Ober Gabelhorn klassisch: Arbengrat hinauf, Nordostgrat hinunter


Publiziert von Alpin_Rise , 6. August 2013 um 12:41.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum: 2 August 2013
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2300 m
Abstieg: 900 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Furi
Unterkunftmöglichkeiten:Rothornhütte: schön gelegene Hütte, freundliche Crew. Leider am Fuss von zwei Viertausender und darum in der Hauptsaison ein veritables Bienenhaus...

Das Obergabelhorn ist einer der anspruchsvolleren Viertausender der Alpen. Selbst auf der Normalroute bleibt die Tour ein langes Unternehmen, das den durchschnittlichen Alpinisten ganz schön fordert. Zwei Routen werden heutzutage hauptsächlich begangen: der felsige, genussreiche Arbengrat oder der ästhetische, kombinierte Aufstieg von Nordosten über die Wellenkuppe.

Die schönste Tour am Ober Gabelhorn ist sicher seine Überschreitung. Nur welche Route für den Aufstieg und welche für den Abstieg wählen? petitNic hat hierzu eine deutliche Meinung: Normalroute von der Rothornhütte hinauf und Arbengrat hinunter. Dies hat den Vorteil, die ausgesetzte, anspruchsvolle Abseilerei am Nordostgrat im Aufstieg zu begehen. Dafür muss man den Arbengrat abklettern bzw. an teilweise windigen Verankerungen abseilen -  und einen sehr langen Abstieg nach Zermatt in Kauf nehmen.
Wir entschieden uns darum für die klassische Überschreitung Süd-Nord, nicht zuletzt, um von der Rothornhütte am folgenden Tag den Rothorngrat in Angriff zu nehmen, soweit der Plan.


Ein Hochtourenklassiker bei absoluten Traumverhältnissen

Bereits der Aufstieg ins Arbenbiwak (ab Furi, kaum schneller als ab Zermatt, noch schneller ist ab Schwarzsee mit Abstieg nach Stafel) ist ein landschaftlicher Leckerbissen - hier nicht trödeln, auch wenn die Landschaft vor allem am Arbenfall dazu einlädt... knackiger, kräftiger Klettersteig kurz vor dem Biwak! Wir erwarteten zum Nationalfeiertag bei perfektem Wetter einiges an Volk im Biwak - wir sollten recht behalten. 33 Personen auf 15 Schlafplätze... hätte es nicht einige Asoziale aus dem grossen Kanton darunter, fänden alle einen (sehr engen) Liegeplatz - zum Glück sind die schwarzen Schafe die Ausnahme, sehr angenehme Unterkunft und Atmosphäre trotz der massiven Überbelegung.

Am nächsten Morgen dann nach sehr unbequemer, fast schlafloser Nacht im hinteren Mittelfeld gemütlich aufgestanden und ein gutes Stück nach den ersten Seilschaften um  etwa 5.15 im Biwak los. Direkt mit Steigeisen in gutem Firn los (aussergewöhnlich für die Jahreszeit!) und dann auf dem ersten Band (Stöcke gefunden, Steinmann, Spuren...?) ein kleiner Verhauer, bis die richtige Verschneidung (II, erst senkrecht hoch, dann erst nach links!) gefunden war. In der Rampe dann guter Trittschnee, auf dem Grat perfekte Verhältnisse, einige Seilschaften vor uns überholen wir in der Umgehung des grossen Gendarmen (III+, weisse, griffige Felsen auf der Rippe, schwierigste Kletterstelle, eine IV konnten wir nirgends finden!). Dann in bestem Fels weiter hinauf bis 20 m vor dem Gipfel, Ankunft 8.15. Ausgiebige Pause und in wenigen Schritten auf den kaum Rastplatz bietenden Obergabelhorn Hauptgipfel. Vor den anderen Partien machen wir uns an den Abstieg und haben zum Glück (fast) freie Bahn:

