Rinderhorn, 3448 Meter - herbstlich herrlich


Publiziert von Leander , 31. März 2010 um 23:35.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:11 Oktober 2008
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   CH-BE 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m

Das Wochenende versprach herrliches Wetter und die Zeit drängte. Wollte ich dieses Jahr noch mal einen Dreitausender besteigen, so wäre es dieses Wochenende optimal. Der zweite herbstliche Wintereinbruch hatte zwar vorhergehendes Wochenende beachtliche Mengen Neuschnee bis in tiefe Lagen gebracht, jedoch war ein Großteil davon bereits wieder weggeschmolzen.

Nachdem ich mich dazu entschieden hatte alleine loszuziehen, ging die Vorbereitung recht schnell. Zu meiner Bergausrüstung kamen noch Schlafsack und Isomatte, eine Stirnlampe sowie Proviant für zwei Tage. Gegen 14.30 Uhr fuhr ich zuhause los und war etwa gegen 16.30 Uhr in Kandersteg, wo Urlauber und Touristen in den voll besetzten Cafés und Restaurants hockten und die letzten wärmenden Sonnenstrahlen genossen.

Als ich die Talstation der Bergbahn erreichte, kam gerade eine der letzten Gondeln ins Tal. Ich packte meine Sachen und nahm die zweitletzte Gondel Richtung Sunnbüel  auf 1934 Meter. Auf dem Sunnbüel empfing mich eine herrliche Berglandschaft, die in den Sonnenstrahlen der abendlichen Sonne in den schönsten Herbstfarben leuchtete.

 

Auf dem breiten Gemmiweg kam ich – abgesehen von kurzen Fotopausen – relativ zügig voran. Die verschneiten Gipfel von Altels und Rinderhorn, die aus der linken Talflanke pyramidenförmig gen Himmel stiegen, nahmen meine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch und ich war schwer beeindruckt von der Steilheit der Berghänge. Auf dem Weg zum Restaurant Schwarenbach überquerte ich die Spittelmatte, eine sich über die gesamte Breite des Tals erstreckende Hochweide, die an ihrem südlichen Ende in den Schwemmfächer des mittlerweile stark zurückgegangenen Balmhorngletschers, sowie die Überreste eines mächtigen Bergsturzes mündete, der hier vor Jahrhunderten niedergegangen sein musste.

Nach einer guten Stunde Marsch erreichte ich das Restaurant Schwarenbach, wo schon einige Wandergruppen Nachtquartier bezogen hatten. Ich stärkte mich mit einem Glas Rivella und fragte den Hüttenwirt nach den momentanen Schneeverhältnissen am Rinderhorn. Leider konnte er mir dazu keine Angaben machen, doch meinte er, dass seit dem letzten Schneefall am vorigen Wochenende keine Seilschaft auf dem Gipfel gewesen sei.

 

Der Passstrasse folgend erreichte ich bald den Daubensee  auf 2204 Meter. Die Sonne war bereits untergegangen doch der Himmel war licht und strahlte tief blau. Eine beeindruckende Stille umgab mich und die einzigartige Berglandschaft. Der See lag still und kaum eine Welle rührte sich, sodass sich die Silhouette des Daubenhorns haarscharf an der Wasseroberfläche spiegelte. Es war eine dieser seltenen Minuten im Hochgebirge, wenn zwischen Sonnenuntergang und Einbruch der Dunkelheit die Welt die Luft anzuhalten scheint und die Landschaft eine Ruhe ausstrahlt, die sich in einer Klarheit und Unvermeidlichkeit offenbart und jedwede Lautäußerung im Keim erstickt.

Nach einer Weile andächtigen Verharrens und Staunens machte ich mich auf den Weitermarsch. Die schnell hereinbrechende Dunkelheit und die aufkommende Brise erinnerten mich daran bald einen windgeschützten Biwakplatz zu suchen. Ich zweigte von der Passstrasse ab und wandte mich in den Talkessel des Rinderhorns, durch den der Anstieg zum Gipfel erfolgen musste. Gegen 19.00 Uhr hatte ich eine geschützte Mulde oberhalb des Sees auf etwa 2300 Meter gefunden, die mir als Schlafplatz für die Nacht dienen sollte. Solange es die Helligkeit noch zuließ, wollte ich den weiteren Aufstieg erkunden, da ich am nächsten Morgen bei Dunkelheit loslaufen wollte und der Weg seit dem Verlassen des Gemmiweges nicht mehr markiert war. Nach kurzer Zeit stand ich am Rand der Schwemmebene, welche das untere Ende des Talkessels zwischen Chli Rinderhorn und Rinderhorn bildete. Plötzlich sprang eine Herde Gemsen an mir vorbei und zerstreute sich in die steilen Berghänge zu meiner Rechten. Ich lief noch einige Zeit über den Schwemmfächer bevor ich, ausreichend informiert über die morgens einzuschlagende Marschrichtung, wieder an meinen Schlafplatz zurückkehrte.

 

Die Nacht war mittlerweile über das Tal hereingebrochen. Ich richtete mein Abendvesper und lehnte mich an meinen Schlafsackbeutel. In meinem Rücken leuchteten die Schneefelder des Rinderhorns im letzten Tageslicht und über mir blitzten die ersten Abendsterne auf. Es wurde bald kühl und nachdem ich mich mit Brot, Wurst, Schokolade und zwei Tassen heißen Tees gestärkt hatte, kroch ich in meinen Schlafsack und blickte in den funkelnden Sternenhimmel.  Auf einmal wurden die gegenüberliegenden Berge von hellem Licht bestrahlt und ehe ich mich versah stieg der Mond am westlichen Grat des Rinderhorns empor und flutete das bis dahin stockdunkle Tal mit mattem Mondlicht. Ich lag noch einige Zeit wach bevor ich in meinen wohlverdienten Schlaf schlummerte.

