Vom Platt auf die Zugspitze 2962m und Abstieg ins Höllental


Publiziert von alpensucht , 5. August 2012 um 00:17.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Wetterstein-Gebirge
Tour Datum:28 Juni 2012
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K3 (ZS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 14:00
Aufstieg: 900 m
Abstieg: 2300 m
Strecke:Biwakplatz-Sonnalpin-Zugspitze-Stück Jubigrat-Zugspitze-Höllentalferner-Höllentalangerhütte-Hammersbach-Garmisch-Partenkirchen ca. 22km

Heute wollen wir es erstmal weniger mit vielen Menschen zu tun haben, deshalb stehen wir 6 Uhr auf, essen kurz etwas und packen zusammen, um gegen 7 Uhr bereit zum Abmarsch zu sein. Die ersten großen Gruppen ziehen von der Knorrhütte gewöhnlich erst zwischen 7:30 Uhr und 8 Uhr los.
 
Wasser holen wir nicht noch mal neu, weil wir nicht so viel schleppen wollen. Es reicht uns der ohnehin noch schwere Mehrtagerucksack. Gemütlich ziehen sanfte Serpentinen von der Knorrhütte hinauf. Unser Tempo ist gut, die Luft ist noch kühl. Erst an den ersten Schneefeldern 200Hm über der Hütte schauen wir genauer, wohin der Steig weiter führt (T2). Ein Verlassen des Steigs hat hier nur einige Extrahöhenmeter zur Folge. Man hält sich immer in der Südflanke. Im Rückblick bietet die Innere Höllentalspitze eine atemberaubende Kulisse. Dass wir dort gestern oben waren… sieht von hier wirklich höllisch schwierig aus. Ein großer Teil des Brunntalgrates ist auch zu sehen.
 
Doch ohne Pause schreiten wir dem Schneeferner entgegen. Blaue Stangen helfen uns, ungefähr auf der Route zu bleiben (T3). Ab dem Schneefernereck geht es zum größeren Teil über Firn. Der Blick nach rechts zum Firnfeld in der Mulde, die vom Zugspitzsüdabsturz und dem Schneefernereck gebildet wird, bietet einige schöne Spalten und einen Eissee.
 
In der Nähe der Skistation Sonnalpin finden wir Wegweiser, die etwas verwirrend auf uns wirken. Noch während wir rätseln, wie wir am besten weiter gehen, holt uns ein Alleingeher mit minimalem Gepäck ein. Auf Nachfrage hin bemerke ich schnell, dass er noch deutlich weniger Ahnung hat als wir. Im AVF wird die Route über das nahe Schneefernerhaus beschrieben. Weil alles mit einer dicken Schneedecke überzogen ist und diese Route dieses Jahr scheinbar noch niemand (?) gegangen ist, sehen wir auch keine Spuren.
 
Dennoch packe ich den Eispickel aus, gebe meinem Bruder die Stöcke und mache mich an die Spurarbeit. Zuerst noch einige Meter im weichen Schutt in kleinen Serpentinen, dann fast direkt lege ich die Spur durch das locker 40° steile, aber noch griffige Firnfeld (T4+). Der Sologänger folgt uns und legt sogar Steigeisen an. Etwas über dem Schneefernerhaus führt die Route offensichtlich nach rechts, das Firnfeld muss traversiert werden. Auf der anderen Seite sehe ich Drahtseile, die mehr oder weniger aus dem Schnee schauen. Die Traverse ist heikel, doch meinem Pickel und den guten Bergstiefeln vertraue ich vollständig. Ich versuche die Spuren schon möglichst fest zu treten, damit meine Nachfolger es leichter haben. Bei der Spurarbeit bemerke ich langsam auch die Höhe (>2800m).
 
An den Drahtseilen angekommen fühlen wir uns zwar zunächst sicherer als im Schnee, aber dieser verdeckt auch häufig die Sicherungen, so dass das ganze an einigen Stellen noch heikler ist als das vorige Schneefeld (T5-). Eine große Serpentine, wo der Schnee mal wieder derartig drin liegt, kürzen wir einfach im herrlichen Fels direkt aufwärts ab (I-II). Oben auf dem Grat treffen wir auf den Stöpselzieher (von der Wiener-Neustädter-Hütte) und wissen nun das Schlimmste für den Aufstieg überstanden zu haben.
 
Nun geht es auf breitem Rücken und sanfter Flanke über zahlreiche Rohre und dergleichen hinweg hinauf. Einmal trete ich unachtsam auf ein lose herum liegendes Werkstück und löse einen Stienschlag aus, der hinab zum Serpentinenweg vom Schneefernerhaus stürzt. Ich rufe schnell ein Warnung hinab und von unten pfeift es gleich weiter. Nochmal gut gegangen!
 
