Großglockner, 3798 m - reine Nervensache [Euro Summits]


Publiziert von sqplayer , 5. September 2014 um 19:45.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Glocknergruppe
Tour Datum:25 August 2014
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   A-T   A-K 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 1800 m
Strecke:ca. 16 km

Nun wurde es also ernst. Nach meinen Akklimatisationstouren zum Spielmann und Hochschober sollte es nun auf das Dach von Österreich gehen. Fest hatte ich mir vorgenommen, für mein Euro Summits-Projekt dieses Jahr den Glockner zu machen.

***

1. Tag: Zur Stüdlhütte
Als ich am Parkplatz am Lucknerhaus ankam, hatte sich Meister Glockner gerade einmal wieder mit einem geheimnisvollen, halbdurchsichtigen Wolkenumhang umgeben, der sanfte seine mächtigen Flanken umspielte. Ganz langsam ging ich mit meinem tonnenschweren Rucksack, von dem mein Bergführer später die Hälfte wieder auspacken würde :-) Richtung Stüdlhütte. Zunächst ging es über den bekannten Fahrweg zur Lucknerhütte und danach über einen sehr guten Steig über Gras- und schließlich Geröllhänge in knapp zwei Stunden zur Stüdlhütte, 2801 m. Das Wetter war noch gut und bereits hier war die Aussicht super. In der Hütte traf ich Harris, einen griechischen Bergsteiger, der schonmal in Deutschland gearbeitet hatte und so sehr gut deutsch sprach. Den Abend würden wir uns nett unterhalten. Am Nachmittag genehmigte ich mir ein Stück Pflaumenkuchen und abends gab es zu meinem Erstaunen ein richtiges Büffet mit Vorsuppe, Hauptspeise und Nachtisch. Bei mir ist es immer so, wenn ich das erste mal auf über 2500 m auf eine Hütte aufsteige, ist mir erstmal etwas übel und das Herz geht schneller. Ich hatte deshalb nicht allzu viel Appetit. Fast schon kam mir das Buffet für eine Berghütte auch etwas "zu viel" vor, schließlich will man ja auch ein bisschen den rustikalen Charme genießen und wohnt nicht im Luxushotel.

2. Tag: Zur Erzherzog-Johann-Hütte
Nach einer Nacht mit etwas Übelkeit und Herzklopfen war ich nicht sicher, ob ich für die morgige Glocknerbesteigung überhaupt bereit war. Während die meisten schon um 4 Uhr morgens im wilden Flackern der Stirnlampen ihre Rucksäcke packten für eine direkte Glocknerbesteigung, war ich ganz froh, erst um 12 meinen Bergführer zu treffen. Ich blieb also noch liegen, stand später auf und ging nach dem Frühstück auf die Blaue Wand, den kleinen Hüttenberg. Mir war immer noch etwas komisch zumute. Mit meinem Bergführer, den ich um 12 traf, besprach ich, dass wir es zunächst einmal langsam versuchen würden mit dem Aufstieg zur Erzherzog-Johann-Hütte. Mittlerweile fühlte ich mich auch schon wieder ganz gut. Vielleicht spielten mir meine Nerven auch einen Streich, da ich mir nicht sicher war, ob ich dem Glockner gewachsen bin, der sich da im Nebelgewand versteckte.

Um 13 Uhr gingen wir langsam los Richtung Ködnitzkees. Mein Puls war gut, ich bekam gut Luft, anscheinend hatte sich der Körper jetzt angepasst an die Höhe. Leider war es sehr bewölkt und der Glockner war nicht zu sehen. Nach ca. 30 Minuten erreichten wir die ersten Schneefelder, gingen zunächst aber ohne Steigeisen. Als der "richtige" Gletscher begann, seilten wir uns an. Mein Bergführer ging vor mir, die Sichtweite betrug ca. 10 Meter. Ich erahnte den mächtigen Berg hinter den Wolken, an dessen Fuß wir  wie kleine Ameisen den Gletscher hochschlichen.

Nach einer guten Stunde erreichten wir den Gletscherrand und gingen auf einer guten Schneebrücke über die ca. 1 m breite Randkluft. Jetzt heiß es Steigeisen anlegen, denn nun begann der zugeschneite Steig zur Erzherzog-Johann-Hütte. Erstmal ging es steil an Drahtseilen hoch und wurde dann etwas flacher. Es war ziemlich kalt, man sah nichts und an den Drahtsteilen hangelten wir uns empor. Zum Schluss wurde es nochmal steiler und die Luft wurde allmählich doch recht dünn. Obwohl ich gut trainiert war, erreichten ich keuchend nach insgesamt ca. 2 Stunden die Erzherzog-Johann-Hütte auf 3450 m.

