Kelleschrofen (2091m) - via Nordgrat & Babylonischer Turm


Publiziert von AIi , 22. Juli 2015 um 19:32.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:18 Juli 2015
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m

Eigentlich ist er nur ein kleines Anhängsel an den höchsten Tannheimer, die Kellen- oder Köllenspitze. Ganz im Gegensatz zum vor allem von Norden her sehr markantem Tannheimer Dreigestirn, bestehend aus Gimpel, Kellen- und Gehrenspitze, fällt der Kelleschrofen, welcher über den Teufelsgrat mit der Kellenspitze verbunden ist, dem Unbelecktem beim schweifendem Blick nicht auf - ganz zu schweigen vom klangvollem Babylonischen Turm, ein kleiner Gratzacken westlich des Kelleschrofen im Teufelsgrat.
Dem interessierten Bergsteiger, welcher schon mit den einfacheren Gipfeln in der Umgebung vertraut ist, sticht er allerdings umso mehr ins Auge und die Eigenschaften des Kelleschrofen wie absolute Einsamkeit und die nicht zu unterschätzende Schwierigkeit aller Anstiege können diesen kleinen Gipfel, welcher sich wohl auch noch schwierigster Tannheimer nennen darf,  schon zu einem sehr exklusiven Ziel machen.
Bei Bergsteigern (nicht Kletterern!) sind als Routen zum Gipfel die beiden Kamine in der Ostwand, Führer- und Bachschmidkamin, am beliebtesten - wobei "beliebt" natürlich immer ein dehnbarer Begriff ist und was die Kamine anbelangt aufgrund der schlechten Felsqualität eher im Sinne von "ein notwendiges Übel" angesehen wird.
Trotzdem bietet der Kelleschrofen dem Bergsteiger außer den Kaminen einen weiteren nicht allzu schwierigen aber dafür wirklich komplett vereinsamten Anstieg - die Rede ist vom Nordgrat. Geschenkt wird einem hier selbstverständlich auch nichts, trotzdem ist es schon verwunderlich, dass beim Durchblättern des Gipfelbuches  nie der Nordgrat als Route erwähnt wird. Auf einem Gipfel welcher per Anno in den letzten Jahren von drei bis vier Partien besucht wurde und man Mitte Juli der erste des Jahres ist, läuft aber so manches ungewohnt...


Zustieg in die Kelle:
Der leichteste Einstieg zum Kelleschrofen-Nordgrat befindet sich im Kessel (Kelle genannt) nördlich des Teufelgrates zwischen selbigem, dem Nordgrat des Kelleschrofen und der Ostwand der Kellenspitze.
Wir starten somit unsere Tour zu früher Stund im Örtchen Musau zwischen Reutte und Füssen - an der Schule sind ausreichend Parkplätze vorhanden. Über den beschilderten Wanderweg geht es nun zuerst zum Achselkopf, einem netten Aussichtspunkt, und dann auf Forststraßen weiter hinein ins lange Raintal. An der Musauer Alm biegen wir in den beschilderten Wanderweg Richtung Sabach-/Gehrenjoch ein, verlassen diesen  allerdings in der ersten Spitzkehre (westlichster Punkt) wieder und steigen auf Pfadspuren durch lichten Wald in die Kelle auf. 
Zur kühlen Morgenstund lässt es sich hier nochmal gut rasten bevor es dann auch schon mit den Schwierigkeiten losgeht, welche nicht nur vom Gelände, sondern auch von deren Bewohnern ausgeht.

