 4 Allgäuer Hochalpen Hochvogel, Krottenkopf

Im Hintersteiner Tal gibt es einige interessante und zum Teil sehr selten bestiegene Gipfel. Während am Hindelanger Klettersteig die Massen unterwegs sind, ist die Überschreitung des Pfannenhölzergrates ein wahrer Leckerbissen für Liebhaber anspruchsvoller und gleichzeitig einsamer Touren, eine Wanderung im oberen T-Bereich mit anregenden, meist leichten Kletterstellen. Bleibt man immer direkt am Grat, kann man die Kletterschwierigkeit weiter erhöhen.

Da die Route in neueren Führern und Büchern nicht mehr auftaucht, bleibt sie Einheimischen und Gebietskennern vorbehalten. Der Grat ist knapp 2 Kilometer lang. Häufig bewegt man sich in Absturzgelände, so dass neben einer guten Kondition auch eine gewisse psychische Belastbarkeit vonnöten ist.

Das gilt in noch stärkerem Maße für die Überschreitung des Hengst, der vom Sattel des Türle über einen messerscharfen Grat erklettert wird. Die Route sieht von weitem nicht mal wild aus, hat es aber ordentlich in sich.


Zur Schwierigkeit:

Pfannenhölzergrat: III- (eine Stelle), II und T 5-6 (Direktvariante: Erkletterung des großen Gratturmes III-IV)

Hengst-Nordwestgrat: III, II+ und T 6 (die I+ im AVF können wir guten Gewissens ersetzen: Entweder wurde die Route durch den Autor nicht begangen, oder beim Druck ist mindestens eine römische Ziffer verloren gegangen)  
Abstieg: T 5


Zum Zeitbedarf:

Hinterstein-Mittagsspitzl: 1 Std 45 min
Mittagsspitzl-Spicherer Kopf: 2 Std 10 min
Spicherer Kopf-Kirchl: 1 Std
Kirchl-Kleiner Daumen: 25 min
Kleiner Daumen-Türle: 10 min
Türle-Hengst: 25 min
Hengst-Engeratsgundhof: 1 Std 10 min
Engeratsgundhof-Giebelhaus: 15 min


Den Aufstieg von Hinterstein zum Mittagsspitzl hat der Andy schon ausführlich im Rahmen seiner *Erkundungstour beschrieben. Wir kommen heute nicht direkt bis zur Alpe Egg, sondern steigen bereits vorher durch steiles Gras hinauf, bis wir auf eine hier noch recht deutliche Wegspur treffen. Diese verfolgen wir bis unters Mittagsspitzl.
Der Schlussanstieg durch Schrofen bis in die Lücke links des Gipfels ist T 5 und erfordert perfekte Trittsicherheit. Auch leichte Kletterei I in wirklich schlechtem Fels ist schon dabei. Nicht zu vergessen die recht hohe Steinschlaggefahr. Ein Vorgeschmack auf das, was uns bevorsteht.

Auf dem turmartigen Gipfel des Mittagsspitzls haben wir einen guten Überblick über den bevorstehenden Gratverlauf. Wir schließen beim Anblick der Latschen auf einen mühsam zu begehenden Abschnitt, werden dann aber von einer schwachen Pfadspur in leichter Wanderung geschickt an den Hindernissen vorbei geführt. Zunächst steht allerdings der steile Abstieg vom Mittagsspitzl an. Die Wegfindung ist unproblematisch. Es geht vom Gipfel eine schrofige Rinne hinunter. Dann auf ein ausgesetztes Band nach links (bis hierher I+), schließlich durch eine steile Rinne (II) in die Scharte hinter dem Turm.

Der weitere Grat wird zügig überschritten, bis wir bald in die Scharte vor dem Steilaufschwung des großen Gratturms kommen. Wir studieren sowohl den Aufschwung als auch die schrofige Querung, testen beide Varianten an und sind schon drauf und dran, den recht einladenden Grat weiter zu beklettern (unten ist es recht leicht, I-II, fester Fels). Im alten AVF mit III und II bewertet (wobei man bei den IIIer-Bewertungen von Stefan Meineke durchaus mit IVer Stellen rechnen muss), sollte also machbar sein...
Letzten Endes haben wir uns für die Umgehung entschieden. Die ist ebenfalls anfangs recht human (T 4), wird dann aber deutlich fordernder (T 5-6). Nach der zweiten Ecke geht's dann direkt über den ersten weniger schrofigen Hang in die grüne, abgerundete Scharte hinter dem Gratturm. Ein weiteres Ausholen nach links (ebenfalls von uns begangen) führt in T 6-Gelände.

Damit liegt die erste größere Klippe hinter uns. Der direkte Weg ist sehr wahrscheinlich angenehmer, wenn man den Schwierigkeiten gewachsen ist.

