Eine Hikr-Erstbegehung auf das Brunegghorn? Geht das? Bevor jetzt viele mit dem Finger an die Stirn tippen und denken, der Schweizhutträger hat mal wieder zuviel Höhenluft eingeatmet...es geht wirklich!
Ausnahmsweise hat ER tatsächlich nicht Unrecht. Klar, auf dem Normalweg über den Südwestgrat ist schon viel geschrieben. Auch der Nordostgrat und sogar die Nordostwand bekamen schon die Ehre eines Hikr-Tourenberichtes. Nur der Nordwestgrat vom Bruneggjoch aus beginnend, fand bisher noch keine Erwähnung.
Schon 1997 stand ich im besagten Joch und bestieg von dort mit meinem Freund Reinhard den Nordwestgrat. In meiner Erinnerung war es eine schöne, gar nicht schwierige Tour. Ohne nennenswerte Probleme kamen wir zum Gipfel. Leider hatte ich mir damals nichts aus dieser Tour gemacht und hätte aus der Erinnerung herl aus deshalb auch keinen Tourenbericht schreiben können.
Aber wozu hat der Flachlandmensch Schweizer Freunde, die sich passenderweise für höhere Gefilde fit machen wollen. Und so war die Idee geboren, eine schöne entspannte und vor allen Dingen für das Hikr-Potal, auch neue Grattour anzugehen.
Einen ersten kleinen Dämpfer bekamen wir, als wir mit dem Auto kurz vor Oberems nicht mehr weiterfahren konnten. Eine 2 tägige Baustelle, die keinen Fahrzeugverkehr zuließ, stoppte uns per Schild und Baustelle.
Hm? Und nu...?
Aber der Pfiffikus
roger_h läßt sich nicht so einfach stoppen. Wer Lagginhorn Süd kann, der kann auch Baustelle Oberems. Wir drücken die Reset-Taste und starten ab Turtmann per Seilbahn hinauf nach Oberems. Von dort mit dem Taxi bis. zum Parkplatz Vorder Sänntum und auf eigenen Füßen zur Turtmannhütte. Schwere Geburt!.. naja günstiger war diese Variante definitiv nicht.
Abends der näxte Dämpfer. Roger interviewte den Hüttenwart bzgl. unserer Idee, über den Nordwestgrat aufzusteigen. Dieser empfahl uns besser den Nordostgrat zu begehen. "Unser" Grat wäre sehr brüchig, da käme nicht wirklich Spaß auf (O-Ton: "Aso Plaisir isch das sicher nid"). Wrumms, dass saß. Fühlte sich fast wie eine Ohrfeige an.
Leider ist der Nordostgrat mit ZS+ bewertet und genau einen Hauch über unserer Könnensgrenze. Houston konnte sich gerade auch nicht mit dem Problem beschäftigen, so mußten wir selbst eine Entscheidung treffen, und die fiel auf eben diesen Nordwestgrat. Die Hikr-Erstbegehung lockte dann doch...
Same Procedere as last time; 03.50 Uhr lalelu, 04.00 Frühstück, 04.30 los. Im Vergleich zum "urgemütlichen" Hohsaas, saßen wir diesmal aber in der guten Stube (und nicht im Treppenhaus vor dem Ausgang).
Der 1. Teil unserer Tour ist identisch mit allen anderen Wegen, ob zum Schölli-, Barr- oder Brunegghorn über den Normalweg, man muss über das Gässi hinauf bis ca auf 2900m Von dort zweigt rechts ein Weglein ab um zum Brunegggletscher zu gelangen. Als ich mit
webeBe vor ein paar Jahren auf das Brunegghorn wollte, hatten wir aber mal ganz fein diesen Abzweig verpasst und standen Stunden später auf dem Schöllihorn (siehe... http://www.hikr.org/tour/post28823.html .....)
Sowas passiert natürlich nicht, ist man mit dem GPS-Vorbild unterwegs :-)
Wir zickzackten uns schön ruhig und gleichmäßig zum Bruneggjoch. Alles war vorerst gut, nur wettertechnisch sah es anders aus, als vorhergesagt. Und unser guter Kumpel Wind, der Hausmarke ungemütlich, gesellte sich mal wieder zu uns.
