Kälbelespitze (Normalweg)


Publiziert von Kauk0r , 18. Februar 2016 um 21:49.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:12 August 2015
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Aufstieg: 1700 m
Strecke:20 Kilometer
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PKW zum Parkplatz Auf der Höh (2,50€/Tag) in Hinterstein, mit ganzjährig geöffneter Toilettenanlage!

An einem der letzten richtig heißen Tage des Traumsommers 2015 konnte ich mir meinen Traum von der Besteigung der Kälbelespitze (2135 m) erfüllen. Damit sich der Zustieg zum Schrecksee auch richtig lohnt, nahm ich danach noch die Gipfel von Kastenkopf (2129 m) und Lahnerkopf (2121 m) mit und sprang in die 18°C (auf 1800 Meter ! ) warmen Fluten des Schrecksees. Allerdings war mir der direkte Gratübergang vom Kastenkopf eine Spur zu groß (siehe verschiedene Tourenberichte der Kollegen quacamozza und Andy84).

Ausgangspunkt der Tour war der Parkplatz Auf der Höh (2,50€/Tag, um 880 m). Aus logistischen Gründen konnte ich kein Rad im Auto mitnehmen, so ging es zu Fuß mit dem üblichen Auf und Ab zum Hintersteiner E-Werk (938 m). Hier dem Wegweiser folgend nach links von der Straße ab Richtung Schrecksee. Der Alpweg führt dann recht steil den Wald hinauf, man passiert den Stausee (1249 m) und gelangt bald darauf zu den freien Weideflächen der verfallenen, aber beweideten Taufersalpe (1338 m). Über die welligen Böden ans Ende des Tals, über einen kleinen Bachlauf (je nach Wasserstand und Beschaffenheit der maroden Brücke etwas abenteuerlicher) und auf dem breiten Alpweg den Karriegel aufwärts. Noch etwas weiter ansteigend gelangt man in das breite Kar. Mit etwas Höhenverlust quert man einige Felsrippen und gelangt vorbei an der 2011 neu errichteten Schreckenalpe zum Schrecksee (1813 m). Dem Wegweiser folgend im Uhrzeigersinn um den See, dabei führt der Weg durch kuppiertes Gelände und ist immer wieder nass und matschig. Am Karende dann auf dem Jubiläumsweg hinauf in die breite Lahnerscharte (1982 m).

Zunächst geht es dann auf der Südseite dem Wanderweg ein wenig abwärts bis ca. 1935 m. In der Traverse hatte der Weg an diversen Bachläufen deutliche Schotteransammlungen erfahren, die sehr frisch aussahen. So langsam machte ich mir Gedanken, da auch das Gelände bisher eher feucht, die Bäche gut gefüllt waren...so schaut doch ein trockener, heißer Sommer nicht aus. Am Tag danach erfuhr man vom Busfahrer im Hintersteiner Tal, dass es am Montag, also zwei Tage zuvor ein massives Unwetter gegeben hatte. In der Ostrach lagen massive Ansammlungen von großem Totholz, laut Busfahrer bisher so auch noch nie aufgetreten. Nichtsdestotrotz war der Weg gut zu begehen. Von der tiefsten Stelle dann noch etwas aufwärts bis zum höchsten Punkt auf der großen Graszunge. Sie markiert den Einstieg in die sehr steile Südflanke (siehe Bild) der Kälbelespitze. Für den gesamten Aufstieg gilt es unbedingt auf Wanderer auf dem Wanderweg zu achten, besonders aus Richtung Landsberger Hütte ist ihr Herannahen nur schwer wahrzunehmen! Zunächst geht es die Graszunge ganz hinauf, es gibt noch sehr komfortable Grastritte, jedoch immer wieder mit etwas unangenehmer Geröllauflage. Oben am Ende der Graszunge einen plattigen Felsriegel aufwärts, das ist mit aufliegendem Gebrösel mehr unangenehm denn schwer (kurz I, Kraxel-Charakter). Darüber nochmal im bröseligen Gras an eine kleine Bach-Rinne. Diese am besten ganz oben queren, um in die Traverse nach Westen zu gelangen. Weiterhin in passabel gestuftem Gras ansteigend queren, bis ungefähr ans Ende der Grasrampe unterhalb in Falllinie der auffälligen Felsplatte des West-Gipfels. Bis hierher war der unbedingt ernste Aufstieg leichter als erwartet. Jetzt einen bröseligen, wiederrum sehr kurzen Felsriegel aufwärts (einfachste Kletterei, durch die Geröllauflage eher unangenehm denn schwer). Oben wendet man sich dann in die wesentlich anspruchsvollere Traverse nach Osten gegen den Gipfel. Das Gelände wird kurzzeitig deutlich schrofiger, die Geröllauflagerungen auch nicht weniger und das Gelände steilt sich nochmals fühlbar an. Dazu nimmt die Stufung der Tritte teilweise deutlich ab (mind. T5+). Man visiert nun eine grasige Rippe am Ende der Traverse an. Die schmale Rippe ist nach Süden exponiert, aber noch vom Südgrat abgetrennt. Über steile Grastritte erricht man das obere Ende des Südgrats, das in brösligem Steilgelände zum Gipfel der Kälbelespitze (2135 m) führt. Am Gipfel war vormals eine Signalstange montiert, sie liegt jetzt kaputt am Boden, zudem einige Holzstangen mit Nägeln, deren ursprüngliche Gestalt nicht mehr so recht zu definieren ist (eines der beiden Elemente könnte das in Karten verzeichnete Gipfel-Signal darstellen). Im Gipfelsteinmann befindet sich seit meinem Besuch ein kleines Gipfelbüchlein. Bin mal gespannt was sich da oben so abspielt.

