Habicht (3277m) - auf den Hoger bei Nebel und (Schnee-)regen


Publiziert von Kris , 9. September 2014 um 18:36.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Stubaier Alpen
Tour Datum:27 August 2014
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   A-T 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 900 m
Strecke:Karalm - Innsbrucker Hütte - Habichtferner - Habicht - retour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Linientaxi zur Karalm (9 Uhr ab Neustift - Neder)
Unterkunftmöglichkeiten:Innsbrucker Hütte
Kartennummer:zB DAV Innsbrucker Berge

Endlich geht es mal wieder ins Stubai, immerhin sind seit dem letzten Besuch 6 Jahre vergangen. Diesmal soll es den populären Hüttenweg entlanggehen - den Stubaier Höhenweg. Dieser gilt als schwierig und lang, es gibt viele gesicherte Passagen aber ebenso viele Möglichkeiten auf optionale Gipfel. Für meine Begleiterin Franzi ist es die erste Bergfahrt - umso aufgeregter sehnt sie sich also den ersten Aufstiegen entgegen.

Karalm - Innsbrucker Hütte - 600hm, T2 - 2h


Wir gehen den Weg in umgekehrter Richtung, das heißt wir starten an der Innsbrucker Hütte. Nach einer  erholsamen Übernachtung in Neder starten wir 9.00 Uhr in Neder an der Bushaltestelle. Hier startet das Linientaxi ins Pinnistal. Damit ersparen wir uns etwa 2-3h Hatschen bis zur Karalm, schwer bepackt dazu. Der Preis geht mit 12 € p P noch in Ordnung. Eine andere Möglichkeit, abzukürzen, gibt es nicht. Das Wetter ist leider weniger vielversprechend, somit starten wir auf 1750m Seehöhe in leichtem Regen. Der Hüttenweg zur Innsbrucker Hütte ist gut ausgebaut und scheinbar relativ neu angelegt, alte Weganlagen lässt man einige Male links liegen. Ausgeschildert sind 2h für die ca. 600hm Aufstieg, was wir etwas unterbieten. Dabei sind nur die letzten, erdigen Meter etwas steiler, ansonsten bewegt sich der Aufstieg eher im T1-Bereich.


Innsbrucker Hütte - Habicht 900hm, T4+ L, I - 4h

Auf der Hütte angekommen, erhalten wir wider Erwarten ein Doppelzimmer, obwohl wir ein Mehrbettzimmer gebucht haben - da dies ohne Mehraufpreis geschieht, freuen wir uns und beziehen erst einmal das Quartier. Ursprünglich war es von mir geplant, am Anreisetag noch die Ilmspitze über den Klettersteig zu besteigen. Das Wetter macht mir allerdings einen Strich durch die Rechnung, die nassen Felsen erscheinen mir deutlich zu heikel. Allerdings ist für den nächsten Tag bestes Wetter angesagt, daher tausche ich meine Pläne für Anreise- und Folgetag und will den - einfacheren - Habicht im Schlechtwetter besteigen um die Ilmspitze im guten Wetter anzugehen. In den von mir konsultierten Berichten bewegen sich die Schwierigkeiten am Habicht zwischen T3+ und T4-, also kein Problem. Ich packe mir für den kurzen Gletscherabschnitt vorsichtshalber Pickel und Steigeisen ein und verlasse gegen Mittag die Hütte. Das KS-Set lasse ich allerdings dabei im Zimmer, was ich noch bereuen werde.

Franzi möchte mich noch kurz begleiten, hat aber mit ihren neuen Bergschuhen schon jetzt Blasen. Das nasse, aber alpine Gelände ist ohne nichts für Beginner, sodass sie kurz nach Start zurückkehrt. Ich fühle mich gut und komme schnell voran - die ersten Meter gehen mäßig steil und über geschliffenen Fels in die Höhe bis zu einer Linkskurve. Hier werden erstmals Abbruchkanten sichtbar, die der Nebel schnell verschlingt. Nun folgt man dem gut markierten und ausgetretenen Pfad bis zu einer etwas steileren Geröllflanke (T3). Diese erklimmt man auf leichtem Blockwerk. Nun wird es anspruchsvoller und ausgesetzter, die ersten Kraxelstellen warten, die bei Nässe guten Tritt benötigen. Man schreitet bereits am zweiten Gedenkschild für einen Berggänger vorbei - es sollen nicht die letzten bleiben... allerdings bewegen sich die Schwierigkeiten kaum im ersten Grad. 