Nach einem Stück Kuchen und einem Tee bezog ich erstmal mein Quartier im kalten Lager und legte mich bis zum Abendessen erstmal hin. So richtig schlafen konnte ich bei der Kälte aber nicht, obwohl ich unter zwei Wolldecken lag.

Abends gab es dann ein 3-Gänge-Abendessen: als Vorspeise eine Suppe, dann Gulasch und danach noch etwas Obst. Das Essen war echt super. Inzwischen fühlte ich mich trotz meiner vorherigen Probleme ziemlich gut akklimatisiert und hatte richtig Appetit. Während in der Nacht nicht wenige in meinem Lager nicht schlafen konnten, nach Luft rangen oder Durchfall hatten, döste ich wie ein Baby vor mich hin. Daher empfehle ich jedem, erstmal eine Nacht in der Stüdlhütte zu übernachten, so geht man auf Nummer sicher.

3. Tag: Zum Gipfel
In der Nacht fuhren immer wieder Sturmböen ungestüm um die Hütte und ich dachte, gleich wird sie mitgerissen und fliegt davon, aber sie hielt. Zum Glück war es im Lager wärmer mit den ganzen Leuten im Raum und ich hatte nicht gefroren.

Aufstehen war um 5:15 angesagt, Frühstück um 5:30, Abmarsch war dann um kurz nach sechs. Kaum trat ich durch die Tür nach draußen, wehte sah ich mich von Schneewehen und Eiszapfen umgeben, ein eisiger Wind wehte teilweise in sturmartigen Böen. ich dachte, nun wäre der Moment, wo der Bergführer sagt: "Tja mein Junge, bei dem Wetter geht es leider nicht, tut mir leid!". Doch zu meinem Erstaunen sagte er: "Aufi gehts, Malte! AUFI! JUHUUUUU!" und er wieherte wie ein Pferd und scharrte mit den Steigeisen im Schnee. Oh man, wo war ich hier gelandet, in 3500 m einem durchgeknallten Bergführer ausgeliefert :-) Spaß...er war echt ein Supertyp, der mir mit Humor meine Angst nahm. Einen besseren Bergführer hätte ich mir nicht wünschen können.

Wir setzten uns in Bewegung und waren wenige Meter nach der Hütte im Whiteout verschwunden. Im Prinzip sah ich gar nichts mehr, nur weiß und gelegentlch die Schemen einiger Felsen. Das wurde ja eine super Großglockner-Besteigung!

Zunächst ging es gemächlich bergan und bald gingen wir in Serpentinen den zum Glück eingeschneiten Eishang hoch. Man sah nichts, aber wir folgten einfach der Spur und mein Bergführer konnte die Route eh im Schlaf (hoffte ich :-)).

Bald gerieten wir ins Eisleitl, dass auch komplett schneebedeckt war. Hier wurde es nochmal deutlich steiler, aber der Schnee hielt uns gut.

Am oberen Ende des Leitls ging es dann in die Felsen. Dieser Part ist aus meiner Sicht mit am heikelsten, denn der SO-Grat zum Kleinglockner ist sehr steil. Ab jetzt waren keine Fehler mehr erlaubt. Im Nebel sah ich die Steilheit und ich zog mich an den teilweise vereisten Griffen der Felsen hinauf. Die Luft wurde jetzt extrem dünn, da half auch alle Akklimatisation und Training nichts mehr.