Leider bekam ich meine Wanderstöcke nicht wieder klein gestellt. Sie ließen sich nicht eindrehen bzw sie ließen sich überhaupt nicht mehr drehen. Also steckte ich sie ausgestellt in den Rucksack. Dies wiederum nahm mir sämtliche Kletterfreude, denn ab sofort blieben sie an jeder nur möglichen Stelle am Felsen hängen. Teilweise verharkte ich mich so sehr, dass ich weder vorwärts noch zurück kam.
Und ja,ich habe es getan.
Später.
Mehrere Chancen ließen meine ehemaligen Wanderstöcke einfach aus, wo sie sich hätten einfach nur wieder eindrehen lassen....dies taten sie aber nicht!
Und dann musste ein Mann tun, was ein Mann auf ca. 3450m tun muss.
Ich schmiss sie einfach den Hang hinab!! (in der Hoffnung ich könnte sie auf dem Rückweg vielleicht auf dem Gletscher wieder finden... ihr seht, auch am Brunegghorn hat man manchmal Probleme genügend Sauerstoff ins Gehirn zu bekommen!)
Es war trotzdem ein befreiender und guter Moment!
Ab Bruneggjoch geht es vorerst über leichte Felsen, direkt am Grat oder seitlich etwas rechts, weiter aufwärts.
Wenn ich mich recht erinnere, begannen meine Probleme in der felsigen Steilstufe vor dem 1. Firnfeld. Trotz Fingerhandschuhe bekam ich kalte Hände... und Finger. Während ich Roger hinaufsicherte, wurde mir immer kälter. Beim Versuch nachzusteigen, hätte ich seitlich nach rechts klettern müssen. Dies ging leider nicht, weil der gute Roger mich supergut sicherte. Sprich, durch das stramme Seil kam ich nicht nach rechts.
Mein lautes Rufen fand erstmal kein Gehör.
Dauernd griff ich ausserdem in den aufliegenden Firn am Fels. Und dadurch wurden meine Finger eben kalt.
Das wiederum drückte bei mir auf den Kreislauf. Mir wurde schlicht und ergreifend schlecht!
Endlich fand mein Schreien Gehör und ich bekam die nötige "Seilfreiheit", die ich brauchte, um nach rechts zu gelangen. Keine Ahnung, wie ich dort hinauf gekommen bin. Als ich einige Zeit später Roger erreichte, war ich ziemlich angeschlagen. Schwindel hielt mich auf dem 1. Firnfeld für mehrere Minuten gefangen. Keinen Meter ging es weiter. Und so etwas ärgert mich total, hilft leider aber auch nicht weiter.
Der Schwindel hielt mehrere Minuten und ließ gottseisgetrommelt dann langsam nach. Aber von nun an war der Schweizhutträger nicht nur schneckenlangsam, sondern auch ziemlich unsicher. . Mein armer Tourenpartner mußte ihn deshalb ab sofort wie ein rohes Ei über den Nordwestgrat führen. Und es war wirklich nicht angenehm, den Vorstieg zu übernehmen. Wie uns der Hüttenwart schon prognostiziert hatte, fester, schöner Fels war an diesem Tage Mangelware.
Selbst mit strammer Sicherung fand ich den Nachstieg nicht wirklich toll. Mit absoluten Respekt zollte ich deshalb jeden Meter. Froh, nicht am scharfen Seilende hinauf gestiegen zu sein. Da hatte der Seilerste ganz großes Bergtennis gezeigt! Denn auch die Sicherungen waren nicht immer einfach zu legen. Eisschrauben kratzten unter dem Eis auf Felsen oder es gab NUR Firn und gar kein Eis... Oder es gab brüchigen Fels.. ohne Eis und Firn. Alles nicht einfach und deshalb einfach genial, was der junge Mann in diesen Stunden leistete!
Am Ausstieg galt es nochmals ganze Arbeit zu leisten. Ein paar Meter Fels hoch, dann nach links leicht hinaus in die Nordostwand und hinauf zum Gipfelfirngrat.
roger_h hatte mächtig Luft unterm Hintern; im Vorstieg kommt dann nicht immer sofort der pure Genuss auf.
