Höfats-Überschreitung Ost-West
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Im Internet und auch bei hikr existieren viele Mythen. So gibt es etwa die Kleinen und einen Großen Mythen.
Ja, und dann gibt es noch die ganz großen Mythen. Eines dieser ist die scheinbar unverrückbare Ansicht, die Travers beinhalte Schwierigkeiten im III. Grad (was nur dann zutreffend ist, wenn man sich den kleinen Überhang am Zackengrat zwischen West- und Zweitem Gipfel gönnt). Ich möchte hier betonen, dass man für die Travers den III. Grad sicher klettern sollte, aber man darf die enorme Ausgesetztheit der Route nicht mit den technischen Anforderungen verwechseln. Ich bin die Überschreitung nunmehr das 4.Mal geklettert und habe auch andere Allgäutouren im III. Grad kennenlernen dürfen, zuletzt diese: Öfnerspitze-Krottenspitze-Großer Krottenkopf Nordgrat .
Ich bewerte die Tour mit II+ am Ostgipfel und mit II+ (Schlüsselstelle, mit Überhang III) am Zweiten Gipfel. Außerdem kommt vor dem Zweiten Gipfel noch der 5 Meter lange Reitgrat, eine technisch leichte, aber beim ersten Mal psychologisch sehr fordernde Passage.
Dann die Meinung, die Ost-West-Travers sei "deutlich anspruchsvoller" als die übliche Überschreitung. Anspruchsvoller ja, aber vor allem wegen der sich plötzlich auftuenden steilen Abbrüche, bei denen das Auge dem Tiefblick standhalten muss, nicht so sehr, weil schwierige Stellen abgeklettert werden müssen. Fit sein im Abklettern muss man natürlich schon, aber das wichtigste ist die perfekte Trittsicherheit, die man für beide Varianten braucht.
Außerdem wird bei wikipedia behauptet, die Ost-West-Travers sei die Enzensperger-Route von 1893. Das ist falsch. Die Enzensperger-Travers beginnt vielmehr mit dem Aufstieg über den Nordgrat und Überschreitung von West nach Ost. Meine Ost-West-Travers hingegen, die selten durchgeführt wird, ist der Originalweg der Erstbegeher Kranzfelder und Konsorten von 1892, wobei diese vom Ostgipfel abseilten.
Der Name Höfats leitet sich, was relativ neue Erkenntnis ist, von Höch Atz, Hohe Weide, ab. Einheimische sagen noch heute "Heafatz".
Also, die Höfats ist wegen der Blumenpracht einer meiner bevorzugten Berge, und sie hatte heute zusammen mit dem viel zu früh einsetzenden Gewitter mittags jede Menge Überraschungen für mich parat.
Start bei Sonnenschein um 08.40 Uhr am Renksteg. In flottem Tempo nach Gerstruben (1153m), das ich nach knapp 45 min erreichte. In weiteren 15 min zur Gerstruber Alpe (1216m; heute war sie nicht bewirtschaftet) und weiter am Inneren Höfatstobel / Abzweigung Westgipfel-Gufelweg vorbei zur Dietersbachalpe (1325m; 1 Std 20 min vom Renksteg). Diesmal gönnte ich mir ausnahmsweise weder den leckeren Quark mit Früchten noch die Apfelschorle. Ein Bergläufer des TSV Oberstdorf flog mit zügigen Schritten heran, scheinbar ohne angestrengt zu sein.
Angesteckt von soviel Power ging dann auf den 450 Höhenmetern zum Älpelesattel (1778m) tempomäßig auch bei mir die Post ab. Ich staunte, dass ich nicht einmal 2 Std. vom Renksteg gebraucht hatte. Nun ja, der Barometer in meiner Hosentasche fiel schlagartig, und so verspürte ich langsam auch einen gewissen Druck, den eigenen Erwartungen standzuhalten. Ein großer Fehler war es, statt aufs Rauheck und Kreuzeck mit Abstieg über den Bettlerrücken auf die Höfats zu gehen. Leider nicht mein letzter heute, aber auch nach 26 Jahren Bergerfahrung lernt man ständig dazu.
