Marwees über den Brettchenner


Publiziert von ossi , 4. August 2010 um 17:04.

Region: Welt » Schweiz » Appenzell
Tour Datum:16 Juli 2010
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-AI   Alpstein 
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:Wasserauen-Gloggeren-Marwees-Bogartenlücke mit Bogartenmannli-Wasserauen
Kartennummer:1: 25000

Beinahe schwärmerisch preist Hunzikers Alpsteinführer (SAC Clubführer Säntis..., 1999) die Route als "wenig dankbare"......."Route durch die zum Seealpsee abfallende, aus Felsstufen und Rasenplanggen aufgebaute, schattige Flanke, kaum begangen." In der Tat erlebt der Freund erlesener Geschmäcker eine T6- Tour mit allen wichtigen Beilagen: steiles Gras, liebevoll durchsetzt mit einigen Felsstufen, kaum Sicherungsmöglichkeiten, anspruchsvolle Orientierung, erhabenes Bergerlebnis und endlose Einsamkeit.....und alles garniert mit einem Schuss Allgäu.

Von Wasserauen gelangt man auf dem Bogartenweg bis unmittelbar unter den auffälligen NE-Pfeiler der Marwees, wo man sich über den Weidezaun schwingt und auf einer schmalen Wegspur in die Nordflanke der Marwees begibt. Bis zur Hütte ist die Wegspur durchgehend, der landschaftliche Erlebniswert ist dennoch gross. Nach der Schutzhütte quert man -nun nur noch auf vereinzelten Wegspuren- zwei weitere Runsen. Hat man den Grasgrat westlich der zweiten Runse (Brettchenner) erreicht (Pkt. 1694), geht's erst richtig los:

Den Blick nach oben gewandt, erblickt man gleich westlich des Brettchenners einen auffälligen Turm, den es über einen felsdurchsetzten Grasvorbau zu erreichen gilt. Hierzu holen wir leicht westlich ausweichend aus, um den Vorbau möglichst an seiner schwächsten Stelle zu knacken. Neben guten, saftigen Graspolstern findet man einige moosige Zwischenstücke; diese sind mit Vorsicht zu belasten. Sobald der Grasvorbau etwas abflacht, kehren wir zurück zur westlichen Begrenzung des Brettchenners und folgen ihr -hier und da nach Westen den schwierigsten Stellen ausweichend- bis unter den Turm. Dieser nun wird unmittelbar westlich durch ein Couloir umgangen. Der Einstieg ins Couloir erfolgt über einen beherzten Boulderzug in gutem Fels, anschliessend geht's ohne Probleme weiter in einen Sattel gleich hinter dem Turm. Siehe hierzu auch dieses Bild.

Wer den Sattel hinter dem Turm erreicht hat, wird nun sicher auch auf den Gipfel gelangen: In anregendem T5-Grasgelände steigt man in freier Routenwahl ziemlich direkt hoch auf den Gipfelgrat, von wo aus man bald den höchsten Punkt (Pkt. 2056) gewinnt. 

Anschliessend überschreiten wir den langen Grat der Marwees bis zur Bogartenlücke. Wir gönnen uns einen kleinen Abstecher aufs Bogartenmannli, von dem ein (gegenwärtig jedenfalls) gut verankertes, solides Fixseil herunterhängt. Der ausgeschilderte Weg hinunter nach Wasserauen bietet keine Schwierigkeiten mehr (T2, guter, mit unzähligen Schwellen befestigter Weg).

Die T6-Frage:
Manch ein Grassamurai mag sich gefragt haben, wann eine alpine Wanderung als T6 gelten darf und wann nicht. Neben den objektiven Kriterien haben wir nach reiflicher Überlegung auch subjektive Kriterien bestimmt, welche deutlich auf eine T6-Tour hinweisen (liebe Leserschaft, das sind KEINE offiziellen, brauchbaren Kriterien...):

  • Der Fotoapparat bleibt im Rucksack (höchstens 360 findet die Musse, mit seiner Spiegelreflex eine herbeieilende Gämse oder ein Schneehuhn einzufangen).
  • Man hat kein Verlangen mehr, eine bestimmte Stelle zurückzusteigen. 
  • Gedanken an die eigene Familie drängen sich auf.
  • Man entwickelt die besten Ideen für den Tourenbericht auf hikr (deshalb sollte jeder T6-Aspirant neben einem Pickel immer ein Diktiergerät im Gepäck mitführen).
Sobald der Fotoapparat wieder hervorgekramt wird und man wieder Zeit findet, Berglurchs Anekdoten aus seinem Berufsleben zu lauschen, ist's mit T6 wieder vorbei.
 

Tourengänger: ossi, Berglurch
Communities: T6


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Kommentare (6)


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AlpinHero hat gesagt: Unbekannte Pfade
Gesendet am 4. August 2010 um 19:37
Kompliment zum interessanten Aufstieg auf die Marwees. Ich war mir nicht bewusst, dass sich auf der Seealpseite eine derart "anregende" Route verbirgt.
Dem fantasievollen Berggänger eröffnen sich immerwährend neue Möglichkeiten sich abseits ausgetretender Pfade zu bewegen....

Salut aus dem Rheintal
Reinhard

marmotta hat gesagt: Chenner und Könner
Gesendet am 4. August 2010 um 23:32
Saubere Linie an der Marwees, bravo! Muss ich mir auch mal näher anschauen...

G.
marmotta

radivi hat gesagt: Gute Routenwahl
Gesendet am 5. August 2010 um 08:05
Eure Routenwahl scheint um einiges besser zu sein als die meine. Ich bin durch die Lücke links des Turms, welche ziemlich ausgesetzt war. Auch bin ich alles in der Rinne hoch, anstatt zuerst nach W zu queren und die meiste Höhe auf einfacheren Stufen zu meistern.

http://www.hikr.org/tour/post16982.html

Die Gloggeren sind immer ein Erlebnis.

ossi hat gesagt: RE:Gute Routenwahl
Gesendet am 5. August 2010 um 13:49
Hoi radivi

Studiert man den SAC-Führer, kommt man eher auf Deine Routenwahl. Wir haben Deine Variante studiert und fanden sie ziemlich ehrgeizig.

Unsere Route funktioniert eigentlich recht gut. Am belastendsten war die Befürchtung, es könne irgendwann nicht weitergehen. Diese Befürchtung ist nun widerlegt.

Zuerst haben wir einen Versuch an der östlichen Begrenzung des Brettchenners versucht (viele Tierspuren), wobei diese Führe bereits eine deutliche Tendenz in Richtung T7 auweist....

Gruss und danke für Deinen Bericht, der uns Inspiration war.

Berglurch hat gesagt: T6 - Wiki
Gesendet am 5. August 2010 um 11:12
Wahnsinn, deine Definition zum Thema T6 - fast schon wissenschaftlich!
Ich sag nur: Ein Baum: Zwischensicherung, zwei Bäume: Standplatz.
Bei erhöhtem Sicherheitsbedürfnis: Schnellwurzelnde Bonsais als mobile Zwischensicherungen!

Den waschechten T6 - Gänger erkennt man am Buschwerk im Rucksack ;-)

Super Bericht!

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 5. August 2010 um 16:25
Herrich geschriebener Bericht, schön, wenn man sich beim Lesen solcher Zeilen sich amüsieren kann - grandios! Und dann noch die Bezeichnung "Gras-Samurai" - denke, die offizielle SAC-Führerliteratur sollte sich dieser Spezie ein wenig mehr Beachtung schenken :-)

Herrlich!


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