Wie aus einer Tourenwoche ein kurzes Tourenwochenende werden kann:Augsburgerhütte


Publiziert von tschiin76 , 7. August 2011 um 21:07.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum:16 Juli 2011
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1180 m
Abstieg: 1180 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖBB nach Landeck, danach mit dem Bus nach Grins Auto bis zum Parkplatz oberhalb des Schwimmbades von Grins
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Landeck, Grins, Augsburger Hütte

Alle Jahre wieder: die Tourenwoche mit unseren deutschen Freunden steht an.

 Die Unterschiede zu den vergangenen Touren:
- ich habe die Planung gänzlich abgegeben
- nach steigenden Anforderungen buchstabieren wir etwas zurück (der Genuss soll ja nicht zu kurz kommen)
- erstmals mit dabei: unser Sohn und
- erstmals soll der Event nicht in der Schweiz sondern in Österreich stattfinden.

Ich freue mich sehr, alle wieder zu sehen und auch mal ein ganz anderes Gebiet kennenzulernen.
 Wie man so schön sagt, Vorbereitung ist die halbe Tour und so fahre ich mit unserem Kleinen schon am Donnerstag ins Engadin, damit er sich an die Höhe gewöhnen kann.
 Man hört ja so einiges, was Kind und Höhe anbelangt: hier heisst es, ja nicht über 2000m, da wird widersprochen und die Maximalhöhe mit 2500m angegeben, in der dritten Quelle wird geschrieben, bis 3000m kein Problem, vorausgesetzt, man steigt wieder ab und übernachtet auf tieferem Niveau, von Dehydrierung, Hitzeschlag, Kälteschäden und Höhenkrankheit ist die Rede und der erst gerade publizierte Artikel im "Die Alpen" zerstreut auch nicht eben unsere aufkommenden Zweifel, ob wir nun Rabeneltern sind, wenn wir mit Baby in die Berge gehen.
Wir beschliessen, alle Infos zur Kenntnis zu nehmen und einfach mal zu schauen, was geht und was eben nicht.
Ausserdem passen wir die Tour an: wir wollen erst am zweiten Tag, nach der unseres Erachtens eher heiklen Passage über die Patrolscharte, zur Gruppe stossen, so haben wir auch noch einen Tag länger zur Akklimatisation.
Freitagabend dann die grosse Ernüchterung: das Wetter macht nicht mit, eine Kaltfront ist im Anmarsch.
 Kurzfristig ändern wir wieder unsere Pläne: wir wollen mit der Gruppe am ersten Tag zur Hütte aufsteigen und am Sonntag wieder absteigen während der Rest so weit geht, bis es nicht mehr geht.

Die ersten Versuche mit Tragerucksack verlaufen positiv, dem Kleinen scheints zu gefallen, jede/r, der unseren Weg kreuzt wird angelacht und wenn ich ihn schon nicht sehe, so ist er doch unüberhörbar: es plaudert bis die Augendeckel zufallen.
Ausserdem besorge ich noch ein paar wetterfeste Kleider (Windstopper, Regenhose, Handschuhe) und muss erneut feststellen, dass wir wohl nicht gerade dem Mainstream entsprechen: Outodoorkleider gibts auch im Engadin erst ab Grösse 74 oder 80 (bitte melden, wenn jemand weiss, wo man für Knirpse funktionelle Kleider bekommt), aber besser zu gross als gar nichts (in die Regenhose passt noch das ganze Kind hinein...)

So ausgestattet holen wir aivla am Samstag vom Bahnhof in Landeck ab, nachdem ich unfreiwilligerweise die ersten 120 Euro dem österreichischen Staat abgegeben habe: ortsunkundig und ohne Navi habe ich die Abzweigung nach Landeck vor dem Tunnel verpasst und einmal im Tunnel drin kommt man legal nur noch auf der anderen Seite wieder raus...Eigentlich wollte ich gar nicht in den Tunnel, dem netten Mann mit der Kelle, der mich gleich bei der Ausfahrt zum Anhalten auffordert ist das aber schnurzegal, seine Mission ist Geld einziehen von a)schusseligen oder b)berechnenden Touris, wobei ich mich zu Ersten zählen darf, was auch nicht gerade schmeichelhaft ist.
Nur nicht aufregen, bringt ja nichts, aber weh tuts schon einbisschen...