Durch von Jahr zu Jahr mühsamer werdendes Gestrüpp, Gras, den Vorgipfel und schließlich die Gipfelplatte (II; 2 Haken) kämpfte ich mich auf den Ostgipfel (2259m). Hier waren dann die ganzen Klassiker gefragt, Bananen, Energieriegel, Bio-Trockenfrüchte, Mineralgetränke...und langsam wurde es dunkler am Himmel...wieviel Zeit hatte ich bloß noch???
Eine SMS von Thorsten, die mich vorm Weitergehen warnte, kam leider nicht um 10, sondern erst nach 16 Uhr an...unten im Tal machten sich, wie ich nachher erfahren habe, noch einige andere Leute Sorgen um mich...kurz unterhalb des Ostgipfels stieg ein Bergsteiger, der ebenfalls die Wetterproblematik als Haupthindernis für weitere bergsportliche Aktivität nannte, noch rechtzeitig ab.
Zeitbedarf Renksteg-Ostgipfel: 2 Std 53 min
Ich überlegte nur kurz...ja, ich werde zum Westgipfel gehen - mein nächster großer Fehler, aber das Wetter schien noch 3 Stunden zu halten, und das würde doch ausreichen. Denkt man...heute bin ich schlauer.
Der Abstieg vom Ostgipfel in die erste Scharte war leichter als gedacht, 3 Minuten, dann war ich unten, ohne jedes Gefühl der Beklommenheit. Nach 7 Minuten vom Ostgipfel konnte ich mich bereits ins Gipfelbuch des Mittelgipfels eintragen, direkt nach meinem Vorgänger Bene69. Auch ich selber war nur eine Seite entfernt (Oktober 2010). Beim Abstieg auf der pfeilerartigen, leicht brüchigen, aber unschwierigen Kante des Mittelgipfels (I-II) kamen mir 3 weitere Bergsteiger entgegen. Bis hierhin gehörte das jeweilige Aneinandervorbeikommen zu den anspruchsvollsten Manövern des Tages. Im Übrigen hatte ich mir alles viel, viel schwerer vorgestellt.
Unschwierig von der Höfatsscharte auf den Zweiten Gipfel, dann der steile, kurze Abstieg über angefeuchtetes Gras und die felsige Schlüsselstelle auf die Verbindungsschneide und im Reitsitz hinüber zum ersten der beiden Zacken.
Hier ließ ich mich zur Linksumgehung verleiten, ein Weg, den ich bisher zwar immer gegangen bin, aber nie mit einem guten Gefühl.
Nachtrag: Auch wenn's noch so ausgesetzt ist, ist das Beibehalten der Grathöhe die bessere Wahl. Die beiden Zacken werden direkt überklettert.
Und das trog auch dieses Mal nicht. Ich hielt den Körper gedreht, als plötzlich der bisher mir schon immer zweifelhaft erschienene Tritt ausbrach und ich für einen kurzen Moment wackelte. Ich rief leise "Nein" und sah mich schon fallen, doch durch Routine (ich habe an dieser Stelle die Griffkombinationen verinnerlicht) konnte ich im letzten Moment mit zwei Fingern der linken Hand den rettenden Griff halten. Eine prekäre Situation, in die ich mich dadurch brachte, dass ich nicht direkt über den Zackengrat weiterkletterte und mich unter Zeitdruck befand. Und das wäre fast böse bestraft worden...schön, dass es noch ein nächstes Mal zum Bessermachen gibt...
...und das Wetter wurde im Minutentakt schlechter. Der Himmel dunkelgrau, wurde es schnell zappenduster am hellichten Tag, kurz nach 12...eine gespenstische Atmosphäre, so ganz anders als bei den vorherigen Besuchen hier. Und ich dachte an die Tourenbeschreibung von Bene69: "Knapp vor dem Eintreffen einer Schlechtwetterfront ging noch eine kurzfristige Höfats-Überschreitung..." War das wirklich eine vergleichbare Situation heute...?
Ich musste trotz dieses Adrenalinschubs schnell weiter...und schnell runter...ich beruhigte mich erstaunlicherweise sofort wieder, warum weiß ich nicht, kein Zittern, alles lief wie immer, wie automatisch...Ich griff wieder konzentriert und souverän an den Fels und erreichte um 12.20 Uhr nach 35 Minuten den Westgipfel (2257m).
