Überschreitung Tödi (3614m) in einem Tag
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Seit mir mein Onkel auf einer meiner ersten Skitouren von seinen Tagesbegehungen am Tödi erzählt hat, bin ich Feuer und Flamme für dieses Projekt. Nun, drei Jahre sowie grosse Fortschritte in Technik und Kondition später, ist es soweit. Stabilen Wetter- und Lawinenverhältnissen sei dank kann ich mir den Traum Tödi bereits in der ersten Märzhälfte erfüllen.
Von den hochalpinen Gefahren abgesehen dreht sich bei einer Tagestour auf den Tödi alles um die Kondition. Ab Tierfehd sind über 2800 Höhenmeter zurückzulegen. Selbst gut trainierte Hobbytürler müssen mit 7 bis 8 Stunden Aufstieg rechnen. Wobei, schneller geht immer: Der bekannte Skibergsteiger Rico Elmer beispielsweise legte die Strecke auch schon in 3:05 zurück... Trotz den konditionellen Anforderungen wird die Tour erstaunlich oft in Angriff genommen. Das liegt einerseits am Mythos Tödi, anderseits lockt das happige Pensum zahlreiche PdG-Aspiranten an, so auch heute.
Eines war mir immer klar: Wenn ich mir einen solchen Aufstieg schon zumute, dann soll daraus gleich ein schönes Überschreitungsprojekt werden. Heute der goldrichtige Entscheid, denn die rauhe, harte Abfahrt zurück ins Tierfehd versprach kaum Genuss. Auf dem wenig bekannten 1000m (!) Hang Richtung Surselva hingegen fanden wir beste Sulzverhältnisse vor. Kleiner Wermutstropfen: die abschliessende Stöckelei durchs idyllische, aber elend lange Val Russein.
Komatöses Aufstehen um 0:15, um im Tierfehd (805m) Punkt 2:25 loszumarschieren. Gleichzeitig startet eine Handvoll Skitourenrennläufer in ihren hautengen Dresses, fortan "Gwändlis" genannt... Dank der frühen Zeit im Jahr kommen wir mit kurzen Tragepasagen durch. Über die lange Flachetappe bis Hinter Sand (1300m) gibt es wenig zu berichten. Ab hier dürfen endlich Höhenmeter vernichtet werden. Die Traverse durch rauhe Steilhänge, insbesondere bei Tentiwang, bereitet wenig Freude. Ich bin froh, hier nicht wieder abfahren zu müssen.
Ein komfortables Schneeband führt durch den ersten Abbruch, gleichzeitig erwacht der Tag und gibt den Blick frei aufs Tödi-Massiv. Der zweite Abbruch ist fast gänzlich ausgeapert und kaum zu begehen. Problemlos steigen wir mit Steigeisen die Schneerus hoch. Auch hier vergisse ich keine Tränen, weil ich das enge Couloir später nicht abrutschen "darf". Gleich nach dem Ausstieg überholen uns vier Muotathaler Gwändlis. Einer muss wenig später erschöpft aufgeben. Auch bei mir machen sich nach dem steilen Fussaufstieg erste Anzeichen der Erschöpfung bemerkbar. Freude bereitet hingegen die hochalpine Gletscherarena - umrahmt von Bifertenstock, Piz Urlaun und Gliemspforte -, welche just in diesem Moment von der Sonne wachgeküsst wird.
Das Ziel ist bald in Sichtweite, mag aber nicht recht näherkommen. Der Schlussaufstieg in den Sattel kurz vor dem Gipfel zerrt an den letzten Kräften, besser wir hätten vorher noch die Harsteisen montiert. Auf dem Tödi (3614m) sind die Strapazen dann vorübergehend vergessen. Es weht kaum ein Lüftchen, das Panorama lässt keine Wünsche offen. Bei den Vorbereitungen zur Abfahrt kreuzen wir Hans Rauner von der Planurahütte, inklusive Rückweg ebenfalls eine happige Tour mit über 2500Hm. Er bestätigt unsere Vorfreude auf den 1000m Hang. Hinter ihm folgt eine zweite Türlerwelle, dieses Mal ausschliesslich aus der Kategorie "Hobby".
