Oberengadin, August 2015 2|4 - Piz Kesch
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Schlecht besetzt ist die Hütte - eine Etage höher schlafen die beiden jüngsten Gantenbeins, unter uns ein deutscher Bergwanderer, die beiden andern Seilschaften in andern Räumen - und so ist die Nacht sehr ruhig. Um 5 Uhr nehmen Bergführer Fréderic und Dani, Bergführer-Aspirant Flo und Renate, und wir, das Frühstück (mit frischem Birchermüesli) ein, bevor wir um 5.50 Uhr ab der Chamanna d’Es-cha losmarschieren - die Stirnlampe benötigt es um diese Zeit nicht mehr; sternenklar war der Himmel; einige Wolken hängen zwar zwischenzeitlich vor Keschnadel und Porta d’Es-cha …
Der Zustieg zu dieser verläuft im zunehmend gerölligeren Gelände auf guter Wegspur, wbw markiert, und bietet keine Schwierigkeiten. Ab P. 2794 wird es definitiv felsig; eine Bereicherung stellt das kleine Seelein unterhalb der Keschnadel dar, deren kecke Spitze wird nun von den ersten Sonnenstrahlen beleuchtet. Mit Erreichen des Überganges auf P. 2937 wird das Ambiente noch eine Spur alpiner: erst muss ein hartgefrorenes kleines, abschüssiges Schneefeld gequert werden, dann wird der felsige Hang unter den Felszähnen bei P. 3099 doch rutschiger, lockerer, und erfordert gute Trittsicherheit sowie stellenweise ein Gespür für die beste Routenwahl. Schliesslich jedoch erreichen wir an Rande des grossen Felskessels des Piz Val Müra, nun im schönsten Sonnenlicht, die Steilrampe, welche zur Porta d’Es-cha hinauf leitet - eine überaus anregende, kettengesicherte, Kraxelei erwartet uns hier. Und wie wir oben auf der Scharte stehen, bietet sich uns ein phänomenales Bild über den Vadret da Porchabella hinunter zur Keschhütte und hinauf zum unnahbar erscheinenden Gipfelziel!
Nach einer kurzen Rast und dem Anlegen der „Gstältlis“ steigen wir in der sehr steilen und rutschigen Nordseite der Porta ab und betreten den Gletscher; hier ziehen wir zusätzlich die Steigeisen an, führt doch die erkennbare Spur ein Stück weit über blankes Eis, bevor der steilere Schlussanstieg wieder im Altschnee erfolgt. Stets vor uns die Zweierseilschaft Flo und Renate, welche eine breite und tiefe Spalte in unmittelbarer Nähe umgangen haben und beim Gletscherende ein Depot (Pickel und Steigeisen) angelegt haben.
Hier, auf ungefähr 3260 m, machen wir dasselbe, nehmen einen letzten Energieschub zu uns, setzen die Helme auf (hatte doch gestern Abend Fréderic noch erklärt, der Piz werde leider stets seltener begangen wegen des Steinschlages) - und beobachten, wie die beiden erst im Schutt, später sich in Kletterei hocharbeiten. Diese will mir jedoch gar nicht gefallen - ich hege grosse Bedenken bzgl. der Erreichung des Gipfels; doch wie wir im steilen und losen Gelände, auf teilweise guter Spur, losgehen, und wir erste rote Markierungen erkennen, löst sich das Unbehagen auf.
Wir kommen im teils feinsplittrigen, teils grobblockigen Gelände recht gut voran, queren mal ein Aufwärtsband, kraxeln hier und dort mal, und bewegen uns nur einmal über etwas abschüssigen Gelände, bis wir, nach einer kurz exponierten Passage direkt am Nordostgrat zur Schlüsselstelle der Normalroute gelangen: im hier relativ festen Fels ist die Route mit Bohrhaken ausgestattet, so dass wir uns hier sichern für den steilen Felsaufstieg, bevor wir uns wieder einfacher zum - nun leider umwölkten - Gipfel des Piz Kesch aufmachen. Nachdem die zwei Vorausgeher beim Klettern und Abseilen Zeit auf uns eingebüsst hatten, überholten sie uns auf einer (leichteren) Umgehungsvariante, so dass sie wenig vor uns bereits auf dem Gipfel angelangt sind.
Bis auf Fréderic und Dani, welche wir zwischenzeitlich am Grat zur Keschnadel herumturnen sehen, sind wir vier heute die einzigen, welche den Gipfel besuchen. Glücklicherweise reisst die Wolkendecke einige Male auf, so dass wir während unserer Gipfelrast doch den Tiefblick auf den Gletscher gewinnen können.
Für den Abstieg wählen wir der beiden Aufstiegsvariante; wenn auch nicht schwierig, ist doch die geeignetste Spur erst zu finden, tauchen doch unterwegs einige kaum zu überwindende Absätze auf. Wieder auf der mit roten Punkten und Strichen markierten Route, finden wir recht unproblematisch zum Depot zurück.
Für den Gang über den Vadret da Porchabella zurück hat die vor uns gestartete Seilschaft den Umweg über die blanken Stellen gewählt - so ist jener auch ohne Steigeisen machbar. Zügig erreichen wir des Gletschers Ende beim eindrücklichen „Gletscherloch“, entledigen uns der Steigeisen - und nach dem rutschigen steilen Wiederanstieg zur Porta d’Es-cha auch der „Gstältlis“.
Nachdem die Gipfelrast eher kühl und kurz ausgefallen war, verweilen wir hier doch länger - und können, wie wir uns aufmachen zum Abstieg in der schönen Felsrampe, noch beobachten, wie die Keschnadel-Bezwinger zum Gletschergang aufbrechen.
Bei nun mehrheitlich wieder blauem Himmel legen wir die etwas anspruchsvollere Traverse zum P. 2937 zurück, und wandern auf der wbw Wegspur zur Chamanna d’Es-cha CAS hinunter, wo wir uns auf der Sonnenterrasse zu Kaffee und Bier das heutige Tagesangebot Roter-Linsen-Salat genehmigen.
Nebst den sechs Kesch-Bezwingern haben sich heute ausnehmend viele Tagestouristen, in erster Linie italienisch sprechende, eingefunden, welche zumeist auf der flachen Wiese vor der Hütte picknicken - und vielleicht auch, wie wir, den Ausblick zum wolkenreichen Bernina- und Piz-Palü-Massiv geniessen.
Schliesslich nehmen wir den sich hinziehenden Rückweg unter die Füsse, welcher uns nach dem Abstieg von der Hütte beinahe flach über dem Kessel des Val d’Es-cha zur Nordostflanke des Ostgrates des Piz Blaisun leitet - dabei ist über dem hübsch dahinplätschernden Ova Pischa der gestern begangene Grat und Gipfel gut einsehbar. Bald erreichen wir die Fuorcla Gualdauna, den Abzweig unserer zweitägigen Gipfeltour.
Hier wendet sich der Weg wieder dem Albulatal und -pass zu; unterwegs kommen wir noch einmal an der Rinder- und Kuh-Herde vorbei - und sichten auch die bekannten Schönheiten wieder.
Zwei „hart“ erarbeitete, doch beglückende, Bergtage enden beim Parkplatz Chamanna d’Es-cha; morgen geht’s sehr „anregend“ weiter …
ñ 1 ¼ h bis Porta d’Es-cha
ñ ¾ h bis Gletscherende
ñ 50 min bis Piz Kesch
ò 50 min bis Gletscherbeginn
ò 25 min bis Porta d’Es-cha
ò 50 min bis Chamanna d’Es-cha
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