Wir fahren nach Grins, ein hübsches Dorf oberhalb Landeck, durch enge Gassen und vorbei an Geranienidyllen und Gartenzwergen bis nach dem Schwimmbad, das oberhalb des Dorfes am Hang klebt und dieser TAge nicht gerade eben gut besucht ist.
Erst mal Zmittag, wir suchen uns einen schönen Platz mit Aussicht und warten auf die anderen, die nach und nach eintrudeln.

Dann heisst Windeln wechseln, Kind in die Trage packen, selber nochmals den Rucksack checken und auf gehts.
 Es ist heiss, die Sonne brennt und schon nach wenigen Metern drückt der Schweiss aus allen Poren: der Kleine schläft schon nach wenigen Minuten, nachdem er noch sein Unbehagen über die Kappe und die aufgezwungene Sonnenbrille kund getan hat.
Die Gegend ist schön, viel schöner als erwartet. Durch lichten Wald und immer wieder offene Weideflächen gehts zügig bergauf, bald schon verläuft der Weg zwischen Legföhren und nach einer guten Stunde machen wir dem Kleinen zuliebe (und wohl auch allen anderen aus der Gruppe) eine erste Abkühl-Essen-Trinken-Herumturn-Pause.
 Als wir uns wieder in Bewegung setzen sind wir plötzlich wie aus dem Nichts im Schatten: aus Westen wirds dunkel, und zwar rasant. aivla meint: "in einer Stunde wirds nass!"....Es geht genau 15min und die ersten Tropfen fallen: das heisst, Kind auspacken (Gebrüll) - Kind verpacken (ebenfalls Gebrüll) - Kind wieder einpacken (kein Gebrüll) und weiter.
Den ersten Schauer überstehen wir gut, wir werden zwar nass, da wir die Regenjacken nicht angezogen haben (viel zu warm), aber dem Kleinen gehts gut und das ist die Hauptsache.
Dann ein kurzes Trockeintermezzo, die Umgebung wird karger, die Legföhren spärlicher und der Weg rutschiger.
Wir steigen höher und ca. 200hm unter der Hütte die nächste Dusche: es schifft und hagelt in Strömen. Der Kleine hat inzwischen kalte Finger, da er die Arme in den Regen gehalten hat und ausserdem ist Essenszeit: er ist mehr als unzufrieden. aivla packt ihn unter seine Jacke und trägt ihn am Bauch bis oben. Das beruhigt und gibt warm. Wir lernen: wandern unter erschwerten Bedingungen wird zum puren Stress mit einem weinenden Baby. Wir bleiben dran...

In der Hütte dann erwartet uns eine warme Stube und ein total überfüllter Trockenraum.
Nach Kleiderwechsel und Schoppen ist unser kleiner Sonnenschein wieder absolut happy und saugt alles rund um ihn herum auf.
Im Schichtbetrieb wechseln auch wir unsere nassen Kleider, beziehen unsere Lager und geniessen das wohlverdiente Panache.
Draussen ist die Regenwand abgezogen und die Sonne schenkt uns noch ein paar Strahlen und einen Regenbogen, bevor sie hinter den Felsen verschwindet.

Zum Znacht kann man zwischen zwei Menus wählen (feudal) und die Portionen sind riesig (noch feudaler), wenn man XL bestellt.
Danach wird eine Ziehharmonika hervorgeholt und uns wird eine lustige Abendunterhaltung geboten: die Tiroler sind ein fröhliches Völklein, da wird gesunden und gebechert, gelacht und gescherzt und der hiesige Dialekt tut das seine dazu!;)

Reich an Bildern und Eindrücken "pflümle" ich unseren Kleinen im Lager zurecht und lasse ihn schlafen.
Und auch er lässt uns schlafen, will nur einmal gegen 5 trinken und schläft dann weiter bis fast halb acht.
Danach ist er wieder hellwach und gespannt auf die Dinge, die da kommen.

Vor dem Zmorge noch treibt uns das Geräusch von Rotoren hinaus vor das Haus: der gelbe Rettungsheli holt einen jungen Berggänger ab, der sich tags zuvor den Fuss verstaucht hat und die 1100hm ins Tal nicht mehr alleine schafft.
Unter Gelächter und beeindrucktem Nicken macht der Pilot eine Showeinlage und sticht steiler als nötig hinab ins Tal: die zurückgebliebenen Kameraden haben ihren Spass und sind wohl auch einwenig neidisch, dass sie  nicht auch so ins Tal fliegen können...

