Gran Serraz (3.552 m) - Aussichtskanzel am Gran Paradiso - oder doch eine Skitour?


Publiziert von panodirk , 14. September 2018 um 23:57.

Region: Welt » Italien » Aostatal
Tour Datum:20 August 2018
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 2 Tage 9:00
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m
Strecke:Valnontey - Rifugio Vittorio Sella - Gl. Lauson - Gl. du Grand Vallon - Gran Sarraz
Kartennummer:L'Escursionista 10 (Valle di Cogne)

Allgemeines
Der Gran Serraz ist ein unbekannter, aber sehr feiner Aussichtsberg im Paradiso-Gebiet. Durch den Gletscherschwund verkommt die schöne Gletschertour mehr und mehr zu einer anspruchsvollen Wanderung. Der obere Gletscher, Ghiacciaio di Gran Valle (Glacier du Grand Vallon), hat durchaus noch Spalten und so sei es jedem Aspiranten überlassen, ob ein Seil nötigt ist oder nicht. Ist der Gletscher aper, bewegt sich die Tour im Alpinwanderbereich T5-, ansonsten ist es eine einfache Hochtour L.
 
Die Tour
Der Aufstieg zum Rifugio Vittorio Sella (2.584 m) verläuft ab dem großen Parkplatz in Valnontey auf einem gut markierten und seit ein paar Jahren neu angelegten Wanderweg. Die Neuanlage wurde mit viel Mühe und Engagement erstellt; der Weg führt sehr komfortabel nach oben und es gibt sogar unterwegs Brunnen. Die Wanderer werden gebeten, die Wege nicht zu verlassen, um der Erosion entgegenzuwirken und den Pflanzen die Chance zu geben, sich wieder ansiedeln können. Es ist sehr traurig zu sehen, wie viele Wanderer es gibt, die diese Aufforderung nicht beherzigen und immer wieder auf die Abkürzer ausweichen (2 Stunden ab Valnontey).
An der Hütte erklärte mir sofort ein Bayer (im Gegensatz zu den Steinböcken ein hier in der Gegend eher seltenes Exemplar) in fröhlich-informativer Laune, dass der Gran Serraz doch ein Skiberg war. Eigentlich habe ich gar nicht nach der Info gefragt noch wollte ich sie haben, aber Expertenwissen verbreitet man halt gerne... - Darüber hinaus ließ der Hüttenwirt verlautbaren, dass die Verhältnisse schlecht seien. Nun ja, einer schlechten Tour stand also gar nichts im Wege...
Das Thermosfrühstück wurde nett im Vorraum gerichtet und war sehr gut. Und so ging es frisch gestärkt und noch vor Tag und Tau los. Der Weg zum Gran Serraz ist zwar auf keiner Karte eingezeichnet, aber einfach zu finden: Von der Hütte folgt man für eine Minute dem Wanderweg Nr. 18B in Richtung der Casolari dell'Herbetet. Direkt nach der Bachquerung zweigt an einem großen Steinmann eine Pfadspur nach rechts aufwärts ab. Für die nächste Stunde folgt man diesem Weglein über wunderbare Wiesen und eine Felsstufe, bis man im großen Gletschervorfeld des Glacier Lauson  (Gh. di Lauson) angekommen ist (ca. 2970 m). Der Weg verliert sich, doch nun führen Steinmänner in üppiger Anzahl (und fast allen Richtungen) weiter. Die Orientierung bleibt einfach. Durch Geröll geht es immer weiter zum Gletscher, Ghiacciaio di Lauson. Den Gletscher braucht man fast nicht mehr zu betreten. Man hält sich links und hält auf die einzige Schwachstelle der linken Begrenzung zu, einem steilen Geröllcouloir. Kurz vor dem Couloir helfen die Steigeisen dann doch durch den steilen Firn. Das Couloir selber ist unangenehm rutschig und abschüssig, aber weder ausgesetzt noch gefährlich. Sind mehrere Partien unterwegs, ist ein Helm Pflicht, da in dem Couloir wirklich alles lose ist (da die Tour im Sommer aber scheinbar (s.o.) unbeliebt ist, kann der Helm normalerweise daheim oder im Auto bleiben). Ab der Hälfte lehnt sich das Couloir etwas zurück und zuweilen findet sich Wegspuen und Steinmänner, doch der Durchschlupf ist auch so nicht zu verfehlen (3.220 m, 2 Stunden ab der Hütte).