Eine Metalltreppe leitet auf die Gipfelplattform, wo schon zahlreiche Besucher die ersten Bergsteiger begaffen. 10 Uhr.
 
Schnell schlängeln wir uns durch die Menge hindurch. Ein seltsames Gefühl befällt mich bei dieser plötzlichen Menschenmasse nach so vielen Tagen Einsamkeit. Ein Gefühl von „Schnell weg hier!“.
 
 
Das ist der Gipfel und ein weiteres Stückchen vom Jubigratkuchen!
Wir steigen hinab in die Scharte vor dem Ostgipfel und nehmen an dem höchst angenehmen und ausgesetzten Platz links vor dem Gipfelaufschwung Platz. Von hier aus lassen sich das bunte Treiben und das Protzen der mutigen Familienväter, die den Ostgipfel im Schweiße ihres Angesichts erklimmen und deren Konfrontation mit der Ausgesetztheit sehr schön beobachten.
Wir holen in den vier Stunden am Gipfel zweimal Wasser, die Sonne brennt, unser Plätzchen ist nicht gerade schattig, aber die Aussicht ist heute dafür beinahe perfekt. Nur Richtung Südosten zu den Tauern hin wird es etwas diesig. Der Große Glockner ist dennoch deutlich zu sehen. YES! - endlich können wir mal den kompletten Alpenhauptkamm bis vom Glockner bis zur Bernina sehen. Die Wildspitze und die Watze stechen in der Ötztaler Region besonders hervor… Und die Aussicht aus eigener Kraft erarbeitet zu haben gibt uns überhaupt einen guten Serotoninschub.
 
Erst nach 1,5h Stunden gehen wir dem Ostgipfel einen Besuch abstatten. Immer brav den Bahnfahrern Platz machend, denn für die meisten von ihnen ist hier oben so gut wie kein Platz, denn das gesamte Gelände ist ja massiv absturzgefährdet.
 
Die Schlüsselstelle (III-) am Jubigrat möchte ich mir unbedingt anschauen, so mache ich mich etwa 40min hinab über den Grat. Es ist schöne Kletterei, aber auch einiges Gehgelände. Zwei Grattürme überklettere ich und im Abschwung des zweiten beginnt die Schlüsselstelle, wo ich auch einige Zeit brauche, sie abzuklettern. Ich gehe nicht ganz hinab in die tiefe Einschartung, weil ich mit meinem Bruder nicht einmal eine Rückkehrzeit vereinbart hatte und er nicht genau weiß, wohin ich wollte. Also zurück. Die III- aufwärts fällt mir beinahe schwerer als abwärts, sogar die Nähmaschine meldet sich kurz zu Wort… irgendwas habe ich falsch gemacht  :)
 
Der Höllentalklettersteig und –ferner abwärts
Nach einiger Rücksprache mit Erfahrenen und Bergführern und der Beobachtung der Wolkenbildung wird es 14 Uhr höchste Zeit für uns den Abstieg an zu gehen. Im oberen Bereich behindern noch einige Eisrinnen und aufsteigende Bergsteiger das gemütliche Abklettern (Klettersteig C, ZS und Fels I, keine durchgängigen Sicherungen!). Ausweichen ist meist kein Problem. Durch das Auf- und Zuschrauben der Karabiner meines Bruders geht wieder eine Menge Zeit verloren. Ich erprobe mich in Geduld und unterhalte mich mit den restlichen Gipfelaspiranten.
 
Da sind Flüche und Freudenrufe zu vernehmen, Angst und Mut steht in ihren Gesichtszügen. „Wie weit ist es noch bis herauf?“
 
Selbst weit unterhalb der Irmerscharte (ca. 2650m) treffen wir noch auf einige Gipfelaspiranten. Nicht schlecht staunen wir, als wir auf ca. 2550m unten auf dem Höllentalferner noch drei Leute aufsteigen sehen. Einmal überholt uns ein Alleingeher im Abstieg beinahe im Laufschritt und ungesichert. Er habe Feierabend und gehe quasi nach Hause. Die drei begegnen uns, als wir kurz vor der Biegung nach Süden sind und wollen noch bis ganz hinauf. Ich warne sie vor einem sehr wahrscheinlichen Gewitter in wenigen Stunden, weil sie bei dem Schneckentempo sicher noch über vier Stunden bis hinauf bräuchten. Doch auch wir sind erst 16:45 Uhr unten am Einstieg über der Randkluft.
 