Nun folgt jene Passage, vor der wir am meisten Respekt hatten, die Abseilerei dem NO-Grat entlang. Wir klettern erst wenige Meter ab (II) bis zu einer Eisenstange.  Von dort seilten wir traversierend ab bis zur Stelle, wo man in Falllinie weiter abseilen kann. Von hier mit 50 m Seil bequem von Stand zu Stand (meist Schlingen!). 5-6 abseilen Mal, je nach Firnlage unten am Grat.
Dann in gutem, etwas wenig verfirntem Schnee bis zum Grossen Gendarm, diesen übersteigen (eine knackige, kräftige 3er Stelle an einem Block) bis zum Fixseil. Diesem entlang am bequemsten nochmals zweimal Abseilen bis in leichtes Gelände und relativ flach hoch zur Wellenkuppe.
Im Firn hinunter bis zum einmaligen Balkon, wo der Felsteil beginnt. Hier seilen wir nochmals dreimal ab (auch abklettern möglich, II+, bester Fels), um dann im Schuttgelände auf Wegspuren mit einzelnen Stufen (T5) erst südwärts haltend, dann nordwärts zur letzten Abseilstelle (20 m, betont senkrecht). Nun leicht zur Firnschulter auf 3630 m und in einer guten Dreiviertelstunde über den gut verfirnten Gletscher zur Rothornhütte, Ankunft 13.45.

Zeibedarf: Für den Arbengrat  ab Biwak etwa 3-4 Stunden. Er ist damit einiges kürzer als die Route von der Rothornhütte. Der Abstieg über die Wellenkuppe zur Rothornhütte zieht sich ganz schön in die Länge, mindestens 4, eher 5 Stunden sind bei guten Verhältnissen einzuplanen. Ist der NO-Grat blank, kann mit Eisschrauben gesichert werden und der Zeitbedarf erhöht sich dann drastisch.

Material: Mindestens 50 m, besser 55 m oder 60 m Einfachseil mit Mittelmarkierung, Abseilgerät, einige Schlingen, Karabiner bzw. Expressen, 2-3 kleine Friends und Keile, ein bis zwei Eisschrauben.

Fazit: Die Überschreitung des Obergabelhorns ist eine sehr lohnende, lange Tour, die über mehrere Stunden Aufmerksamkeit fordert. Darum gehört das Obergabelhorn definitiv zu den fünf* anspruchsvollsten Viertausender der Schweiz. Wenn die Wetter & Verhältnisse, Akklimatisation & Fitness sowie das technische Können & die Routine in der Seilschaft stimmen, ein wahrer Genuss. Stimmt auch nur ein Faktor nicht, kann die Überschreitung sehr lange dauern oder im schlimmsten Fall zur heimtückische Falle werden!

Nebenbemerkung: Mir ist ein Rätsel, warum der Grosse Gendarm mit Fixseilen à la Matterhorn richtiggehend armiert ist, während der ähnlich exponierte, längere Gipfelaufschwung lediglich mit alten Schlingenständen in unregelmässigen Abständen versehen ist ... 6 solide, gebohrte Abseilstände oder Stangen wären hier das Mittel der Wahl und würden den Charakter des Berges nicht drastisch verändern; Zermatter Bergführer sind ja dafür bekannt, dass sie fast jede andere Normalroute mit soliden Sicherungen versehen ...?

*Nach meinem Dafürhalten sind die anspruchsvollsten Schweizer Viertausender auf den Normalrouten in etwa:
Weisshorn
Schreckhorn
Dent Blache
Obergabelhorn
Zinalrothorn
Auch nur bei besten Verhältnissen vielleicht einen Tick einfacher sind darüber hinaus Dirruhorn, Täschhorn, Lauteraarhorn und Matterhorn.

Tour mit CJ, danke für die schöne Tourenwoche!


Tourengänger: Alpin_Rise
Communities: 4000er auf Abwegen


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Kommentare (2)


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Heidelberger Gipfelsammler Ötzi II hat gesagt: Gendarm ist schwieriger
Gesendet am 7. August 2022 um 16:44
Interessante Tour, aber am Gendarm ist eine IVer Stelle!

Alpin_Rise hat gesagt: RE:Gendarm ist schwieriger
Gesendet am 8. August 2022 um 08:27
Ich kann mich an keine IVer Stelle erinnern, diese wären mir auf fast 4000m Höhe aufgefallen. Andere Touren wie z.B. der Schaligrat oder der Dent de Tsalion Westgrat haben zwei, drei IV Stellen und sind einiges anspruchsvoller.

Gute Hochtoure und G,
Rise


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