Warum dann die vielen Schilder? Der Berg ist nicht nur sehr auffällig, wuchtig und hoch. Dafür ist er umso mehr noch ziemlich einfach. Allerdings heißt einfach in diesem Zusammenhang, dass immer noch alpine Erfahrung vorausgesetzt wird. Allzu viele unsichere Geher werden dadurch angezogen wie magisch, ich durfte es am nächsten Tag selbst beobachten. Viele drehten bereits bei den ersten Schwierigkeiten um, so viele wie ich es noch nicht gesehen habe in meiner bisherigen "Bergkarriere". Sicherlich vernünftig, zeigt aber, dass der Berg unterschätzt wird. Manche sind nicht so vernünftig - und müssen es leider teilweise teuer bezahlen. Ein Tourenführer, den ich später in einer Hütte lese, umschreibt das etwa so:

"Der Habicht sollte nur von erfahrenen Berggängern bei besten Verhältnissen angegangen werden". 

Ich halte mich in diesem Falle nicht daran, fühle mich der Aufgabe aber gewachsen und mich selbst sicher. (war ich es wirklich? ein Ausrutscher kann immer passieren) Was folgt, ist dennoch der Grund des Bereuens aufgrund des fehlenden KS-Sets. Die erste Drahtseilpassage ist anspruchsvoller als gedacht. Es geht teils steil hinauf, eine Sicherung an einem (wie immer wichtigen) Punkt ist herausgerissen und baumelt locker umher. Dazu kommt eine fast senkrechte, tritt- und griffarme Passage, die man sich hochwuchten muss. Mit Reibung ist am klitschnassen Fels leider nicht viel zu machen. Im Ganzen belaufen sich die Schwierigkeiten etwa im A/B bzw. unterem B- Bereich der Hüsler-KS-Skala. Ungesichert für sichere Geher locker machbar, aber bei Nässe nicht unbedingt zu empfehlen. Sicherheit geht vor. Was folgt, sind unübersichtliche, grasige Meter. Es sollte einen die Flanke nach rechts oben ziehen, nicht geradeaus nach Ende des Drahtseils. Die dort wartende Passage habe ich fast im Abstieg gewählt und empfand sie als so gruselig, dass ich sie nicht gegangen bin. Bald geht das grasige ins blockig-schottrige, aber auch erdig-rutschige über und leitet geradeweg zur zweiten Versicherungspassage. Nach einer kurzen, steilen Erdrinne quert man auf kleinen Tritten zum Drahtseil nach rechts hinüber (I). Dieses folgt der Querung, bis es in die plattige, obere Flanke abdreht. Auch hier muss noch einmal kräftiger angepackt werden. Selten erleichtern künstliche Tritte das Geschehen. Aufgrund der Nässe ist diese Passage unangenehm und ich bewerte sie dementsprechend höher, als sie eigentlich ist (T4+). Gerade die finale Querung der Flanke an deren Ende ist ausgesetzt. Ein kräftiger Griff ins Seil hilft hier ungemein.

Der Pfad quert nun unterhalb des Vorgipfels schmal entlang, bevor er nach einer Weile nach links wechselt. Hier ähnelt der Aufstieg eher einem (sehr) breiten Blockgrat. Zumindest erscheint es mir im Nebel so - ich sehe ja leider nicht viel außer der nächsten oder (vielleicht) übernächsten Markierung. Hier kommt mir eine Gruppe Männer entgegen, die einzigen Menschen die ich treffe bei meiner Besteigung. Sie haben alle ein KS-Set an(!). Ich sehe sie allerdings nicht im Gipfelbuch (umgedreht oder nicht eingetragen? ich werde es nicht erfahren). Ich bin bereits erschöpft und wähne mich in der Nähe des Gipfels .. (?) .. immerhin der Gletscher muss doch langsam kommen! Die Höhenmeter ziehen sich schleppend dahin - ich merke die Höhe eindeutig! Immerhin bin ich innerhalb von einem Tag von 30m üNN auf über 3000m "gejettet".  So werde ich immer langsamer und muss immer wieder kurz verschnaufen. (daher auch die lange Besteigungszeit). Eigentlich habe ich versprochen, spätestens 18 Uhr wieder da zu sein, doch das scheint bereits jetzt illusorisch. Um 19 Uhr will ich mich spätestens melden, um zu signalisieren, dass alles okay ist. Wie bereits beschrieben, wäre ich ja nicht der Erste, der.. naja! 

Nach gefühlt endlosen Minuten erreiche ich doch das Plateau des Gletschers. Dieser gilt als spaltenfrei und fast eben. Ich erkenne klare Fußspuren und entscheide mich für die Überquerung als Abkürzung. Die zweite Variante geht (markiert) über die Felsen außen herum. Empfehlenswert bspw. bei Vereisung ohne Steigeisen. Ich bin allerdings auf alles vorbereitet (Steigeisen/Eispickel), wovon ich nur letzteren auspacke. Nach etwa 5 Minuten ist die Überquerung schon Geschichte (L) und auf glatten Felsen versuche ich die Markierungen wieder zu finden - gar nicht so einfach im Nebel! In der folgenden, finalen Schuttpartie bleiben die Markierungen spärlich und sind vor allem von oben im Abstieg gut zu erkennen. Daher wandele ich erst einmal den logischen Wegverlauf entlang und treffe wieder auf die rot-weißen Lenker. Ich denke immer wieder, jetzt muss doch langsam der finale drahtseilgesicherte Aufstieg zum Gipfelkreuz kommen, doch weit gefehlt. Es zieht sich (extra, da ich ja besonders langsam unterwegs bin). 