10 Minuten Pause, Trinken, Beruhigung, zurück in die Scharte, dann rechts hinunter über bereits klatschnasses Gras und schmierige Felsen auf der Normalroute. Nach 30 Höhenmetern in die Klamm hinein, in dieser abwärts, bis man über Trittspuren im steilen Gras weiter direkt absteigen kann. Zwischendurch kann man an der linken Begrenzung zwei Rinnen nutzen und sich darin abstützend hinunterlassen, was eine große Erleichterung bedeutet. Hin und wieder sind aber auch unangenehme Schuttpassagen zu meistern.
Am oberen Ende der roten Rinne entweder durch diese ein Stück hinabklettern oder links davon auf der Schrofenrippe (bessere Geländeübersicht) weiter. Unter den steilen Abbrüchen links auf Trittspuren (diese Querung darf man auf keinen Fall verpassen, sonst wird's anspruchsvoll) zu einer schiefrigen Geländerippe und auf dieser kleintrittig hinab (II). Nach 20-30 Höhenmetern weitere Querung nach links auf eine grasige Parallelrippe und auf dieser wiederum ca. 30 Höhenmeter auf Trittspuren abwärts bis auf die Höhe der Bergwachthütte. Diese sieht man immer mal wieder vom "Weg", so dass man sich ganz gut orientieren kann. Schließlich in leicht heikler Querung über eine weitere Runse zur Biwakschachtel (1960m; 30-35 Minuten vom Westgipfel).
Ich war schon drauf und dran, an der Biwakschachtel das aufkommende Gewitter abzuwarten, aber mein inneres Gefühl sagte mir, dieses Mal richtigerweise, dass ich absteigen musste, wenn ich nicht tagelang hier oben ausharren wollte. Mir spukte der Bergwachtler im Kopf rum, der hier wegen Neuschnee ewig nicht mehr runter kam.
Mit leeren Kohlenhydratspeichern weiter auf dem "besseren Weg". Da mir die Route im Abstieg nicht geläufig war, verstieg ich mich in einer Rinne, dann nochmals in einer Parallelrinne (ächz, stöhn, schnell wieder das nasse Gestein hoch) und verlor wertvolle 10 Minuten, bis ich dann endlich die Wegspuren entdeckte. Die waren aber nur heikel über kleintrittige Plattenstufen zu erreichen. Dann steht man aber plötzlich in deutlich angenehmerem Gelände, und es geht sehr zügig abwärts, eine Rechtsquerung im Erlengestrüpp, dann die 300 Höhenmeter bis zum Rand der Höfatswanne.
Diese weit nach Westen queren. Hier hilft es, wenn man den Weg kennt, das hatte ich mir bei vorherigen Besuchen ausnahmsweise gut eingeprägt, denn manchmal sieht man den Weiterweg ganz schlecht oder gar nicht mehr, dann im Zweifelsfall geradeaus und auf gleicher Höhe bleiben; Pflanzenschutztafel der Bergwacht auf ca. 1680m.
Jetzt ging der bisher moderate Regen voll los, es pladderte, es kübelte, es donnerte. Ich war in kürzester Zeit bagnato, die Schuhe als Badewanne. Kurz hatte ich ein bisschen Schonfrist in den 50 Höhenmetern der Baumgruppe auf ca. 1600m, an der die Orientierung im Abstieg nochmals schwierig ist (eine Gemse schaute mir dort bei meiner Wegsuche zu), dann aber, trotz des Wolkenbruchs, war der Weg durch das "Gemüsefeld" mit teilweise hüfthohem Krautbewuchs und versteckten glattgetretenen Felsstufen nicht nur gut zu finden, sondern in Anbetracht der herrschenden Verhältnisse noch erstaunlich griffig, so dass ich ganz bald den Inneren Höfatstobel erreichte, an dem das früher obligatorische Schneefeld natürlich längst weggeschmolzen war. Vor 9 Jahren musste ich hier in der Morgendämmerung sogar mal die Steigeisen anlegen.
