Hohe Gaisl 3146 m Innerkoflerroute


Publiziert von bergteufel , 21. März 2017 um 14:28.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 6 August 2014
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: S-
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m
Strecke:P Plätzwiese, Ostwand Hohe Gaisl und zurück
Zufahrt zum Ausgangspunkt:von Brixen über Bruneck bis kurz vor Toblach. Etwa 4 km nach Welsberg rechts ab Richtung Pragser Wildsee / Prags. Vor dem Dorf Prags links ab nach Brückele und ca. 7 km weiter zum kostenfreien P (Sackgasse) 1950m.
Unterkunftmöglichkeiten:Hotel Hohe Gaisl auf der Plätzwiese oder Berggasthof Plätzwiese oder Dürrensteinhütte 2040 m
Kartennummer:Tabacco Karte Nr.03 Cortina d`Ampezzo

Servus.

Heute geht`s auf die Hohe Gaisl oder Croda Rossa d`Ampezzo, der italienische Name klingt wie Musik.
Diesen Berg kennt man als Bergsteiger und es ist ein Berg. Damit ist alles gesagt.

Vorbemerkungen:
Man braucht das IVer-Händchen in Handschuhgröße Südtirol, sonst geht nix. Wir hatten ein 50m Seil dabei, das ist bei den unteren Abseilstellen gerade so ausreichend.
Zur weiteren Ausrüstung: Vorhanden sind Bohrhaken, Schlingen, Ketten etc., d.h. den kleinen Satz, bedeutet, ein, zwei Friends, Expressen, Schlingen... hat man dabei. Kletterfähige Bergschuhe wären auch nicht schlecht, aber kein Muß. Der Fels ist nicht abgeklettert, die Route nicht ausgeputzt, stellenweise brüchig.
Weil in Südtirol zum Tourenzeitpunkt noch viel Altschnee lag, hatten wir für den Zustieg in der Rinne Leichtsteigeisen und Alupickel dabei. Diese haben wir auch benutzt, beim Zustieg am Sporn deponiert und uns nachmittags, wenn es weich wird, wiedergeholt.

Die Routenfindung ist für einen erfahrenen Bergsteiger gut machbar, wenn man ruhig und logisch das Gelände analysiert, die vorhandenen Sicherungen sind dabei auch eine große Hilfe. Im oberen Teil helfen zusätzlich rote Punkte. Das "Gruselbergfeeling", wie literarisch von Goedeke erfunden, ist blanker Schmarrn. 

Toll finde ich an der Tour die Tiefblicke ins Kar, kann man doch daran ersehen, wie man langsam (wie langsam man - vergiss es) höher kommt.
Die Tourdauer habe ich mit 9 Std. angegeben, d.h. 1,5 Std. bis zum Einstieg und 3,5 - 4 Std. bis zum Gipfel. Dies kann nur ein Richtwert sein, hängt ja alles von den Kletterfähigkeiten, der Fitness und der Vorkenntnis der Route ab. Wir sind um 6:30 Uhr los und waren um 16 Uhr zurück, haben uns eine ausgiebige Gipfelrast gegönnt und viel mit Panoramablick fachgesimpelt. Wer von der Dürrensteinhütte startet, der sollte eine halbe Std. mehr einplanen.

Gipfelaspiranten, die das Zeckenprinzip umsetzen, d.h. den Mainstream nutzen wollen, um auf Berge wie das Matterhorn, den Watzmann, den `Glockner zu kommen, sind hier vollkommen fehl am Platz und auch nicht da. Gut so.

Mein Ziel ist, euch die Route so zu schildern, damit ihr sie nachvollziehen könnt. Bemühe mich, übernehme keine Garantie.

Kaiserwetter wäre toll, aber stabiles Wetter sollte man schon haben.

Wir steigen die Innerkoflerführe, diese gilt heute als Normalweg. Als Alternative käme die Grohmannroute in Frage. Aus dem Gipfelbuch entnehme ich, daß die Grohmannführe selten und schon sehr zeitig im Jahr gemacht wird, d.h. im Mai/Juni. Vielleicht hat sie einer von euch Lesern gemacht. Würde mich sehr über eine Beschreibung und Bildchen freuen.