Abgestiegen bin ich auf dem gleichen Weg und zurück zur Lahnerscharte. Von hier dann noch auf bekannter Route  Kastenkopf- und Lahnerkopf mitgenommen und den herrlichen, wenn auch sehr heißen Sommertag in Einsamkeit genossen. Nicht mal diese beiden einfachen Gipfel werden von den Horden am Schrecksee behelligt. Zu ihm rennen alle in rekordverdächtigem Tempo empor, werfen sich ins Gras und gehen wieder. Welche unglaublichen Ausblicke sie damit verpassen... mir soll es recht sein, sonst motz ich am Ende, dass dort auf den Gipfeln keine Ruhe mehr herrscht. Um mich auch als Herdentier zu outen, ging ich nach dem Lahnerkopf auch noch an den See und stürzte mich auf der Suche nach Abkühlung in die Fluten, schwamm zur Insel und erklomm auch noch diesen kleinen Gipfel. Laut Busfahrer soll die Temperatur für Bergseen sehr angenehme 18°C betragen haben. Danach war der lange Abstieg zum Parkplatz nicht unbedingt angenehmer, dafür aber erträglicher.

Fazit: Erst jetzt bei der Aufarbeitung kommen mir die Dimensionen der Tour so richtig ins Bewusstsein und erklären die eine oder andere Unpässlichkeit des Bewegungsapparats: Deutlich über 20 Kilometer Gehstecke und vermutlich an die 1700 Höhenmeter heran, dazu die Hitze des Hochsommers. Glücklicherweise ist bis zur Karstufe auf ca. 1800 Meter der Aufstieg am Morgen im Schatten (zur Zeit mind. bis 9 Uhr Vollschatten, Tendenz zunehmend). Die 200 Höhenmeter der Kälbelespitze-Südflanke sind eine ernste Bergtour in sehr steilem Schrofengelände, die absolute Trittsicherheit, alpine Erfahrung und Orientierungssinn zwingend voraussetzen. Vom Unwetter war der Untergrund an den entsprechenden Stellen perfekt angefeuchtet um optimal treten zu können, bei Trockenheit sicher nochmal eine Spur anspruchsvoller. Inwieweit die teilweise großen Schutteinlagerungen auf Tritten mit dem Unwetter zu tun hatten und nochmals auf ein Normalmaß reduziert werden weiß ich nicht. Wenn dies der Fall wäre, dann sollte das die Begehung etwas erleichtern. Die Wanderung zum See und auf die beiden anderen Gipfel, insbesondere der Kastenkopf sind für den geübten Wanderer machbar. Nicht extra zu erwähnen sein sollte die grandiose Landschaft, des Hintersteiner Tals und des Schrecksees, sie dürfte allseits bekannt sein!

(Erstmals publiziert habe ich diesen Bericht auf alpic.net: Kälbelespitze, Kastenkopf und Lahnerkopf)

Tourengänger: Kauk0r


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Kommentare (6)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 19. Februar 2016 um 11:38
Danke für diesen schönen und ausführlichen Bericht. Die Kälbelespitze scheint demnach mit einer guten Portion Trittsicherheit auch für weniger ambitionierte Berggeher machbar zu sein. Das größte Problem stellt wohl die hohe Steinschlaggefahr dar!?