Wir fahren ab bis auf 3200m, von hier nochmals kurzer Aufstieg in die Gliemspforte (3260m), dem Übergang vom Glarner- ins Bündnerland. Leider liegt im Steilhang (bis 40°, südexponiert) zu wenig Schnee, als man ihn abrutschen könnte. Deshalb müssen wir rückwärts mit Steigeisen und Pickel absteigen. Für mich die heikelste Stelle des Tages und äusserst kräfteraubend, physisch und psychisch. Dort wo die Kette freiliegt hingegen absolut problemlos. Vorsicht bei weichem Frühlingsschnee im unteren Bereich, dort beginnt die Spaltenzone. Als ich mich wieder auf den Skiern einrichte, öffnet sich gleich neben mir ein Schlund – unheimlich.
Drei Minuten später stehen wir bereits im Durchschlupf P. 2996 und blicken 1000m ins Val Russein runter. Yeah! Alternativ liesse sich auch über R. 219b in die Surselva abfahren, doch diese Route ist komplett südexponiert und sehr früh nassschneelawinengefährdet. Unser 1000m Westhang hingegen wird später eingesonnt. Die obersten Meter sind eng und steil, vorübergehend erreicht man 35-38°. Bald läuft das Gelände aber in sanft geneigte, breite Traumhänge aus. Während sich Ueli eher an die härteren Bereiche im Süden hält, folge ich konsequent dem Sulz auf der Nordseite: butterweich zu fahren, selbst mit meinen erschöpften Beinen Genuss pur. Irgendwann findet jeder Traum ein Ende, in diesem Fall im Val Russein.
Der Führer schweigt sich zum Thema geflissentlich aus, doch das idyllische, einsame Tal ist lang, sehr lang. Und flach, sehr flach. Mit schnellem Schnee käme man knapp durch, doch wann findet man den im Frühjahr um diese Zeit, auf dieser Höhe, in dieser Exposition!? So durchstöckeln wir sicher einen Drittel des Tals, bis unterhalb von Barcuns Dado schliesslich der Schnee ausgeht. Gut zehn Minuten später erreichen wir Punt Grondo (1032m) an der Hauptstrasse nach Disentis. Wir ziehen das Taxi dem 30-minütigen Fussmarsch nach Sumvitg-Cumpadials vor. Beim ÖV-Weltreislein zurück nach Schwanden verbleibt genügend Zeit, die Beine hochzulagern und das Erlebte zu verdauen.
Tour mit Ueli
Zeiten
7:30 Tödi
3:00 Punt Grondo (Sumvitg)
Von den hochalpinen Gefahren abgesehen dreht sich bei einer Tagestour auf den Tödi alles um die Kondition. Ab Tierfehd sind über 2800 Höhenmeter zurückzulegen. Selbst gut trainierte Hobbytürler müssen mit 7 bis 8 Stunden Aufstieg rechnen. Wobei, schneller geht immer: Der bekannte Skibergsteiger Rico Elmer beispielsweise legte die Strecke auch schon in 3:05 zurück... Trotz den konditionellen Anforderungen wird die Tour erstaunlich oft in Angriff genommen. Das liegt einerseits am Mythos Tödi, anderseits lockt das happige Pensum zahlreiche PdG-Aspiranten an, so auch heute.
Eines war mir immer klar: Wenn ich mir einen solchen Aufstieg schon zumute, dann soll daraus gleich ein schönes Überschreitungsprojekt werden. Heute der goldrichtige Entscheid, denn die rauhe, harte Abfahrt zurück ins Tierfehd versprach kaum Genuss. Auf dem wenig bekannten 1000m (!) Hang Richtung Surselva hingegen fanden wir beste Sulzverhältnisse vor. Kleiner Wermutstropfen: die abschliessende Stöckelei durchs idyllische, aber elend lange Val Russein.
Komatöses Aufstehen um 0:15, um im Tierfehd (805m) Punkt 2:25 loszumarschieren. Gleichzeitig startet eine Handvoll Skitourenrennläufer in ihren hautengen Dresses, fortan "Gwändlis" genannt... Dank der frühen Zeit im Jahr kommen wir mit kurzen Tragepasagen durch. Über die lange Flachetappe bis Hinter Sand (1300m) gibt es wenig zu berichten. Ab hier dürfen endlich Höhenmeter vernichtet werden. Die Traverse durch rauhe Steilhänge, insbesondere bei Tentiwang, bereitet wenig Freude. Ich bin froh, hier nicht wieder abfahren zu müssen.