Beschreibung, los geht`s:
Vom P geht man ein paar Minuten zum Hotel Hohe Gaisl. Von hier ist das Zustiegsziel, der Kareinschnitt vor der Ostwand der hohen Gaisl gut zu sehen. Rechts rahmen ihn die Gumpalspitzen ein (vom P erkennt man das nur bedingt). Nun folgt man rechts, leicht absteigend, dem Wanderweg Nr. 3 / 18. ca. 15 Min.. Vor der Stolla Alm geht es links, zunächst durch Bäumchen und Latschen, danach in einer breiten Rinne hinauf, mehrere Wegspuren, stets auf das Schotterkar zu. Man hält sich links an der Wandseite der Punta del Pin und darf kurz über einen Helm nachdenken. Nun immer weiter direkt auf die Ostwand der Hohen Gaisl zu, die in der Morgensonne rötlich strahlt.

Nächstes Ziel ist das Schotter-/Schneefeld, im Talkessel unter der Ostwand, und mittig die Rinne, die hochzieht in die Ostschlucht. Hier hat es bis in den Sommer Altschneereste. In der Rinne hält man sich mittig und etwa 50 Hm weiter oben erkennt man links ein abschüssiges, kleines Band. Auf diesem gelangt man einfach, jedoch ausgesetzt, auf den Sporn linker Hand (Zustieg). Wer den ständigen Steinschlag in dieser wuchtigen Ostschlucht vernimmt, der weiß, auf was er sich einläßt. Ein geiler Ort.

Auf dem Sporn geht es im SG I-II nach oben, bis ein markantes, rotfarbiges, südwärts gerichtetes Band ansetzt (auch von unten schon eindeutig erkennbar). Diesem folgt man ausgesetzt nach Süden (solides T6 Gelände), bis rechter Hand eine gelbliche Kaminrinne hochzieht (hier haben wir angeseilt). In dieser etwa 75m, mehr am rechten Rand, nach oben, meistens II Stellen III, sehr gut kletterbar. Unter einer überhängenden Passage quert man dann rechtwinklig südwärts (d.h. links, Bohrhaken) aus der Rinne um eine Nase (gutgriffig, II+, luftig).

Jetzt folgt eine Verschnaufpause, es geht ca. 50 Hm über Schuttbänder (mit kleinem Felswulst Stelle SG III, witzig, aber wahr) bergan. Folgend rechtshaltend weiter auf eine grauschwarze Felsbarriere zu und dort eine Felsstufe (SG IV, nicht sehr ausgesetzt) hinauf. "Scotti beamen" läuft hier nicht.

Über Schottergelände kommt man nun zu einem Felsen mit eindeutiger Abseilstelle, hier beginnt die südseitig vom Ostgrat verlaufende Abseilpiste (3mal 25m). Bitte die Stelle merken. Im Abstieg wird die Aufstiegsroute danach nicht mehr tangiert. Ein 50 Meter Seil ist das Minimum für die 3 Abseilstellen.

Nun geht es rechtshaltend über Schottergelände auf einen Kamin zu, der auf den ersten Metern nur ein schlichtes Reepschnürl als Hinweis bietet. Dieser ist deutlich steiler wie der unten. Rechts vom Kamin ist eine schöne Wand, sieht gut griffig aus, wir haben sie aber nicht versucht. Der Felsvorsprung mittig im Kamin wäre, von oben gesehen, über die Wand auch gut erreichbar. Wer`s ausprobieren mag. Sonst den Kamin hoch (70 m, Schlingen, Haken), ein hoher SG III mit Stellentouch IV-, fester Fels und er ist gut zu klettern. Oben aus dem Kamin geschlüpft und die Hauptschwierigkeiten der Führe sind vorbei.