 

Endlich wurde ich um 5.45 durch den Wecker geweckt, ich pellte mich aus dem Schlafsack und schlüpfte schnell in die etwas klammen Klamotten. Es hatte nachts getaut und auf meinem Schlafsack lag sogar Raureif. Nach einem Kurzfrühstück richtete ich meinen Rucksack, ließ Schlafsack und Isomatte am Lagerplatz zurück und marschierte gegen 6.20 Uhr Richtung Schuttmulde los. Mit dem schwachen Licht der Stirnlampe und dick eingepackt suchte ich meinen Weg. Schon bald machte ich einen kleinen Pfad aus, der in Serpentinen den Talkessel erklomm. Bereits nach einer halben Stunde brach die Morgendämmerung an und um kurz vor 8 Uhr strichen die ersten Sonnenstrahlen über die Gipfel von Daubenhorn, Wildhorn, Schneehorn und Wildstrubel, die sich im Westen auf der gegenüberliegenden Seite des Daubensees erhoben.

Der gefrorene Boden machte den Anstieg durch das schuttreiche Kar angenehm griffig und nach etwa zwei Stunden Marschzeit erreichte ich den Rindersattel auf 2909 Meter. Der Rindersattel war bereits schneebedeckt. Nach einer kurzen Pause, in der ich mir die Steigeisen anlegte und die Aussicht auf den noch im Schatten liegenden Balmhorngletscher sowie das sich im Norden erstreckende Kandertal genoß, marschierte ich weiter.

 

Der Weg führte am Grat entlang und war abgesehen von ein paar wenigen Stellen gänzlich eingeschneit. Nach einer weiteren Stunde erreichte ich gegen 9.20 Uhr den Punkt 3197, von wo aus ich vom Grat wegqueren musste und unterhalb eines Felsriegels auf den Rinderhornfirn trat. Leider lag hier bereits sehr viel Schnee, so dass das Weiterkommen nur mühselig von Statten ging. Anfangs versuchte ich am Rande des Felsriegels den Schneehang senkrecht zu erklimmen, doch wurde dieses Unterfangen durch den hohen Schnee und die Steilheit des Geländes sehr erschwert. Ich war kurz davor aufzugeben, als ich mich doch noch dazu entschied den verschneiten Gletscher, der eigentlich eher als Firnfeld, denn als Gletscher bezeichnet werde dürfte, in Spitzkehren aufzusteigen. Bald bemerkte ich, dass der Schnee je weiter ich mich in das unberührte Schneefeld vorwagte umso satter wurde und mich teilweise sogar gut trug. War dies nicht der Fall musste ich den Schnee bei jedem Schritt mit dem anderen Fuß wegräumen. Auf die Dauer erforderte dies viel Kraft und Zeit, so dass ich für die letzten dreihundert Höhenmeter noch weitere 1,5 Stunden Zeit brauchte. Erst auf dem Gipfeleisfeld wurde das Gehen im Schnee angenehmer und ich konnte auf dem vom Wind freigefegten Firn aufwärts marschieren. Schließlich erreichte ich nach 5 Stunden Aufstieg gegen 11 Uhr den 3448 Meter hohen Gipfel.

Vom Gipfel hatte ich eine herrliche Rundsicht, im Osten – zum Greifen nah – lagen die Gipfel von Balmhorn und Altels, weiter südlich das Bietschhorn und dann die komplette Walliser Bergwelt bis hin zum Mont Blanc Massiv, das im Südwesten wie ein Bollwerk in den Himmel ragte. Im Westen reichte der Blick über die Berge der Wildstrubelgruppe hinweg bis zu den Gipfeln der Diablerets und der Pleine Morte während sich im Norden die Berge des westlichen Berneroberlandes erstreckten. Ich verharrte nicht lange auf dem ausgesetzten Gipfel, der an drei Seiten in wilden Felsabstürzen nahezu senkrecht abfiel. Nach ein paar obligatorischen Gipfelfotos machte ich mich um kurz nach elf schon wieder auf den Abstieg.

In der Falllinie absteigend war die Nordwestflanke schnell bewältigt und auch der weitere Abstieg bis zum Rindersattel verlief problemlos und zügig. Erst dort gönnte ich mir eine ausgiebige Vesperpause, verstaute die Steigeisen wieder im Rucksack und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen.

 

Der Abstieg durch das Schuttcouloir war mühsam und steil. An vielen Stellen war die oberste Bodenschicht durch die Sonnenstrahlen aufgetaut und die feinen Gesteinsschotter wurden gefährlich glitschig. Ich erreichte meinen Biwakplatz um 13:30 Uhr. Das gröbste hatte ich jetzt hinter mir. Ich schnürte Schlafsack und Isomatte an den Rucksack und marschierte bis zum Hotel Schwarenbach, wo ich mir auf der Sonnenterasse ein Stück Zwetschgenkuchen und ein großes Glas Bier gönnte.

Die letzte Etappe der Tour führte mich wieder über die Spittelmatte und an der Nordflanke des Altels vorbei. Besonders schön anzusehen waren die Lärchen und Arven, die in der herbstlichen Abendsonne goldgelb leuchteten. Um kurz nach 15 Uhr erreichte ich nach 9 Stunden Wanderzeit die Bergstation Sunnbüel. Erschöpft aber glücklich fuhr ich mit der Gondel ins Tal, wo mich der treue Polo aufnahm und nach Hause fuhr.

Fazit: Optimal geeignet als Zweitagestour mit Biwak. Bei zugeschneitem Gipfelfirn ohne grössere Schwiergkeiten machbar. Tolle Landschaft und hervorragender Aussichtsberg.


Tourengänger: Leander


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