Ein kleiner Aufschwung wird linkshaltend durch eine dunkle Rinne überwunden (II; oben sehr brüchig; Direkterkletterung des Aufschwungs IV), danach folgt der unschwierige Abstieg in die Scharte vor dem Spicherer Kopf.

Den vorausliegenden Schrofenhang hoch (T 5), dann rechts auf ein kleines grasiges Plateau, gerade hoch und die Felsen links umgehen zum Gipfel des Spicherer Kopfs (1960m; GK und GB).

Sehr interessant ist die Geschichte der Christusfigur und des alten Gipfelbuches von 1935. Beide wurden in der Wintersaison 1993/94 gestohlen. Die Figur wurde unten im Tal wieder gefunden und im August 2011 in restauriertem Zustand an den ursprünglichen Standort auf dem Spicherer Kopf gebracht. Im neuen GB von 1994 sind noch einige Seiten des alten GB als Erinnerung hineinkopiert, etwa die erste Seite.


Vom Spicherer Kopf zunächst kurz zurück auf das vorhin erwähnte Grasplateau, dann auf gleicher Höhe auf Wegspuren knapp unterhalb des Zackengrates und eines überhängenden Felsturms zur nächsten Rippe. Dann wieder hinauf Richtung Grathöhe. Bald stellt sich ein anspruchsvoller Aufschwung in den Weg, den wir zunächst direkt, dann links über ein abdrängendes Band (III-; schwierigste Stelle des Grates) überwinden. Alternativ kann man die Steilstufe rechts durch einen schmalen Spalt kaminartig überwinden (II+). Da wird es dann allerdings mit dem Rucksack recht eng. Eine weitere Umgehung dieser Stufe haben wir nicht ausfindig machen können. Klettertechnisch also eine der heftigsten Stellen des Tages.

Dann wird der Grat zunehmend grasig. Unproblematisch geht es auf den östlichen Pfannenhölzerturm (2029m; in der AV-Karte "Pfannenhölzer") und in eine tiefe Scharte vor dem Kirchl. Wenn man sich direkt am Grat hält, kommt man an ein kleines, etwa 5 Meter hohes Wandl (II+, fest und griffig), eine tolle Kletterstelle. Es ist definitiv die letzte auf dem Grat. Bald stehen wir auf dem Westlichen Pfannenhölzerturm (2050m; auch Kirchl genannt). Von diesem leicht hinunter auf die grünen Wiesen vor dem Falken und dem Kleinen Daumen.

Über kleine Schrattenfelder und Geröll, anschließend wieder im Gras zielen wir am Südostgrat gegen das Gipfelkreuz des Kleinen Daumens. Im obersten Teil treffen wir auf den Wanderweg. Das Kreuz steht etwa 12 Meter unterhalb des höchsten, südlich versetzt gelegenen Punktes. Trotzdem ist der Kreuzgipfel ein eigenständiges Ziel. Damit ist der Endpunkt der Pfannenhölzer-Überschreitung erreicht.


Rasch führt uns der Wanderweg hinunter. Wir überschreiten die grüne Kuppe Auf dem Falken (2090m). Im Oberallgäu finden wir viele Wegpunkte mit dieser Bezeichnung. Der Name hat nichts mit Greifvögeln zu tun. Eine Falkenwiese oder Falkenmoos ist eine nährstoffarme Wiese, auf der borstiges Gras wächst. 
Unterhalb liegt die Einsattelung des Türle (1955m), ein Übergang zwischen dem Nebelhorngebiet und dem Hintersteiner Tal, im Winter eine rassige Skitour. Erinnerungen werden wach...

Der geröllige Rücken, der aus der Scharte zum Hengst führt, spitzt sich bald zu einem veritablen Grat zusammen, der an Ausgesetztheit und Brüchigkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Höhengewinn gibt's dagegen so gut wie keinen. Bis zur Scharte vor dem Vorgipfel halten sich die Schwierigkeiten im Rahmen (maximal I-II). Dann geht's allerdings richtig rund. Wer sich als Gelegenheitsalpinist bis hierher vorgewagt hat und für den weiteren Gratverlauf auf die Führerangabe vertraut, dem sei geraten, den Rückzug anzutreten, denn ab der Scharte sind Klettererfahrung, Gewandtheit und absolute Schwindelfreiheit nötig.

Überblick: An die grasige Gipfelkuppe des Hengst schließt sich nordwestlich eine kleine Graskuppe an, dann bricht der Grat steil in eine enge Scharte ab. Diese ist durch einen Gendarm von der nächsten Scharte getrennt, aus der sich der fast ebenso hoch wie der Hauptgipfel stehende Vorgipfel erhebt.


Zunächst überlegen wir uns die beste Route. Auf keinen Fall sollte man zu tief vom Grat absteigen. Überhaupt ist jedes Verlassen der Grathöhe problematisch. Die Geröllrinnen sind extrem heikel zu begehen und dazu außerordentlich steinschlaggefährlich. Wir sind immerhin zu dritt unterwegs.

