Plätzwiese 1991m - Der Drache oder Winter über Nacht

"Mama, schau, ein Krokodil!" hat der Sohn einer Bekannten beim Anblick der Hohen Gaisl immer gerufen. Diese Kinder, mit ihrer überbordenden Fantasie, ich seh nirgends ein Krokodil, ich seh einen Drachen ;-) Wir wollen uns den Drachen (oder das Krokodil) live ansehen und machen uns auf den Weg zur Plätzwiese, dort können wir vor Ort prüfen, wer Recht hat.
Ein Tag hat genügt, um das Pustertal von Herbst in tiefsten Winter zu verwandeln. Mit Sommerreifen ist die Auffahrt nicht mehr möglich, also parken wir am Brückele und laufen uns warm. Gipfelziele scheiden heute sowieso aus, denn die Tourenski sind uns noch zu schade und Schneeschuhe besitzen wir nicht. Also traben wir zu Fuß zum verschlossenen Gasthof Plätzwiese, drehen uns in die Sonne und denken nach.
Ich sehe eine Krokodilschnauze mit Drachenkörper, andere sehen die Hohe Gaisl. Die ersten Skifahrer kommen uns schon entgegen und zeigen stolz ihre ramponierten Beläge!? Ich brauche mehr Schneekontakt und stapfe ein Stück Richtung Dürrenstein. Es dauert ein wenig, bis ich meinen Winterwanderrhythmus gefunden habe, ich entdecke die Langsamkeit und lasse mich von dem tiefen Geläuf bremsen. Nach anderthalb Stunden bin ich nicht weit gekommen, setze mich auf einen Stein und lausche der Stille.
Kein Hauch eines Menschen, keine Spur von Gämsen. Dafür haben wohl die Pragser Jäger und die Kraxler vom nahen Klettergarten im Sommer gesorgt!? Ich sauge die Ruhe auf, lasse die tiefverschneite Winterlandschaft wirken und wurstel mich tiefenentspannt zurück zur Sonnenterrasse am Gasthof Plätzwiese. Meine Begleiterinnen dampfen schon in der Sonne, doch Kaffeeduft und Kuchen gibts erst in Olang. Also rutschen wir auf dem eisigen Asphalt zurück nach Brückele, das Krokodil und den Drachen lassen wir zurück. Doch ich ahne schon, dass ich bald mit Skischuhen zurückkommen muss, der Winter wird wohl nicht so schnell gehen, wie er gekommen ist!?