Garst‘ges Horn?


Publiziert von rojosuiza , 25. September 2014 um 20:40.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 9 September 2014
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 1800 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mund (Postauto)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Mund (Postauto)
Unterkunftmöglichkeiten:Mund

Gersthorn? – Ein Horn, wo Gerste wächst?  - Gärsthorn? - Ein Horn, wo es garstig ist, das Wetter beispielsweise?

Wozu es besteigen? – ‚Weil man es sieht!‘ – Denn man sieht es, fast jeden Tag, in strahlender Beleuchtung vom Feriendomizil  aus in Glis. Muss man da nicht einmal hinauf, oben gewesen sein, hinuntergeblickt haben?

Ambrüf, ambri ga lotze! So fasst es der Onkel 1963 zusammen, das lose Tun der Üsserschwizer, wie ich einer bin. Dem feinen Knaben kommt  hart vor, was milder Spott ist. Der Onkel arbeitet immer nur, und die Üsserschwizer haben immer nur Ferien und sind überhaupt alle Nichtstuer.  Der Onkel, der immer nur arbeitet, ist Dodi Abgottspon; er arbeitete aber in Wirklichkeit nicht nur immer, er steogt auch selber gern in die Berge: ambrüf, ambri ga lotze! es gilt auch für ihn selber. Nur begreift der Zarte Junge Selbstironie nicht.
 
Nach so vielen Ferienjahren mit dem Horn vor dem Auge soll es nun heute sein.  Es ist nicht weit. Also braucht rojosuiza sich am Vorabend gar nicht vorzubereiten. Man kann die Sache geruhsam angehen und den Rucksack bei Tageslicht packen, nach dem Frühstück.  Von einer blassen Idee kann man am nicht so frühen Morgen auch  gleich Abschied nehmen:  das Horn vom Talboden aus anzugehen. Stattdessen fährt man gemütlich im Postauto von acht Uhr nach Mund.

Man läuft durch Weiden und Gehölze, nachdem man  das Dorf Mund verlassen hat. Man weicht den  Wegen der Automenschen aus, wie es nur möglich ist, aber die Markierungen fehlen manchmal. Man hört die Stereo-Anlage eines lautstark veranlagten Menschen unterwegs, volkstümliche Tanzmusik in Turnierlautstärke!

Schliesslich verliert man sich im Horumattuwald. Die Autostrasse ist zurückgeblieben. Der Weg steigt still durch den Wald, bis man schliesslich Berg und Kapelle vor sich sieht. Man ist auf der Brischeru angekommen, die Automenschen sind auch da. Ich rede mir ein, dass der Autoverkehr eben mit dem Alpfunktion zusammenhänge und das müsse also sein. Rasch der Frau Mutter eine Kerze angezündet in der kleinen Kapelle aus dem siebzehnten Jahrhundert. Kurz den Lauf der Generationen seither überschlagen. Danach weiter, den Berg hinauf, weglos.

Von Glis aus hat der Berg einen runden Buckel und nichts ist wild und schroff. Auf diesem Buckel läuft rojosuiza nun, in weglosem Gelände. Er bückt sich regelmässig, um sich Heidelbeeren zuzuführen. Sammeln tut rojosuiza nicht, dazu ist er zu faul, aber direkt von der Hand in den Mund, dazu reicht es. Nach einigem Dahin- und Dahergestolper trifft rojosuiza in einem Felswändchen auf Mann, Frau und Hund – und die gehen auf einem Weg! Es führt ein Wanderweg aufs Horn! Obwohl die Gelbe Raute mit dem Schwarzen Band fast verschwunden ist – die Gelbe Raute bedeutet heute Wanderweg für Leute mit Kinderwagen! – ist der Weg intakt. Er führt auf der Westseite des Gärsthorns hinan, immer knapp an den schroffen Abbrüchen nach, die es hier trotz gegenteiliger Vorinformation (der Blick von Glis aus!) doch gibt.