In steilem, erdigen Gelände schräg aufwärts auf den gegenüberliegenden, stark verwucherten Hang und dann hinunter durch weiteres "Gemüse", das an den Armen stundenlangen Ausschlag verursacht, abwärts zum "Fahrraddepot".
Der Zaun, der unten überstiegen werden muss, ist natürlich mit triefender Hose noch eine weitere kleine Herausforderung, aber dann stellt sich doch die Freude ein, alles heil hinter sich gebracht zu haben, außerdem der seltsame Wunsch, in diesem Regen und Gewitter mal den echten Kerl zu mimen, den das alles nicht umhaut.
An der Gerstruber Alpe (1216m; 1 Std. von der Bergwachthütte) begrüßte mich ein Wanderspaar mit lila Kuh-Schokolade. Gemeinsam warteten wir auf Wetterbesserung. Nach einer halben Stunde ging's weiter. Mir wurde es jetzt langsam auch etwas kühl wegen der durchnässten Klamotten. Zuerst wollte ich von Gerstruben mit dem Taxi zurück, aber das ließ ich dann bleiben - ich benötigte den Weitermarsch zur Selbstreflexion und psychischen Verdauung dieses aufregenden Tages, außerdem war ich ja auf dem echten-Kerle-Trip.
Dazu passend fing es unten in Dietersberg wieder an zu schütten, nicht ganz so extrem wie oben, aber auch mit nachhaltigem Durchnässungsfaktor. Ich stellte mich noch zweimal kurz unter Holzhütten, bis ich um 15.30 Uhr nach brutto knapp 7 Stunden (netto knapp 6 Stunden) die überdachte Bushaltestelle am Renksteg und eine ausgiebige Nahrungsaufnahme genießen konnte. Einzelne unentwegte Wanderer warteten auf den Bus, die Autos von der Bergwacht fuhren ständig hin und her...
Fazit: Die Höfats nie unter Zeitdruck, nie bei zweifelhaftem Wetter und nicht ohne ausreichende Erfahrung im Steilgras aufs Programm setzen. Griffe und Tritte immer mit voller Konzentration vorbelasten und sich dafür Zeit nehmen.
Ja, und dann gibt es noch die ganz großen Mythen. Eines dieser ist die scheinbar unverrückbare Ansicht, die Travers beinhalte Schwierigkeiten im III. Grad (was nur dann zutreffend ist, wenn man sich den kleinen Überhang am Zackengrat zwischen West- und Zweitem Gipfel gönnt). Ich möchte hier betonen, dass man für die Travers den III. Grad sicher klettern sollte, aber man darf die enorme Ausgesetztheit der Route nicht mit den technischen Anforderungen verwechseln. Ich bin die Überschreitung nunmehr das 4.Mal geklettert und habe auch andere Allgäutouren im III. Grad kennenlernen dürfen, zuletzt diese: Öfnerspitze-Krottenspitze-Großer Krottenkopf Nordgrat .
Ich bewerte die Tour mit II+ am Ostgipfel und mit II+ (Schlüsselstelle, mit Überhang III) am Zweiten Gipfel. Außerdem kommt vor dem Zweiten Gipfel noch der 5 Meter lange Reitgrat, eine technisch leichte, aber beim ersten Mal psychologisch sehr fordernde Passage.
Dann die Meinung, die Ost-West-Travers sei "deutlich anspruchsvoller" als die übliche Überschreitung. Anspruchsvoller ja, aber vor allem wegen der sich plötzlich auftuenden steilen Abbrüche, bei denen das Auge dem Tiefblick standhalten muss, nicht so sehr, weil schwierige Stellen abgeklettert werden müssen. Fit sein im Abklettern muss man natürlich schon, aber das wichtigste ist die perfekte Trittsicherheit, die man für beide Varianten braucht.
Außerdem wird bei wikipedia behauptet, die Ost-West-Travers sei die Enzensperger-Route von 1893. Das ist falsch. Die Enzensperger-Travers beginnt vielmehr mit dem Aufstieg über den Nordgrat und Überschreitung von West nach Ost. Meine Ost-West-Travers hingegen, die selten durchgeführt wird, ist der Originalweg der Erstbegeher Kranzfelder und Konsorten von 1892, wobei diese vom Ostgipfel abseilten.