Keuchend erreichten wir den Gipfelgrat des Kleinglockner. Richtung Heiligenblut fiel der Berg senkrecht ab in die Nebelsuppe und auf unserer Seite mit gefühlten 60 Grad. Eine zierliche schmale Spur lief über den Grat, links und rechts ging es hunderte Meter runter. ich fühlte mich wie ein Seiltänzer ohne Sicherung, aber zum Glück hatte ich ja den Führer, der sicherlich auf der anderen Seite in den Abgrund springen würde, wenn ich auf der einen Seite abstürze und dann würden wir jeder auf einer Seite des Grates am Seil hängen :-) Aber weg mit den düsteren Phantasien! Mein Bergführer erinnerte mich höflich daran, wenn man meint am Ende zu sein, man erst 67% seiner Reserven verbraucht hat :-)

In Minischritten setzte ich zaghaft einen Fuß vor den anderen und er befahl mir, mich auf seinen Rucksack zu konzentrieren. Ich konnte aber nicht anders und schaute gelgentlich in den gähnenden Abgrund! Das fiese am Kleinglockner-Grat ist, dass man an einer Stelle einen kleinen Felsen hinabklettern muss, und zwar genau an der Kante. Und dann bei den verschneiten Felsen, wo man nicht so einen guten Griff hat. Reiß dich zusammen, sagte ich mir! Mit entsprechender Vorsicht war die Stelle gemeistert.

Dann ging es hinab in die Glocknerscharte. Dieser Part erschien mir im Vergleich zum Kleinglocker-Aufstieg und -Grat eher lächerlich, man muss einfach nur am Drahtsteil ein paar Felsstufen hinuntergehen. Durch den Nebel sah ich ja zum Glück nicht, wie weit es runterging.

Die Querung der Glocknerscharte forderte dann nochmal volle Konzentration. Der kleine Schneesteg war vielleicht gerade mal 50 cm breit.

Jetzt kam noch eine unangenehme Stelle. Direkt nach der Scharte ist eine etwas steilere Felspartie zu erklettern und mit Steigeisen und Schnee muss man erstmal die richtigen Tritte und Griffe finden, die auch nicht allzu groß sind. Unter sich hat man dabei stets die Scharte mit den beiden Rinnen, von denen mein Bergführer scherzhaft sagte, dass wir sie im Abstieg nehmen würden :-) Zum Glück sicherte er mich ja die ganze Zeit, teilweise an Stangen, teilweise normal. Mir war nicht ganz klar, ob ich ihn im schlimmsten Fall nicht mitreißen würde bei der rutschigen Kletterei auf den Felsen.

Nach dieser Schüsselstelle wurde es überraschend einfach und nur noch ein paar Höhenmeter später sah ich im Nebel das Gipfelkreuz des Großglockner, 3798 m auftauchen. Ganz im Ernst, in dem Moment konnte ich mich noch nicht richtig freuen, weil ich in meinen Horrorphantasien schon wieder beim Abstieg war :-)

Nach einigen Gipfelfotos und einer kurzen Pause ging es wegen der leichten Minusgrade dann schnell wieder abwärts, wobei mir die Schlüsselstelle im Abstieg auch nicht leichter erschien! Auch der Kleinglockner-Abstieg war von oben gesehen krass steil und ich hielt mich zusätzlich an Felsgriffen fest, wo immer es ging.

Zurück in der Hütte war ich wie benebelt von der ganzen Aufregung und wir genehmigten uns erstmal ein Stück Kuchen. Dann ging es über den Felsgrat an Stahlseilen in ca. 30 Minuten zurück zum Gletscher und ab hier in ca. 2,5 Stunden wieder zum Parkplatz Lucknerhaus. Auf der Stüdlhütte machten wir kurz halt und ich bezahlte den Bergführer bei einem Skiwasser (nichts ist erfrischender in den Bergen!).

***

Fazit: Die Großglockner-Besteigung ist technisch für einen geübten Wanderer, der etwas Klettern kann, mit Bergführer gut machbar, aber eben nicht ungefährlich. Ab der Kletterei am Kleinglockner ist es sehr ausgesetztBei Schnee fand ich es heikel, dass die Griffe an den Felsen etwas rutschig waren. Andererseits kam man durch den Schnee sehr gut das Eisleitl hoch. Ansonsten eine super Kombination aus einfacher Kletterei, Gletscher und Wanderung.

Tourengänger: sqplayer


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Kommentare (2)


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Sputnik Pro hat gesagt: TOP OF AUSTRIA
Gesendet am 6. September 2014 um 20:04
Ich gratuliere dir zum Gipfelerfolg bei eher typisch für dieses Jahr schlechte Bedingung.

Gruss, Andi

sqplayer hat gesagt:
Gesendet am 7. September 2014 um 22:20
Danke! Ja leider war es dieses Jahr quasi Russisch Roulette und der Bergführer und die Hütten waren gebucht, aber ist ja auch mal interessant so eine Winterbesteigung :-)

Gruß Malte


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