Es zieht Nebel auf und leichter Regen setzt ein. Der Weg ist gut zu erkennen. Nur wenige Meter unter der Spitze hört er auf, in einer grossen, schräggestellten Platte, deren Furchen als Steigehilfe dienen.  rojosuiza is oben, auf dem Gästhorn, bei Kreuz und Antenne. Die Aussicht ist kümmerlich, bis auf den Blick nach Visp, der sich manchmal auftut: ein Loch im Nebel und ein überirdisch erhelltes Visp, wie im Kino! Dazu ein Blick auf den Aletschgletscher, der gerade noch zu erkennen ist in Nebel und Dunst.

Das Gärtshorn ist zweigipflig.  Den zweiten Gipfel erkunden, oder über den Kinderwagen-Weg wieder absteigen?  - Auf jeden Fall bis in die Kerbe absteigen, um zu sehen, wie leicht (oder schwer) man auf den zweiten Gipfel kommt? – Na, der böte keine Schwierigkeiten, wie sich hier unten klar zeigt, nur Höhenmeter. Man könnte hinaufsteigen, und dann etwa auf dem ganzen langen Grat (Mälchgrat) hinunter Richtung Ausserberg, nicht wahr? – Aber wenn es  auf dem Grat dann Hindernisse hätte? – So rätselt rojosuiza herum, bis er beim Erkunden so weit hinab gekommen ist, dass wieder hinaufsteigen doch etwas zu mühsam für den älteren Berghelden wäre. Also hat sich die Entscheidung selbst gefällt: Er wird hier wild absteigen, das heisst, ohne vorgezeichneten Weg,  auf den ersten Trichter unter sich zu, obwohl der Boden davon nicht ganz auszumachen ist.

Wo Boden nicht ganz auszumachen ist – der Blick auf die Karte kann auch nicht jedes Detail verraten – weiss einer nie genau, was ihn weiter unten erwartet. Hier könnte es vielleicht gehen, das Durchkommen auf die untere Ebene, aber vielleicht ist es im nächsten Trichter einfacher, oder im übernächsten? Schliesslich trifft rojosuiza fast ganz unten wieder auf Wegspuren, auf denen er  die schiefe Ebene unter sich sicher erreicht.  Er ist in der Brischerchumma, und läuft auf einem Weg hinab auf die kleine Alp, die Mälche. Da hört der Weg auf und rojosuiza quert etwas zu hoch. Es muss einen Weg nach Südost geben, nach Brischeru, die Karte lässt keinen Zweifel. Schliesslich hört er das Geläut von Kühen im Nebel, es müssen die Kühe von Brischeru sein, da es auf der Alp Mälche nur Schafe gibt. rojosuiza folgt dem Klang, Kuhgeläut um den Weg für sich nach Hause zu finden! Durch niedriges Buschwerk und Heidelbeerensträuche nach unten bis er richtig auf den versprochenen Weg trifft.

Brischeru ist halb Alp, halb Ferienhäuschchensiedlung. Ja, das braucht den Autoanschluss. Die Herrschaften, die sich zeigen, kämen ohne Automobil nimmer mehr hier herauf!

Es regnet jetzt heftiger. rojosuiza wird von innen her nass. Es wird langsam dunkel. Wann fährt das letzte Postauto in Mund, und wird es noch erreicht? - Beim Rückmarsch findet rojosuiza all die Wanderwegeteile, die er beim Hinmarsch übersehen hat - so kommt plötzliche eine ganz neue durchgehende Wanderroute zustande. Fünf Minuten vor Abfahrt ist rojosuiza zur Stelle beim Postauto, von einer Walliserin mit schwedischem Tonfall freundlich auf den direkten Weg durchs Dorf gewiesen. Schon fährt er mit seinem Postauto im Dunkeln ins hellerleuchtete Brig/Naters hinab.

Nichts Garstiges ist am Gärsthorn! - Auch ist es nass und dunkel: in rojosuiza drinnen scheint die Sonne!

T2, Exkursion T4

Tourengänger: rojosuiza


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