Der Name Höfats leitet sich, was relativ neue Erkenntnis ist, von Höch Atz, Hohe Weide, ab. Einheimische sagen noch heute "Heafatz".
Also, die Höfats ist wegen der Blumenpracht einer meiner bevorzugten Berge, und sie hatte heute zusammen mit dem viel zu früh einsetzenden Gewitter mittags jede Menge Überraschungen für mich parat.
Start bei Sonnenschein um 08.40 Uhr am Renksteg. In flottem Tempo nach Gerstruben (1153m), das ich nach knapp 45 min erreichte. In weiteren 15 min zur Gerstruber Alpe (1216m; heute war sie nicht bewirtschaftet) und weiter am Inneren Höfatstobel / Abzweigung Westgipfel-Gufelweg vorbei zur Dietersbachalpe (1325m; 1 Std 20 min vom Renksteg). Diesmal gönnte ich mir ausnahmsweise weder den leckeren Quark mit Früchten noch die Apfelschorle. Ein Bergläufer des TSV Oberstdorf flog mit zügigen Schritten heran, scheinbar ohne angestrengt zu sein.
Angesteckt von soviel Power ging dann auf den 450 Höhenmetern zum Älpelesattel (1778m) tempomäßig auch bei mir die Post ab. Ich staunte, dass ich nicht einmal 2 Std. vom Renksteg gebraucht hatte. Nun ja, der Barometer in meiner Hosentasche fiel schlagartig, und so verspürte ich langsam auch einen gewissen Druck, den eigenen Erwartungen standzuhalten. Ein großer Fehler war es, statt aufs Rauheck und Kreuzeck mit Abstieg über den Bettlerrücken auf die Höfats zu gehen. Leider nicht mein letzter heute, aber auch nach 26 Jahren Bergerfahrung lernt man ständig dazu.
Durch von Jahr zu Jahr mühsamer werdendes Gestrüpp, Gras, den Vorgipfel und schließlich die Gipfelplatte (II; 2 Haken) kämpfte ich mich auf den Ostgipfel (2259m). Hier waren dann die ganzen Klassiker gefragt, Bananen, Energieriegel, Bio-Trockenfrüchte, Mineralgetränke...und langsam wurde es dunkler am Himmel...wieviel Zeit hatte ich bloß noch???
Eine SMS von Thorsten, die mich vorm Weitergehen warnte, kam leider nicht um 10, sondern erst nach 16 Uhr an...unten im Tal machten sich, wie ich nachher erfahren habe, noch einige andere Leute Sorgen um mich...kurz unterhalb des Ostgipfels stieg ein Bergsteiger, der ebenfalls die Wetterproblematik als Haupthindernis für weitere bergsportliche Aktivität nannte, noch rechtzeitig ab.
Zeitbedarf Renksteg-Ostgipfel: 2 Std 53 min
Ich überlegte nur kurz...ja, ich werde zum Westgipfel gehen - mein nächster großer Fehler, aber das Wetter schien noch 3 Stunden zu halten, und das würde doch ausreichen. Denkt man...heute bin ich schlauer.
Der Abstieg vom Ostgipfel in die erste Scharte war leichter als gedacht, 3 Minuten, dann war ich unten, ohne jedes Gefühl der Beklommenheit. Nach 7 Minuten vom Ostgipfel konnte ich mich bereits ins Gipfelbuch des Mittelgipfels eintragen, direkt nach meinem Vorgänger Bene69. Auch ich selber war nur eine Seite entfernt (Oktober 2010). Beim Abstieg auf der pfeilerartigen, leicht brüchigen, aber unschwierigen Kante des Mittelgipfels (I-II) kamen mir 3 weitere Bergsteiger entgegen. Bis hierhin gehörte das jeweilige Aneinandervorbeikommen zu den anspruchsvollsten Manövern des Tages. Im Übrigen hatte ich mir alles viel, viel schwerer vorgestellt.