Der Winterweg führt nicht unbedingt durch das Couloir, sondern auch über den steilen Plattenschliff unterhalb des Gran Serraz am hinteren linken Ende des Gletschers. Im Sommer sieht dieser Schliff weder einladend noch passierbar aus.
Oben angekommen folgt man dem einfach dem breiten Felsgrat (der Führer nennt das noch Firngrat), bis man auf den oberen Gletscher (Ghiacciaio di Gran Valle / Glacier du Gran Vallon) stößt (3.300 m). Dieser ist auf beliebigem Weg nach links oben zu queren - Spuren gibt es im Sommer meist nicht. Steigeisen und Pickel sind sehr hilfreich, ein Seil braucht es im halbwegs aperen Zustand nicht (sonst schon!).
Nun geht es auf dem Grat zum Gipfel; die Perspektive verzerrt: Der Gipfel ist fast direkt über uns und nicht - wie befürchtet - ganz rechts weit im Norden! Den Grat betritt man möglichst weit oben, weicht einem Aufschwung links aus und steht ganz unverhofft unter dem Gipfel (3:30 - 4:00 ab der Hütte). Die letzten 5-10 Meter sind einfache, aber steile und ausgesetzte Kletterei in I+ (akka sagt II). Wenn man gelben Markierungen folgt, läuft man schon am Gipfel vorbei...
Der Gipfel ließe sich auch von Norden über steile abschüssige Platten erreichen; dort hat es alte und vertrauensunwürdige Fixseile. Lieber nicht...
Sofern keine Wolken vorhanden sind, bietet sich eine grandiose Schau auf den Gran Paradiso.
Für den Abstieg ist eine Abseilpiste eingerichtet - ebenfalls mit einem alten Fixseil. Doch ist der Weg zum Gletscher zurück so einfach, dass es des Abseilen (und der damit verbundenen Prüfungdes Fixseils) gar nicht bedarf. Der Abstieg erfolgt auf dem Anstiegsweg; das Bier schmeckt auf dem Rifugio Vittorio Sella traditionsgemäß hervorragend (frischgezapftes von der Brasserie Gr-St Bernard). In Valnontey fing es dann an zu regnen...
 
Fazit
So schlecht, wie der Hüttenwirt meinte, waren die Bedingungen gar nicht. Es ist halt Sommer in den Bergen, Gletscher sind aper und Couloirs mühsam. Mit einem Grundmaß an alpiner Erfahrung ist es dennoch eine ganz tolle hochsommerliche Hochtour! Doch wahrscheinlich hat der freundlich-geschwätzige bayrische Bergkamerad doch recht, dass das im Grunde eine Skitour ist (auf hikr sieht man zumindest genussvolle Bilder). Ich hätte Lust...

Tourengänger: panodirk


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Kommentare (1)


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Sarmiento hat gesagt: Lustig zu lesen...
Gesendet am 13. Dezember 2018 um 09:34
... dass dir der Hüttenwirt exakt den gleichen Käse erzählt hat wie uns im vorigen Jahr. Angeblich ganz schlechte Verhältnisse, es wäre gefährlich, und ob wir denn wüssten, was wir tun. Und dann stellte sich der Berg als wunderschön, einsam und v.a. kein bisschen schwierig oder gefährlich raus. Ich wüsste zu gerne, ob der Hüttenwirt jemals im Sommer da oben war, geschweige denn ob er selbst überhaupt Bergsteiger ist.


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