Danach auf Schottergelände dem Ostgrat zu (südwärts) und um ihn herum. Hier öffnet sich ein südseitiges, halbes Amphitheater, häufig mit Schneeresten bestückt und rötlich schimmernd (beeindruckend). Auf Steigspuren geht es nun rechtshaltend die kleine Scharte hoch, zum Ostgrat zurück (auf keinen Fall, die links weit nach oben ziehende Rinne). Ein schneidiges Scharterl ist das.

Jetzt wirds geil und es folgt Genussbergsteigen. Vom Grat bis zum Gipfel, typisch Südtirol, unglaublich faszinierende Bergtour. Nur mal soviel zu meinen Eindrücken. Ab hier gibt es rote Punkte.
Von der Schartenschneide geht es direkt am Grat weiter, alles IIer Gelände. Ein Turm wird rechts (nordseitig) umstiegen. Danach folgt eine Rinne (Stelle III) und ein Kamin (Stelle III), den ein Klemmblock schmückt, unter dem man wunderbar durchklettern kann (beim Abstieg kann man auf ihm auch ein kleines Tänzchen riskieren, siehe Bericht von Hikr-Kamerad ADI).

Nach dem Kamin folgt eine kleine, schotterige Gratebene. Nun einfach am breiten Grat weiter und vor der Gipfelwand über Bänder rechts (nordwärts) zu einer grauen Wandstufe. Diese (II) hoch und weiter rechts haltend bergan bis zu einem gelbrötlich schimmernden Felsriegel mit breitem Riss. Über diesen (I-II) einfach hinauf zum eigentlichen Gipfelgrat.
Und allein für diesen horny Gipfelgrat lohnt sich der Aufstieg. Hier hat man einen Gang Bang mit Zackerl und alles nur IIer Stellen, ein Traum. Die Grattürmchen, ein tolles Finale dieser Tour, eine super Schlussperformance der Gaisl.

Geschafft. Die Hohe Gaisl 3146m am 06.08.2014. Es gibt ein großes Holzkreuz und ein Gipfelbuch, mit überschaubarer Zahl an Einträgen (hoffentlich bleibt das so und das meine ich nicht wegen meinem Bericht). Das Gipfelplateau ist riesig. Wir sind heute ganz alleine und das geht manch anderem hier oben genauso, scheitern doch einige hochambitionierte Bergkollegen in unteren Sphären oder trauen sich gar nicht hin. Für den Gipfelschnaps muß man selbst sorgen, allerdings vorher das IVer Händchen fragen.

Abstieg:
Alles wieder zurück entlang der Aufstiegsroute, Abseilsicherungen gibt es genug. Oberhalb der IVer Schlüsselstelle befindet sich der Felsklotz (hat man sich beim Aufstieg gemerkt) mit einer besonderen Abseilstelle. Sie ist vom Winkel her so eingerichtet, daß sie einem die Richtung südseitig vom Grat vorgibt (große Klasse). Die 3 Abseiler danach sind je 24m lang (ganz sicher!), ausgesetzt, aber nicht überhängend. Das wars, der technische Teil der Tour ist erledigt. Jetzt quert man südseitig auf Schottergelände (Steigspuren) deutlich unterhalb des Grates, immer leicht absteigend. Es folgt eine kurze Stelle zum Hinfassen I+ und danach erreicht man eine Scharte am Grat. Hier wechselt man auf die Nordseite des Grates und über eine steile Geröllschulter geht es runter in das Kar vor der Ostwand der Hohen Gaisl, gegenüber befindet sich die hinterste Gumpalspitze. Danach geht`s gemütlich mit stolzer Brust gen Hotel und Parkplatz.
Stellt sich die Frage: Haben uns die Hotelgäste tagsüber beobachtet? 

Panoramafotos könnt ihr selbst genügend schiessen, wenn ihr hochsteigt, deshalb verzichte ich weitesgehend darauf. Der Routenverlauf ist mir wichtiger für Euch als Info.

Bei der Croda Rossa d`Ampezzo kann ich, der Bergteufel, als Motivationshilfe nicht flapsig sagen: "Das packst schon, alles Hokuspokus und passt eh." Das ist ein Charakterberg, und der hat sein Kaliber. Eine taffe Tour.