Unschwierig von der Höfatsscharte auf den Zweiten Gipfel, dann der steile, kurze Abstieg über angefeuchtetes Gras und die felsige Schlüsselstelle auf die Verbindungsschneide und im Reitsitz hinüber zum ersten der beiden Zacken.
Hier ließ ich mich zur Linksumgehung verleiten, ein Weg, den ich bisher zwar immer gegangen bin, aber nie mit einem guten Gefühl.
Nachtrag: Auch wenn's noch so ausgesetzt ist, ist das Beibehalten der Grathöhe die bessere Wahl. Die beiden Zacken werden direkt überklettert.
Und das trog auch dieses Mal nicht. Ich hielt den Körper gedreht, als plötzlich der bisher mir schon immer zweifelhaft erschienene Tritt ausbrach und ich für einen kurzen Moment wackelte. Ich rief leise "Nein" und sah mich schon fallen, doch durch Routine (ich habe an dieser Stelle die Griffkombinationen verinnerlicht) konnte ich im letzten Moment mit zwei Fingern der linken Hand den rettenden Griff halten. Eine prekäre Situation, in die ich mich dadurch brachte, dass ich nicht direkt über den Zackengrat weiterkletterte und mich unter Zeitdruck befand. Und das wäre fast böse bestraft worden...schön, dass es noch ein nächstes Mal zum Bessermachen gibt...
...und das Wetter wurde im Minutentakt schlechter. Der Himmel dunkelgrau, wurde es schnell zappenduster am hellichten Tag, kurz nach 12...eine gespenstische Atmosphäre, so ganz anders als bei den vorherigen Besuchen hier. Und ich dachte an die Tourenbeschreibung von Bene69: "Knapp vor dem Eintreffen einer Schlechtwetterfront ging noch eine kurzfristige Höfats-Überschreitung..." War das wirklich eine vergleichbare Situation heute...?
Ich musste trotz dieses Adrenalinschubs schnell weiter...und schnell runter...ich beruhigte mich erstaunlicherweise sofort wieder, warum weiß ich nicht, kein Zittern, alles lief wie immer, wie automatisch...Ich griff wieder konzentriert und souverän an den Fels und erreichte um 12.20 Uhr nach 35 Minuten den Westgipfel (2257m).
10 Minuten Pause, Trinken, Beruhigung, zurück in die Scharte, dann rechts hinunter über bereits klatschnasses Gras und schmierige Felsen auf der Normalroute. Nach 30 Höhenmetern in die Klamm hinein, in dieser abwärts, bis man über Trittspuren im steilen Gras weiter direkt absteigen kann. Zwischendurch kann man an der linken Begrenzung zwei Rinnen nutzen und sich darin abstützend hinunterlassen, was eine große Erleichterung bedeutet. Hin und wieder sind aber auch unangenehme Schuttpassagen zu meistern.
Am oberen Ende der roten Rinne entweder durch diese ein Stück hinabklettern oder links davon auf der Schrofenrippe (bessere Geländeübersicht) weiter. Unter den steilen Abbrüchen links auf Trittspuren (diese Querung darf man auf keinen Fall verpassen, sonst wird's anspruchsvoll) zu einer schiefrigen Geländerippe und auf dieser kleintrittig hinab (II). Nach 20-30 Höhenmetern weitere Querung nach links auf eine grasige Parallelrippe und auf dieser wiederum ca. 30 Höhenmeter auf Trittspuren abwärts bis auf die Höhe der Bergwachthütte. Diese sieht man immer mal wieder vom "Weg", so dass man sich ganz gut orientieren kann. Schließlich in leicht heikler Querung über eine weitere Runse zur Biwakschachtel (1960m; 30-35 Minuten vom Westgipfel).
Ich war schon drauf und dran, an der Biwakschachtel das aufkommende Gewitter abzuwarten, aber mein inneres Gefühl sagte mir, dieses Mal richtigerweise, dass ich absteigen musste, wenn ich nicht tagelang hier oben ausharren wollte. Mir spukte der Bergwachtler im Kopf rum, der hier wegen Neuschnee ewig nicht mehr runter kam.
