Wasserkuppe, 950 m, Großer Beerberg, 982 m (16 Summits Teil 15 und 16)

Nun war es also soweit. Das 16 Summits-Projekt neigte sich dem Ende zu. Ich saß im ICE von Hamburg nach Fulda mit zu dem Zeitpunkt noch ungeklärten Rückenschmerzen, die aber nur bei bestimmten Bewegungen und beim Bücken auftraten. Und sie strahlten in die Beine aus. Aber das Spazieren machte mir komischerweise keine Probleme, also sagte ich nicht ab. Die Bandschreibe könnte es sein, sagten meine Freunde. Ach was...Unsinn! In meinem Alter doch nicht! Ich machte doch 3x Sport die Woche und ging jeden Tag eine Stunde spazieren!

 

In Fulda nahm mich mein ehemaliger Arbeitskollege Thomas, der jetzt in Frankfurt lebt, in Empfang. Seit fünf Jahren hatten wir uns nicht gesehen und nun saßen wir beim Frühstück in einem Café am Bahnhof und flachsten herum wie zu alten Zeiten. Leider schoß mir bei jedem Lachen ein Schmerz aus dem Rücken in die Beine, und so sollte ich dieses Wochenende noch viele Schmerzen haben ;-)

 

Mit Thomas flottem BMW fuhren wir ins ca. 30 km entfernte Poppenhausen, welches westlich der Wasserkuppe liegt. In einem Supermarkt deckten wir uns noch mit etwas Proviant ein und dann ging es mit Handy-Navigation zu Fuß los.

 

Zunächst gingen wir an der Landstraße entlang und bogen nach ca. 1 km rechts auf Wanderwege ab. Unsere Wanderkarten-Apps (ViewRanger und Track) zeigten ein Gewirr von Wanderwegen an, über die wir schon irgendwie zur Wasserkuppe kommen würden, wenn wir nur grob die Richtung einhielten.

 

An einem Waldweg hatte Thomas die Idee, einen steilen Pfad durch den Wald zu nehmen und dieser brachte uns zu einem weiteren Fahrweg, der steil bergan führte. Da sagte Thomas: "Pssst!" und bedeutete mir, stehenzubleiben. Angestrengt lauschte ich. "Da stimmt doch was nicht...." raunte mir Thomas mit verschwörerischem Blick zu... "das gefällt mir hier ganz und gar nicht...DAS IST EINE FALLE!"

Sofort brachen wir in schallendes Gelächter aus - die alten Witze, die uns früher immer das Arbeitsleben versüßt hatten! :-D

 

Irgendwann kamen wir in eine Wiesenlandschaft, die vollkommen in den Wolken lag. Die Sicht war sicherlich nur 50 m. Ich wollte mir an einer Bank die Schuhe zumachen, aber ich war nicht in der Lage, mich zu bücken! Nur unter bestialischen Schmerzen schaffte ich es schließlich. Was war nur los mit mir, das kannte ich gar nicht? Das Wandern ging aber komischerweise. Einmal rutschte ich aus und sofort durchfuhr mich ein stechender Schmerz im unteren Rückenbereich.

 

In den Wolken erreichten wir den unbewaldeten Gipfel der Wasserkuppe, Höhepunkt von Hessen. Es war abartig kalt und stürmisch und ich war froh, meine dicke Jacke mit Pelzkragen an zu haben. Nachdem wir uns zwischenzeitlich im Nebel verloren hatten, trafen wir uns nach intensiver Handy-Kommunikation wieder im Flugzeug-Museum auf der Wasserkuppe. Hierzu muss gesagt werden, dass der Gipfel der Wasserkuppe per Straße erreichbar ist. Busse fahren hoch, es gibt Restaurants und eine Radarstation. Aber natürlich wollten wir ja "by fair means" gehen. Schade,dass es so bewölkt war!

 

Nachdem ich mein durchgeschwitztes T-Shirt gewechselt hatte und wir eine Kleinigkeit gegessen hatten, begannen wir den Abstieg über die Landstraße Richtung Poppenhausen. Es wurde nämlich schon dunkel und wir wollten wegen der Kälte schnell ins warme Auto. Da riss auf einmal die Wolkendecke auf und wir konnten einen schönen Sonnenuntergang über der Rhön beobachten. Mit dem Auto ging es weiter ins 120 km entfernte Suhl in Thüringen.