Zustieg zum Nordgrat:
Der Nordgrat des Kelleschrofen besteht aus einem unterem, mit Latschen bewachsenem, ersten Aufschwung welcher nach einem ebenen Stück an den eigentlichen, steilen und felsigen Nordgrat des Gipfelaufbaus heranführt. (Bilder) Somit besteht die erste Schwierigkeit darin, den Anfang des eigentlichen Nordgrats nach dem Flachstück mit Latschen zu erreichen. Dies geht am einfachsten von der Westseite, sprich Kelle, über einen rinnendurchzogenen Schrofenhang. Als Orientierungspunkt gelten hierbei die aus der Kelle gut sichtbaren gelben Wände am Anfang des eigentlichen Nordgrats. Das Problem hierbei ist allerdings, dass der Schrofenhang unter den gelben Wänden, welchen man durchklettern müsste von einem großen Rudel Gemsen bewohnt wird (20-30 Stück). Diese würden höchstwahrscheinlich sobald man sich ihnen von unten nähert nach oben flüchten und einen dabei unter losgetretenen Steinen begraben.
Sich ihnen von der Seite zu nähern (aufsteigend den Schrofenhang queren) und sie dadurch nach unten in die Kelle zu treiben, wie wir es versucht hätten, geht wegen den schroff begrenzten Rinnen, welche die Wand senkrecht durchziehen (man sieht die Rinnen aus der Kelle nicht!) auch eher schwierig.
Dadurch blieb nur noch eine Möglichkeit, nämlich möglichst gerade zum flachen, latschigen Gratstück aufzusteigen und dann dem Grat zum Anfang des eigentlichen Nordgrats zu folgen.
Der Aufstieg zum Grat bedarf keiner weiteren Beschreibung, da man sich hier eh spontan die beste Route suchen muss, ernstes Gelände ist aber garantiert.
Das flache Gratstück hinüber zum Anfang des eigentlichen Nordgrats ist ziemlich mit Latschen zugewachsen, dazu dann teilweise auch noch klettertechnisch nicht ganz einfach aber garantiert brüchig bisweilen sogar recht ausgesetzt. Da man hier nicht mal den Latschen vertrauen sollte haben wir die Strecke gesichert - das erste mal mit Seil im Gemüse;)

Nordgrat / Nordostflanke:
Der eigentliche Nordgrat des Kelleschrofen besteht aus einigen eher kurzen felsigen Aufschwüngen und zwischendurch immer wieder grasig/schrofigem Gelände. Bei der Routenwahl stellt sich somit vor jedem felsigen Aufschwung (brüchig, ausgesetzt und bis III) die Frage: Überklettern oder besser in der Nordostflanke (steiles Schrofengelände mit kurzen Kletterpassagen (II+ / III-)) umgehen. 
Uns erschien letztere Variante meist als besser, eine genaue Routenbeschreibung erübrigt sich aber - man muss sich hier immer spontan orientieren.
Nach einiger Zeit in der durchgehend anspruchsvollen Nordostflanke gelangen wir dann an die Stelle wo der Bachschmidkamin sich trichterförmig zum Grat hin öffnet. Hier mündet unsere Route dann in die von Ulf (quacamozza, Link zum Bericht unten) begangene und nach einer weiteren schwierigen Querung (T6) ist es dann einfaches Gelände zum lang ersehnten rostigen Gipfelkreuz des einsamsten und schwierigsten Tannheimers.

Abstieg mit Babylonischen Turm:
Vom Gipfel des Kelleschrofen geht es ein kurzes Stück zurück nach Norden, bis man dann nach links (Westen) einem scharfen Grat (II) folgt. Auch wenn man es nicht vermutet, befindet sich am Ende des Grats ein Abseilring, von welchem man dann ca. 20m auf ein Band in der Nordwand abseilt. Man könnte das Stück zum Band auch abklettern (wie die Jungs von festivaltour.de, Link zum Bericht unten) (Stellen II+ bis III-) einfacher gehts aber natürlich mit Seil. 
Das Band in der Nordwand leitet einen dann unschwierig in die Scharte zwischen Kelleschrofen und Babylonischem Turm (Schartenbuch). Von hier gehts dann in wenigen Minuten in erstmals schöner und fester II+ Kletterei zum höchsten Punkt.
Vom Babylonischem Turm seilen wir dann erneut ab - der Abseilstand unterm Gipfel sieht einfach zu einladend aus.
Von der Scharte wird dann nochmal 30 Meter (die oben angeschriebenen 45m stimmen nicht!) durch einen schmalen Kamin nach Süden abgeseilt. 
Am unteren Ende des Kamins sind die Schwierigkeiten allerdings noch nicht überstanden, da es gilt die Abbrüche hinunter zum Wanderweg geschickt durch Steilgras zu umgehen. Wer den Abseilstand am unteren Ende des Kamins entdeckt bevor er das Seil verstaut, der kann hier erneut abseilen, wir, faul und blind, zückten allerdings nur den Pickel. 
Den ersten Abbruch umgeht man am besten nach rechts (Westen) auf einem grasigen Band um danach weiter nach links abzusteigen. Die Steilheit des Grases nimmt aber ab, je näher man dem Wanderweg kommt.
Am Wanderweg angekommen gehts dann immer ausgeschildert weiter übers Sabachjoch, die Musauer Alm und den Achselkopf zurück nach Musau.