Ein komfortables Schneeband führt durch den ersten Abbruch, gleichzeitig erwacht der Tag und gibt den Blick frei aufs Tödi-Massiv. Der zweite Abbruch ist fast gänzlich ausgeapert und kaum zu begehen. Problemlos steigen wir mit Steigeisen die Schneerus hoch. Auch hier vergisse ich keine Tränen, weil ich das enge Couloir später nicht abrutschen "darf". Gleich nach dem Ausstieg überholen uns vier Muotathaler Gwändlis. Einer muss wenig später erschöpft aufgeben. Auch bei mir machen sich nach dem steilen Fussaufstieg erste Anzeichen der Erschöpfung bemerkbar. Freude bereitet hingegen die hochalpine Gletscherarena - umrahmt von Bifertenstock, Piz Urlaun und Gliemspforte -, welche just in diesem Moment von der Sonne wachgeküsst wird.
Das Ziel ist bald in Sichtweite, mag aber nicht recht näherkommen. Der Schlussaufstieg in den Sattel kurz vor dem Gipfel zerrt an den letzten Kräften, besser wir hätten vorher noch die Harsteisen montiert. Auf dem Tödi (3614m) sind die Strapazen dann vorübergehend vergessen. Es weht kaum ein Lüftchen, das Panorama lässt keine Wünsche offen. Bei den Vorbereitungen zur Abfahrt kreuzen wir Hans Rauner von der Planurahütte, inklusive Rückweg ebenfalls eine happige Tour mit über 2500Hm. Er bestätigt unsere Vorfreude auf den 1000m Hang. Hinter ihm folgt eine zweite Türlerwelle, dieses Mal ausschliesslich aus der Kategorie "Hobby".
Wir fahren ab bis auf 3200m, von hier nochmals kurzer Aufstieg in die Gliemspforte (3260m), dem Übergang vom Glarner- ins Bündnerland. Leider liegt im Steilhang (bis 40°, südexponiert) zu wenig Schnee, als man ihn abrutschen könnte. Deshalb müssen wir rückwärts mit Steigeisen und Pickel absteigen. Für mich die heikelste Stelle des Tages und äusserst kräfteraubend, physisch und psychisch. Dort wo die Kette freiliegt hingegen absolut problemlos. Vorsicht bei weichem Frühlingsschnee im unteren Bereich, dort beginnt die Spaltenzone. Als ich mich wieder auf den Skiern einrichte, öffnet sich gleich neben mir ein Schlund – unheimlich.
Drei Minuten später stehen wir bereits im Durchschlupf P. 2996 und blicken 1000m ins Val Russein runter. Yeah! Alternativ liesse sich auch über R. 219b in die Surselva abfahren, doch diese Route ist komplett südexponiert und sehr früh nassschneelawinengefährdet. Unser 1000m Westhang hingegen wird später eingesonnt. Die obersten Meter sind eng und steil, vorübergehend erreicht man 35-38°. Bald läuft das Gelände aber in sanft geneigte, breite Traumhänge aus. Während sich Ueli eher an die härteren Bereiche im Süden hält, folge ich konsequent dem Sulz auf der Nordseite: butterweich zu fahren, selbst mit meinen erschöpften Beinen Genuss pur. Irgendwann findet jeder Traum ein Ende, in diesem Fall im Val Russein.
Der Führer schweigt sich zum Thema geflissentlich aus, doch das idyllische, einsame Tal ist lang, sehr lang. Und flach, sehr flach. Mit schnellem Schnee käme man knapp durch, doch wann findet man den im Frühjahr um diese Zeit, auf dieser Höhe, in dieser Exposition!? So durchstöckeln wir sicher einen Drittel des Tals, bis unterhalb von Barcuns Dado schliesslich der Schnee ausgeht. Gut zehn Minuten später erreichen wir Punt Grondo (1032m) an der Hauptstrasse nach Disentis. Wir ziehen das Taxi dem 30-minütigen Fussmarsch nach Sumvitg-Cumpadials vor. Beim ÖV-Weltreislein zurück nach Schwanden verbleibt genügend Zeit, die Beine hochzulagern und das Erlebte zu verdauen.
Tour mit Ueli
Zeiten
7:30 Tödi
3:00 Punt Grondo (Sumvitg)
Hike partners:
Bergamotte
Communities: Skitouren
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0Km
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