Wir waren beide froh, als wir endlich das Gipfelkreuz erreichten.
Über den Südwestgrat ging es bald schon auf dem Normalweg hinab...ohne Wanderstöcke!! Sehr ungewohnt für jemanden, der seit bald 30 Jahren mit diesen Stöckchen unterwegs ist. Bis zur Turtmannhütte wusste ich dann auch genau, WARUM ich seit 30 Jahren mit Wanderstöcken unterwegs war!!
Tja, und nun hab ich DEN Punkt meines Berichtes erreicht, der am schwierigsten ist. Können wir die Route über den Nordwestgrat wirklich guten Gewissens weiter empfehlen? Vielleicht hat mein Tourenpartner ja eine gute bzw. bessere Antwort.
Meine lautet: Nein.
In den letzten 17 Jahren hat sich der Zustand des Grates doch arg verschlechtert. 1997 war es mit Sicherheit noch nicht so brüchig wie bei unserer Besteigung im August. Mehrfach hatte Roger ganze Felsgriffe in der Hand und als er einmal auf eine Steinplatte klettern wollte, löste sich diese fast komplett. Desweiteren mussten wir damals nur kurzfristig die Steigeisen anziehen, das Meiste konnten wir ohne klettern. 2014 trugen wir die Eisen bis zum Gipfel am Schuh. Schönes Klettern geht anders.
roger_hs Meinung dazu: Es wäre sicher interessant, wenn in Zukunft ein anderer hikr diese Tour bei guten bis sehr guten Bedingungen nochmals unternehmen würde. Bei unserer Tour war der pulvrige, kaum gesetzte Neuschnee auf den Felsen in Kombination mit den äusserst brüchigen Felsen absolut keine Freude. Ich bin mir jedoch auch nicht sicher, ob wir bei den drei Fels-Steilstufen immer die beste Route gefunden haben. Eine Empfehlung für diese Tour möchte ich nicht abgeben, davon abraten jedoch auch nicht. Für mich persönlich lautet das Fazit "einmal und nie wieder" und dass Hüttenwarte (v.a. wenn sie wie im Fall von Fredy Tscherrig noch Bergführer sind) meistens recht haben.
Routenbeschreibung:
Eigentlich ist der Weg bis zum Brunegggletscher schon mehrfach beschrieben. Deshalb hier nur in Kurzform.
Von der Turtmannhütte auf einem Weg durch das Couloir (Gässi genannt; es hat ein paar seilgesicherte Stellen) zum von der Hütte aus sichtbaren großen Steinmann. Weiter über ein Weglein zur alten rechten Seitenmoräne des Brunegggletschers.. Wie oben schon erwähnt gilt es auf ca. 2900m den passenden Abzweig nach rechts über eine Geröllmulde zu finden. Am Abzweiger steht wiederum ein ziemlich grosser Steinmann. Auch hier gibt es ein Weglein, welches aber nicht immer deutlich zu erkennen ist. An einem Felskopf vorbei gelangt man zum Brunegggletscher.
Auf diesem an der Flanke des Schöllihorns entlang bis man bei ca 3280m leicht links hinauf zum Bruneggjoch kommt. Hier muss man unter Umständen ein oder 2 Randspalten überwinden, was bei uns jedoch nicht der Fall war.
Ab Bruneggjoch ist der Grat zunäxt ein breiter, recht flacher Felsrücken, der sich aber zunehmend aufsteilt und kurz vor dem 1. Firnfeld mit einem kleinen Felsriegel aufwartet. Nach Überwindung der Felsen geht es über das kleine Firnfeld zum folgenden Felsriegel. Wir hatten uns nahe der Gratschneide einen Weg gesucht. Ob dies tatsächlich auch der optimale Durchschlupf war, können nachfolgende Seilschaften vielleicht mal beurteilen?!
Danach gibt es zur Abwechslung wieder ein kleines, diesmal etwas steileres Firnfeld, welches zum letzten Felsriegel führt. Wir stiegen dort kurz unterhalb des Gipfelfirngrates nach links zum Rand der Nordostwand und von dort auf den Grat. Unschwer danach in wenigen Minuten zum Gipfelkreuz.
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