 

Großer Beerberg

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In Suhl wohnten wir im Aktiv-Hotel am FRIZ, was immer das "FRIZ" wohl sein mochte. Es war eine gehobene Jugendherberge, aber das Zimmer war sehr groß und ordentlich. Da wir noch nichts gegessen hatten, gingen nach ein paar Schlucken Wein aus der mitgebrachten Pulle zu Fuß in die Innenstadt von Suhl. In der hübschen Fußgängerzone waren offenbar schon die Kantsteine um 18 Uhr hochgeklappt worden. Wir sahen nur zwei Restaurants, die offen waren: einen Asiaten mit gefühlt 50 Tischen, der komplett leer war, und ein griechisches Restaurant, welches wir auswählten. Natürlich nahm ich wieder: Gyros, wie auf vielen anderen 16 Summits-Touren auch. Langsam fing es an, Spaß zu machen....bundesweiter Gyros-Tester! Zugedröhnt vom griechischen Rotwein schliefen wir später in unserem Aktiv-Hotel ein.

 

Am nächsten Morgen ging es nach einem ausgiebigen Frühstück mit liebevoll gestalteten Frühstückseiern mit dem Auto ins nicht weit entfernte Oberhof, dem Wintersport-Mekka der ehemaligen DDR. Zahlreiche Elite-Wintersportler waren hier herangezüchtet worden.

 

Am Ortsrand von Oberhof parkten wir auf einem der wenigen nicht-kostenpflichten Parkplätze und folgten den unübersehbaren Wegweisern zum "Großen Beerberg". Zunächst ging es über die Landstraße, auf der wir gekommen waren, und dann immer weiter den "Rennsteig", einen großen Wanderweg durch Thüringen, entlang. Irgendwann kamen wir an eine große Lichtung und bogen links ab, immer Richtung Naturschutzgebiet. Nach ca. einer Stunde kamen wir bei "Plänckners Aussicht", einem Aussichtturm ca. 50 Höhenmeter unter dem Gipfel an. Der Ausblick über den Thüringer Wald war bei dem blauen Himmel wirklich eindrucksvoll.

 

Aber da sagte ich zu Thomas: "Wir sind hier noch nicht fertig, Freundchen....wir müssen noch zum WAHREN Gipfel vordringen!" Dieser liegt nämlich oberhalb in einem Naturschutzgebiet, betreten strengstens verboten! Wir umrundeten das Naturschutzgebiet auf dem Hauptweg etwas und bogen dann links in einen zugewachsenen Forstweg ein. Nach hundert Metern brauch auf einmal ein Tier durchs Gebüsch und rannte krachend durchs Unterholz davon. Ich konnte nur noch einen rötlichen Schatten wahrnehmen! Thomas war schon kurz davor, auf den nächsten Baum zu klettern, da er aggressive Wildschweine befürchtete. Aber die konnten mich jetzt auch nicht mehr aufhalten!

 

Wir gelangten zu einem kleinen Hochmoor, dies war offenbar das Gipfelplateu des Großen Beerbergs! Doch wo war der höchste Punkt? Nach einigem Herumstolpern im Moor entdeckte Thomas drei Holzpfähle und wir umrundeten das Moor und tatsächlich: hier war ein geographischer Markierungsstein, dies war der höchste Punkt Thüringens!

 

Sofort holte ich die mitgebrachten Sektgläser heraus und goss uns aus der guten 99 Cent-Piccoloflasche Sekt aus dem Supermarkt ein. Was für ein Gefühl! Die 16 höchsten Gipfel der Bundesländer, ein Jahr lang war ich kreuz und quer durch Deutschland gereist. Bis auf die Zugspitze bergsteigerisch sicherlich keine Herausforderung, aber erlebt habe ich in der Zeit trotzdem eine Menge. Warum macht man sowas? Ich weiß es nicht. Es ist komplett sinnlos, aber es hat mir wahnsinnig Spaß gebracht. Muss alles im Leben einen Sinn haben? ;-)

 

Zurück in Hamburg stellte mein Arzt einen Bandscheibenvorfall fest - daher also die mysteriösen Schmerzen! Zum Glück hatte ich das Projekt noch abschließen können.
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