Kauk0r hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. Februar 2016 um 14:37
Danke für dein positives Feedback! Wie oben beschrieben, muss man eine solide Bergerfahrung im weglosen Gelände mitbringen, dann ist die Besteigung normalerweise gut machbar. Wenn ich deine Tourenliste betrachte, sollte das für dich sehr gut machbar sein. Der Steinschlag spielt beim Alleingänger nicht so die große Rolle, stellt halt für den Wanderweg durchaus eine Gefahr dar.

Frank1972 hat gesagt:
Gesendet am 20. Juni 2022 um 09:47
Der Autor bedankt sich im ersten Eintrag im Gipfelbuch bei seiner Frau, die ihn so etwas machen lässt. Meine Frau erlaubt mir solche Sachen nur, wenn ich sie mitnehme :-).

Wir haben die Tour am 17.6.22 als Test für die Höfats gemacht um etwas Gefühl für Steilgras T5+ zu bekommen. Wir klettern ohne Seil UIAA II, hatten aber keine Steilgraserfahrung. Wir haben es geschafft, aber für Steilgrasanfänger ist das schon verdammt steil, teilweise leicht gruselig. Die den Hang herauf fotografierten Bilder täuschen da etwas.

Wir hatten zum Glück unsere Pickel mit, die waren Gold wert und geben ein Gefühl der Sicherheit. In der Osttraverse sind wir dann zu zeitig nach oben gezogen und auf dem Grat westlich des Gipfels gelandet, der Grat ist diese 20 Meter aber angenehm zum Gipfel zu klettern. Runter sind wir dann die Osttraverse, die aber auch nicht einfacher war als das Stück zum Grat. Wir haben in dem Gelände als Anfänger ordentlich Zeit gebraucht.

Fazit: Die Höfats trauen wir uns jetzt zu. Viel Schwieriger hätte es für uns aber nicht sein dürfen.

Kauk0r hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. Juni 2022 um 23:19
Hallo Frank,

danke fürs Feedback! :)
Viel Spaß an der Höfats!

Grüße!
Kauk

Frank1972 hat gesagt: RE:
Gesendet am 20. Juli 2022 um 16:00
Letzten Samstag haben wir die Höfats gemacht. War eine Super-Tour, nur mit Steilgras hat der Südostgrat nicht mehr viel zu tun. Gute Erdstufen, Schrofen und eine kleine Kletterstelle kurz vor dem Gipfel.

Nachdem wir dort und am Großen Wilden T5+ probiert haben würde ich dem Normalweg der Kälbelespitze doch eher eine T6- geben. An den beiden anderen Gipfeln haben wir uns nirgends gefürchtet, beim Steilgras der Kälbelespitze in der Osttraverse aber schon etwas. Dafür ist der Gipfel aber echt exklusiv, laut Gipfelbuch im Schnitt 5 Begehungen im Jahr.

Frank1972 hat gesagt:
Gesendet am 26. September 2022 um 11:38
Also wir sind so Halbkönner und machen erst seit 2 Jahren alpine Touren, Klettern haben wir als Studenten vor 30 Jahren im Elbsandstein gelernt und dann war es zwischenzeitlich aber etwas eingerostet.

Im Rückblick am Ende der Saison: In der Osttraverse haben wir uns das einzige mal bisher richtig gegruselt. Krass steiles, kaum gestuftes Gras mit gelegentlich Brösel dazwischen. Die ach so gefährliche Höfats war Kinderquatsch dagegen. Aber super Beschreibung vom Kauk, es war sehr gut zu finden (ich bin nicht der Routenfindungs-Großmeister, kleiner Schwachpunkt von mir). Tipp: Unbedingt Pickel mitnehmen! Auf keinen Fall bei Nässe machen!

Ich nehme mal für die Zukunft mit, dass mittelschwere Modegipfel wie Watzmann oder Höfats, wo es auch viele Noobs hochzieht, mit übermäßigen Warnungen versehen sind während bei den vernachlässigten Gipfeln, wo in der Regel nur ein paar Cracks hochgehen, alles immer viel einfacher klingt als es für uns dann ist (auch auf der Fatlarspitze so wahrgenommen).

Wenn wir uns klettertechnisch noch ein bisschen aufpimpen machen wir vielleicht mal die Umrahmung, da müssen wir uns aber langsam rantasten :-)).


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