Mit auf Tour mein Freund Santi. Ein echt guter Kletterer, klar, ihm gehörte der Vorstieg, hat er doch das VIIer-Händchen dabei. Danke Santi, mit dir macht´s immer wieder Spaß. Und danke, daß du so gutmütig gewartet hast, weil ich den Foto getragen habe!

Fazit: Traumtour in den Dolomiten. Nach meiner Erfahrung bisher, der schwerste Normalweg auf einen Dolomitenberg. Auf jeden Fall ist die Gaisl einen Besuch wert.

Habe die Ehre, Berg Heil.
Der Bergteufel


Tourengänger: bergteufel


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (7)


Kommentar hinzufügen

ADI hat gesagt:
Gesendet am 22. März 2017 um 11:43
also.....wenn ich es mir jetzt genau anschaue, sind wir damals(2009) genauso hoch....wußte bis jetzt nicht, daß das die Innerkofler Route ist..
Interessant......schreit nach ner Wiederholung

Cubemaster hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. März 2017 um 14:51
Hallo ADI,
diese Route ist ja quasi der offizielle Normalweg. Ich habe letztes Jahr mit einem Bergführer aus dem Gadertal gesprochen, der mit mir auch diese Route gehen wollte. Leider hat es dann terminlich nicht geklappt... Falls du einen Seilpartner für eine Wiederholung suchst, wäre ich sofort dabei. (Das gilt natürlich auch für einige andere Dolomitengipfel, inklusive dem Pflerscher Tribulaun, der ja quasi eine "Ehrenmitgliedschaft" in dem erlesenen Kreis der großen Dolomiten-3000er hat.)

Und nochmal ein großes Lob an den Bergteufel für seine tollen Berichte. Auch die Bewertung S- finde ich super, was schwierig ist, ist eben schwierig! Mancher Berg wird häufig zu einfach abgetan (auch ich selbst habe bei der Beschreibung des Normalwegs der Grohmannspitze Mainstream-gerecht nur ein ZS+ vergeben, wobei ich ein S- durchaus für angemessen hielt).

georgb hat gesagt: Schreit nach Wiederholung?
Gesendet am 1. August 2018 um 14:45
Also ich höre nichts schreien, einmal genügt mir. Aber gemeinsam mit dem Dreischuster-Dreamteam würde ich nochmal drüber nachdenken ;-)

ADI hat gesagt: RE:Schreit nach Wiederholung?
Gesendet am 22. August 2018 um 15:59
Perche no?

bergteufel hat gesagt: RE:Schreit nach Wiederholung?
Gesendet am 26. August 2018 um 19:23
"Jaaaaaaa" schreit`s in mir. Auf "Orakels Wunschliste" steht das Buckerle ganz oben. In 2019.... mit Dir als Vorsteiger ist des quasi a "Hupferl".! Oder als Überschreitung? Schau`n wir mal.
Klasse, wenn sich so ein Revivalerlebnis einstellt. Bist dabei?

georgb hat gesagt: RE:Schreit nach Wiederholung?
Gesendet am 27. August 2018 um 09:40
Bin dabei. So a "Hupferl" wirds zwar nicht, aber mit dem Orakel an der Seite kann nichts schiefgehn!?
Grüße Georg

Stephan888 hat gesagt: Abseilstelle
Gesendet am 25. Juli 2022 um 18:50
Hallo Bergteufel,
zunächst mal danke für Deine ausführlichen Beschreibungen der Routen, das hat mir schon ein paar Mal geholfen. Aber Vorsicht, bei der Hohen Gaisl ist Dir ein Fehler im Text unterlaufen, der uns bei der Besteigung ein paar unruhige Minuten beschert hat: Die Abseilstelle befindet sich nicht nach der Schlüssellänge, sondern VOR der Schlüssellänge!

Vielleicht kannst Du das beizeiten mal ändern, nicht dass noch jemand in die Irre geführt wird ;)

Liebe Grüße,
Stephan


Kommentar hinzufügen»