Mit leeren Kohlenhydratspeichern weiter auf dem "besseren Weg". Da mir die Route im Abstieg nicht geläufig war, verstieg ich mich in einer Rinne, dann nochmals in einer Parallelrinne (ächz, stöhn, schnell wieder das nasse Gestein hoch) und verlor wertvolle 10 Minuten, bis ich dann endlich die Wegspuren entdeckte. Die waren aber nur heikel über kleintrittige Plattenstufen zu erreichen. Dann steht man aber plötzlich in deutlich angenehmerem Gelände, und es geht sehr zügig abwärts, eine Rechtsquerung im Erlengestrüpp, dann die 300 Höhenmeter bis zum Rand der Höfatswanne.
Diese weit nach Westen queren. Hier hilft es, wenn man den Weg kennt, das hatte ich mir bei vorherigen Besuchen ausnahmsweise gut eingeprägt, denn manchmal sieht man den Weiterweg ganz schlecht oder gar nicht mehr, dann im Zweifelsfall geradeaus und auf gleicher Höhe bleiben; Pflanzenschutztafel der Bergwacht auf ca. 1680m.
Jetzt ging der bisher moderate Regen voll los, es pladderte, es kübelte, es donnerte. Ich war in kürzester Zeit bagnato, die Schuhe als Badewanne. Kurz hatte ich ein bisschen Schonfrist in den 50 Höhenmetern der Baumgruppe auf ca. 1600m, an der die Orientierung im Abstieg nochmals schwierig ist (eine Gemse schaute mir dort bei meiner Wegsuche zu), dann aber, trotz des Wolkenbruchs, war der Weg durch das "Gemüsefeld" mit teilweise hüfthohem Krautbewuchs und versteckten glattgetretenen Felsstufen nicht nur gut zu finden, sondern in Anbetracht der herrschenden Verhältnisse noch erstaunlich griffig, so dass ich ganz bald den Inneren Höfatstobel erreichte, an dem das früher obligatorische Schneefeld natürlich längst weggeschmolzen war. Vor 9 Jahren musste ich hier in der Morgendämmerung sogar mal die Steigeisen anlegen.
In steilem, erdigen Gelände schräg aufwärts auf den gegenüberliegenden, stark verwucherten Hang und dann hinunter durch weiteres "Gemüse", das an den Armen stundenlangen Ausschlag verursacht, abwärts zum "Fahrraddepot".
Der Zaun, der unten überstiegen werden muss, ist natürlich mit triefender Hose noch eine weitere kleine Herausforderung, aber dann stellt sich doch die Freude ein, alles heil hinter sich gebracht zu haben, außerdem der seltsame Wunsch, in diesem Regen und Gewitter mal den echten Kerl zu mimen, den das alles nicht umhaut.
An der Gerstruber Alpe (1216m; 1 Std. von der Bergwachthütte) begrüßte mich ein Wanderspaar mit lila Kuh-Schokolade. Gemeinsam warteten wir auf Wetterbesserung. Nach einer halben Stunde ging's weiter. Mir wurde es jetzt langsam auch etwas kühl wegen der durchnässten Klamotten. Zuerst wollte ich von Gerstruben mit dem Taxi zurück, aber das ließ ich dann bleiben - ich benötigte den Weitermarsch zur Selbstreflexion und psychischen Verdauung dieses aufregenden Tages, außerdem war ich ja auf dem echten-Kerle-Trip.
Dazu passend fing es unten in Dietersberg wieder an zu schütten, nicht ganz so extrem wie oben, aber auch mit nachhaltigem Durchnässungsfaktor. Ich stellte mich noch zweimal kurz unter Holzhütten, bis ich um 15.30 Uhr nach brutto knapp 7 Stunden (netto knapp 6 Stunden) die überdachte Bushaltestelle am Renksteg und eine ausgiebige Nahrungsaufnahme genießen konnte. Einzelne unentwegte Wanderer warteten auf den Bus, die Autos von der Bergwacht fuhren ständig hin und her...
Fazit: Die Höfats nie unter Zeitdruck, nie bei zweifelhaftem Wetter und nicht ohne ausreichende Erfahrung im Steilgras aufs Programm setzen. Griffe und Tritte immer mit voller Konzentration vorbelasten und sich dafür Zeit nehmen.
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quacamozza
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