Doch dann zeigt es sich - das Gipfelkreuz! Allerdings hat es nun leicht angefangen zu schneien. Was für .. besondere Verhältnisse! .. Die letzte Drahtseilpassage ist dann noch einmal etwas ausgesetzter, aber unschwierig. Wer bis dort gekommen ist, schafft auch den Rest - die Auslese findet wohl eher im unteren Bereich an den ersten Passagen statt. So schleiche ich maximal im ersten Grad nach oben und so stehe ich dann spät - gegen 16:15 - nach fast 4 (!) Stunden am Gupfel des Habichts. Es ist bitterkalt, die Sicht tendiert gegen Null. Am Kreuz zeigen sich gefrorene Dornkranzfiguren (siehe Bilder.) Kein Platz zum Verweilen. Daher Fotos machen, einen Schluck trinken, Handschuhe an und hinunter gehts! 


Habicht - Innsbrucker Hütte, 900hm, T4+ L, I - 3h

Nach dem vorsichtigen Absteigen der ersten, ausgesetzteren Passage geht es nun etwas schneller bergab. Zumal wie bereits angedeutet die Markierungen besser sichtbar durch den Nebel wabern. In einem kleinen Bogen gehe ich zurück auf den Ferner und die Flanke hinunter. Die beiden Drahtseilpassagen sind bergab noch einmal eine andere Nummer bei der Nässe und so steige ich extrem vorsichtig ab. Die Zeit tickt weiter und so wird es immer später. Kurz zeigt sich dabei die andere Gschnitzer Talseite mit den Tribulaunen. Es bleibt allerdings nur ein kurzer Aufriss - sonst schneit es beziehungsweise weiter unten regnet es aus einem Guss. Gerade die erste Drahtseilpassage (mit der einem Umgehung der Gruselpassage vorher) verlangt noch einmal alles ab, bevor der Rest dann "standardmäßiges Abarbeiten" ist. Die Fußsohlen brennen mittlerweile ordentlich, müssen sich erst einmal wieder an das ungewohnte Terrain gewöhnen. Aufgrund der Nässe muss ich immer wieder an den glatten Felsen inne halten, aufpassen das ich nicht rutsche und dämlich aufschlage, auch wenn es nicht mehr ausgesetzt ist. Der Regen wird gegen Ende hin immer stärker und mein innerliches Fluchen wird immer stärker bis ich dann - endlich - deutlich nach 19 Uhr (mit Meldung bei Franzi, die allerdings leider nicht ankam) durchnässt an der Hütte ankam. Durchnässt ist dabei ernst gemeint, ich hatte keinen trockenen Fleck mehr am Körper. Dennoch ging eine Traumtour von mir in Erfüllung, auch wenn ich sie mir immer anders im Kopf ausgemalt hatte..

Eine Traumtour, die bei Nässe nur bedingt weiterempfohlen werden kann. Einige Passagen sind etwas heikel, ohne Sicherung ohnehin. Die Sicht dieses supertollen Aussichtsgipfel sollte man sich eigentlich auch nicht entgehen lassen! Und zu guter letzt macht es einfach nicht so viel Spaß, den abwechslungsreichen An- und Abstieg in Anlauf zu nehmen. Falls man kann, lohnt es sich also, auf Gutwetter zu warten und meinem Beispiel nicht zu folgen. Alles in allem nochmal ein Hinweis an die unerfahrenen Berggänger. Der Habicht ist zwar ein - relativ-  einfacher 3000er mit Weg, sollte aber nicht unterschätzt werden. Es gibt Passagen mit akuter Absturzgefahr - man bewegt sich durchweg im hochalpinen Terrain. Bitte schätzt euch realistisch ein, damit nicht noch mehr Gedenkstätten als bereits ohnehin den Aufstieg zieren. Das es viele versuchen, sah ich ja "hautnah" am nächsten Tag auf dem Weg zur Bremer Hütte. Zur Bewertung: Eigentlich ist der Habicht realistisch bewertet mit T4-/T4, L, I. Ich bewerte nach oben aufgrund der angetroffenen Verhältnisse auf T4+.


KONDITION 4/5
ORIENTIERUNG 3/5
TECHNIK 3/5
EXPONIERTHEIT 2,5/5

Tourengänger: Kris


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