Wir testen den direkten Weg über den Aufschwung. Über eine Platte (II) zu einer kurzen, überhängenden Stufe. Diese hinauf (III), und der Aufschwung ist bezwungen. Alternativ queren wir rechts hinaus in die Flanke (T 5-6). Nur wenige Meter, bis wir links von uns eine glatte Platte erreichen. Diese hinauf (II-III) und zurück zur Grathöhe. Runter geht's dann ohne größere Probleme hinab (I-II, T 5) in die Scharte vor dem Gendarm.

Ein wildes Ambiente empfängt uns hier nur eine Viertelstunde vom sanften Gras des Türle entfernt. Während wir dort noch an Beine hochlegen und Relaxen dachten, ist hier "höggschde" Konzentration erforderlich.
Fast meint man, sobald man Hand an den Turm anlegt, fällt das ganze Gebilde in sich zusammen. So schlimm ist es zwar nicht, aber der Gendarm bildet trotzdem die Schlüsselstelle des Grates. Wieder haben wir zwei Auswahlmöglichkeiten und nehmen beide in Anspruch: Direkt über den Gendarm hinüber (III; die Exposition ist vom Feinsten, der Fels aber doch gutgriffig und an der Kante einigermaßen fest) oder (psychologisch nicht minder anspruchsvoll) die Flanke bis unter die Scharte hinter dem Gendarm queren (T 6; II) und dann zur Scharte hochklettern.
Erstmal durchatmen. Wir wissen es zwar noch nicht, aber das Schlimmste ist überstanden.

Der letzte Aufschwung wird rechts von einer schräg hoch ziehenden Rampe flankiert. Diese Rampe klettern wir hoch (II+, festes Gestein, genussvoll), bis es oben schrofig auf die grasige Kuppe und in leichtem Gehgelände zum Steinmann auf dem Hengst (1989m) geht.

Ein wirklich unzugänglicher Geselle, der Hengst. Kein Wunder, dass dieser Berg so selten bestiegen wird. Wir sind erst die Zweiten dieses Jahr, die sich ins Gurkenglas-GB eintragen.

Für den Abstieg ist dann ein gutes Auge notwendig. Wir steigen nur kurz den Ostgrat runter, dann etwa 50 Höhenmeter hinab zu einer schmalen Geröllrinne. In deren Nähe geht es mal links, mal rechts von dieser hinunter, oben noch sehr steil (T 5), dann zwischen den Latschen hindurch auf die Gündleshütte (1622m) zu. Der in der Karte eingezeichnete Weg, den wir auf ca. 1700m antreffen sollten, ist nicht mehr erkennbar, so dass wir direkt die kleine Alphütte ansteuern, wo wir auf den Wanderweg stoßen.

Über die Käseralpe (1401m) gelangen wir ins Obertal, wo wir am Engeratsgundhof (1154m) und später am Giebelhaus (1065m) einkehren. Zum Abschluss bringt uns der Wanderbus zurück nach Hinterstein.









Tourengänger: quacamozza, Andy84, yuki


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Kommentare (7)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 8. Juli 2014 um 20:58
Großartig! Gratulation! Die IIIer Stellen wären mir dann aber wohl doch zu deftig gewesen. Aber Laufbichlkirche könnte klappen ;-)

LG Nico


Andy84 hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. Juli 2014 um 21:31
Die richtig schweren Stellen hättest auch gut umgehen können.
Aber der Fels war so schön fest, da hätte dir das auch Spaß gemacht.
Ja die Überschreitung der Laufbichlkirche steht als nächstes an. Wird denk bissle einfacher sein wie der Hengst. Aber hoffentlich wird sie nicht zu langweilig. Ein bisschen Nervenkitzel muss doch sein ;-)

83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 9. Juli 2014 um 14:06
Pfannenhölzergrat? Noch nie gehört... man lernt nie aus!

Andy84 hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Juli 2014 um 14:18
Ja würd mich auch wundern ;-)
Ist n wahrer Leckerbissen im Hintersteiner Tal.
Wird auch so gut wie ausschließlich von Einheimischen begangen.

Gelöschter Kommentar

Andy84 hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Juli 2014 um 19:28
naja, vom Giebelhaus zurück nach Hinterstein ist net wirklich interessant zu Fuß ;-)
Und außerdem war ja auch um 6e das Deutschlandspiel.
Wär auch ne nette Runde für euch, würd euch sicher gefallen.
VLG Andy

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. Juli 2014 um 21:06
Hallo Markus,

die Überschreitung ist schon lange draußen aus m AVF. Aber wir besitzen ja auch die vergilbte Literatur von anno dunnomal. Da sind noch einige Schmankerl drin, die keine Sau mehr kennt.

Als Alternative zum Wanderbus gäb's natürlich noch das E-Bike...ich bin das Tal ja immerhin fünfmal komplett rausgelaufen...

Lieben Gruß
Ulf


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