Nach dem Zmorge trennen wir uns: die Mädels nehmen den regulären Hüttenweg und wir wollen die Alternative ins Tal nehmen.
 Gleich hinter der Hütte führt der Weg der Höhe nach Richtung Osten, erst durch Karren bis man zu den Leitern gelangt. (Ich habe leider keine genaueren Angaben bezgl. Flurnamen ect, da ich die Karte nicht mehr habe und es von österreichischem Gebiet meines Wissens keine so wunderbare Homepage gibt, von der man die Karte runterladen könnte.)
 Dort runter und dann auf schmalem Weglein unter Kletterfelsen hindurch bis zu einer mit einem Stahlseil gesicherten Stelle. Dieses ist sicher nicht fehl am Platz, ist doch der Grashang ziemlich abschüssig und heute ziemlich feucht.
 Konzentration ist gefragt. Es geht gut und wir kommen zur nächsten Stahlseilstelle, aivla muss sich etwas bücken, da die Wand oberhalb etwas überhängend ist. Danach folgt der unangenehmste Teil: der Weg führt entlang einer ebenfalls leicht überhängenden Felswand. Das ginge ja noch, hätte es Tritte oder zumindest Steine, auf die man anständig stehen könnte. Leider alles kaum vorhanden, nur an wenigen Stellen ist ein U-Profil montiert, welche aber die meisten so "zurecht" gedrückt sind, dass sie nur noch wenig Hilfe bieten. Hinzu kommt, dass der durch den Überhang trockene Wandfuss ein beliebter Schafunterstand ist und dementsprechend rutschen wir auf Schafkacke, am Stahlseil hängend Richtung Tal. Auch hier nochmals Konzentration.
Dann ist aber fertig schwierig, der Weg schwingt sich dem Hang entlang auf eine kleine Alp, wo wir Pause machen und von überaus neugierigen Schafen bedrängt werden. Yannik findet es toll, ich muss ihn aber mal evakuieren, damit er nicht unter die Wollknäuel gerät.
Inzwischen siehts nach Regen aus, Yannik wird wasserfest gemacht und der Magen gefüllt und weiter gehts, immer plus minus der Höhe nach durch Legföhren hindurch zur Ochsenalp (oder so ähnlich, auf jeden Fall etwas mit Ochsen, oder evt. auch Ochsenboden). Dort begegnen uns 7 Pferde, welche aber gebührend Abstand halten.
Wir steigen nach einer weitern kurzen Rast weiter ab. Die Regenklamotten haben wir wieder verstaut, es bleibt trocken aber bedeckt.
Je weiter wir nach unten kommen, desto tüppiger wird es, bald schon rinnt uns der Schweiss aus allen Poren. Der Weg führt wunderschön durch Lächenwald und wilde Felswändli, innert kurzer Zeit vernichten wir einige Höhenmeter.
Yannik kommt aus dem Schauen nicht mehr heraus und jauchzt und quietscht, er liebt den Wald.
Fast schon im Dorf versteigen wir uns noch kurz, wir sehen zwar unser Ziel aber nicht die dazwischen liegende Schlucht mit Bach, der erste Weg führt an ein unüberwindbares Stauwehr, Sackgasse. Der zweite Versuch dann ein Volltreffer, wir stossen auf den gewünschten Weg.
Dort treffen wir auch wieder auf den Akkordeospieler und zwei Begleiter, alles Einheimische, den  Musikanten allerdings ohne sein Istrument. Dieses hat ihm ein Kollege ins Tal getragen.
Sie haben Freude, uns wohlbehalten anzutreffen und es resultiert noch ein angenehmer, manchmal für unsere Ohren etwas schwer verständlicher Schwatz.
Wir erreichen total nass geschwitzt das Auto und machen uns auf den Heimweg. Am Arlberg will ich über die Höhe fahren, damit ich mal die Gegend kennenlerne....Schon nach St. Anton empfängt uns eine dicke Nebelwand und spuckt uns erst weit unten auf der anderen Seite wieder aus...
Im Totalschiff fahren wir nach Hause.

Tourengänger: tschiin76, aivla, strumpf


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