Schwierigkeiten:
Zustieg zum eigentlichen Kelleschrofen Nordgrat aus der Kelle T6 II, Obacht wegen Gamsen!, und evtl. Latschenkampf und II am flachen Gratstück davor.
Kelleschrofen Nordgrat immer am Grat T6 und vermutlich bis III, brüchig und ausgesetzt, besser durch die Nordostflanke, bei uns T6 Stellen III-, Idealroute unter Umständen nur T6 II+.
20 Meter vom Kelleschrofen nach Norden auf Band abseilen und über dieses, T4, in die Scharte.
Babylonischer Turm aus der Scharte II+, schön und fest.
Aus der Scharte 30 Meter durch Kamin abseilen, danach entweder wieder abseilen oder durch Steilgras, T5 oder leichter, zum Wanderweg.

Ausrüstung:
- Kletterausrüstung (Helm, Gurt, Abseilgerät, Seil (60m Halbseil bei uns)
- Mobile Sicherungsausrüstung evtl. notwendig (Bandschlingen, Friends, Klemmkeile)
- Eispickel für Schrofengelände

Fazit:
Auch wenn der Nordgrat des Kelleschrofen sicherlich keine Entspannungsrundtour für Feierabende ist, so war unsere Tour ein spannendes Abenteuer welches nicht unterschätzt werden sollte: Ab der Kelle befindet man sich für längere Zeit in ernstem Gelände (T6) mit nur kurzen Verschnaufpausen. Der Abstieg ist dann, sofern man ein Seil dabei hat, relativ genussreich - der Babylonische Turm eine schöne Abrundung.
Für mich persönlich war die Tour ein ganz besonderes Highlight, da mir der Kelleschrofen bei anderen Touren schon oft aufgefallen ist und ich noch vor einem knappen Jahr dachte, diesen Gipfel in näherer Zukunft nicht zu bezwingen!

Weitere Berichte:
- Ulfs Tour über den Bachschmidkamin: www.hikr.org/tour/post86097.html
- Kamin und Schrofengelände bei festivaltour.de:
[festivaltour.de/forum/thema/Überschreitung-kelleschrofen-2-...]
- Führerkamin im Winter bei rocksports.de: www.rocksports.de/forum/showthread.php?tid=378

Tourengänger: AIi


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Kommentare (7)


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Bene69 hat gesagt:
Gesendet am 22. Juli 2015 um 20:53
Saubre Tour Glückwunsch! Bin den vor einigen Jahren auf genau derselben Route mal gegangen - wird nur äußerst selten gemacht.
Grüsse vom Bene

AIi hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. Juli 2015 um 21:27
Danke dir Bene!
Haben deinen Eintrag im GB auch gesehen - allzu viel blättern muss man ja nicht;)

Gruß Ali

Bene69 hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. Juli 2015 um 21:54
Vor 40 Jahren war da irgendwie noch mehr los. Die Route aus der Kelle kannte aber damals schon kaum einer.

Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 22. Juli 2015 um 22:22
Glückwunsch.
Interessante Variante. Hab gewusst das Bene mal so hoch ist, wie seid ihr auf die Route gekommen?
Die beiden Gipfel stehen bei mir dieses Jahr auch noch an, wird sicherlich ne nette Runde ;-)
VG Andy

AIi hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. Juli 2015 um 13:59
Merci dir, Andy!
Die Idee mit dem Nordgrat hatte mein Kletterpartner, ich hatte eher den "populären" Führerkamin im Hinterkopf.
Viel Spaß und Erfolg dann bei deiner Besteigung, damit dir nicht langweilig wird kannst ja übern Teufelsgrat rüber;)

Gruß Ali

Nic hat gesagt:
Gesendet am 23. Juli 2015 um 08:40
Starke Tour und toller Bericht! Gratulation!

AIi hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. Juli 2015 um 14:02
Hey Nic, danke auch dir für deine Glückwünsche!
War auf jeden Fall eine echte Highlight-Tour an die ich noch lange zufrieden zurückdenken werde.

Gruß Ali


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