Wir queren auf Ratschlag von oben etwas weiter rechts hinaus und treffen so auf eine gute Firnbrücke. Danach geht es kurz sehr steil traversierend zurück auf die Normalroute. Ruckzuck geht es den Gletscher im Laufschritt in der Spur hinab und durchs Moränengelände auf den „Grünen Buckel“ (T3), wo wir eine längere Pause für gewisse Geschäfte einlegen. 17:30 Uhr. Das Halbfinalspiel der Fußball-EM wollen wir gern in Hammersbach schauen. Das heißt, wir müssen uns sputen.
 
Das folgende Gelände knapp über dem Brett wird noch mal recht steil und die Hände helfen hier fürs Gleichgewicht im Abstieg. Beim Anblick des Bretts wird mir erstmal ganz anders.
Dass es darunter soo weit und so steil hinab geht… muss das sein? Also muss das ungesichert sein?? Darf eigentlich nicht, wir haben unsere Gurte aber schon tief im Rucksack gepackt und so wird das ganze für uns zur Mutprobe. Wir wissen: ein Fehltritt und das war’s. Mein Bruder hat für sich auch die Verantwortung übernommen.
Tief aufatmend trete ich wieder auf festen Untergrund, ein zahmes Felsband, welches nun in steile, gesicherte Serpentinen überleitet, ist nun überwunden. Plötzlich leitet vor uns die lange Leiter in die Tiefe. Die hatte ich ganz vergessen, aber wenn’s sein muss, bitte schön. Unten am Einstieg atmen wir kräftig durch und gehen in einen flotten Laufschritt über, weil uns der Blick auf die Karte die Länge des noch vor uns liegenden Abstiegswegs bis Hammersbach verdeutlich hat.
 
Seltsamerweise sehe ich hier im Höllental nicht zuerst Latschen sondern ein Bergahorn als ersten Vertreter der Baumgrenze. Sehr gern hätten wir uns für dieses herrlich ursprüngliche und einsame Tal etwas mehr Zeit genommen. An der Höllentalangerhütte füllen wir noch einmal Wasser auf und rennen den restlichen Weg hinab. Am bedauerlichsten ist das in der einzigartigen Höllentalklamm, wo wir einfach kurz anhalten und staunen müssen. Auch die Naturduschen sind uns sehr willkommen.
 
Nach der Höllentaleingangshütte beobachten wir misstrauisch den Himmel, der sich immer mehr ums Wetterstein zu zieht. Noch 30min bis Anpfiff. Es donnert bereits und kaum sehen wir die ersten Häuser und Wiesen von Hammersbach beginnt es zu blitzen und stark zu regnen. Nach längerem Suchen im Regen kommen wir leicht erschöpft vom Rennen in einer Hotelkellerlounge gerade wenige Minuten nach Spielbeginn an. Mit zwei Bier feiern wir unbekümmert über den Spielausgang unsere gelungene Mehrtagetour und die heutige Zugspitzüberschreitung.
 
Das Spiel läuft bekanntlich nicht gut und uns fällt es schwer, wieder auf zu stehen und draußen einen Lagerplatz zu suchen.
Gegen Mitternacht brechen wir auf in die Dunkelheit. Wenigstens regnet es nicht mehr, aber uns schmerzt alles. Dennoch entscheiden wir, noch bis zum Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen durch die Nacht zu laufen, um in dessen Nähe die letzten Nachtstunden, bis zur ersten Bahn Richtung München zu verbringen. Das ist noch mal eine große mentale Herausforderung, vor allem weil wir in Garmisch einen Riesenumweg entlang der Buslinie machen. 15 Bushaltestellen in der Nacht nach solch einer Tour zu laufen, das macht innerlich erst mürbe, dann aber stark.
 
Beim nächsten Mal würde ich wohl noch zeitiger aufbrechen zum Gipfel und dann nur höchstens zwei Stunden bleiben, damit der Abstieg durch das Höllental mehr genossen werden kann. Allerdings wird beim nächsten Mal eher ein Aufstieg über den Jubigrat und der Abstieg durch das Reintal in Frage kommen. Diese Tour ging an einem außergewöhnlich schönen Tag außergewöhnlich gut von statten. Die Zugspitze ist schon wegen ihrer Prominenz etwas besonderes, aber jeder einsame Gipfel im Wettersteinkamm kann schöner sein, als im Lärm der Menschenmassen den Ausblick genießen zu müssen.   

Tourengänger: alpensucht, A_Thorne


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