Roggspitze - ein steiler Zahn im Land der bunten Steine


Publiziert von gkraxler , 10. September 2013 um 20:53.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum:31 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 9:30
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m

Jedem Liebhaber der Lechtaler Alpen wird bei einer Tour im Valluga- und Stanskogelgebiet sicher einmal die kecke, spitze Gestalt der Roggspitze aufgefallen sein. Wie ein steiler Zahn thront sie über dem Talschluss des Almajurtals, ihre Ost- und Südwände steilen sich nahezu senkrecht auf. Beinahe poetisch sind dann auch die Beschreibungen in der Führerliteratur: „Der vewegenste, trotzigste Recke unter allen Erhebungen der Lechtaler Alpen“ ist da zu lesen, vom „auffallendsten und formschönsten Gipfel der westlichen Lechtaler Alpen, einem eleganten Dreikant“ ist da die Rede. Dass die Roggspitze trotz ihres abweisenden Erscheinungsbildes relativ häufig besucht wird, liegt zum einen an der beliebten und sanierten Südpfeiler-Route (III+), die in festem Fels schon zahllose Seilschaften erlebt hat. Zum anderen hat auch die Roggspitze eine schwache Seite – in der Nordflanke lässt sich der Felszacken mit etwas Orientierungssinn, Schwindelfreiheit und Kletterfertigkeit bis II in brüchigem Fels relativ schnell besteigen.

Den einfachsten und schnellsten Zustieg für eine Roggspitzbesteigung hat man sicherlich vom hochgelegenen Zürs aus. Wer jedoch von der Lechtaler Seite kommt, dem sei die Mitnahme des Bikes angeraten. So kann man der Roggspitze auch von Kaisers aus in einer bequemen Tagestour aufs Haupt steigen. Wir starten frühmorgens am Parkplatz des Kaiserjochhauses im Kaisertal auf knapp 1.500 m, ca. 1 km hinter Kaisers. Nach wenigen Metern überqueren wir den Kaiserbach und fahren mit dem Bike auf bequemer Forststraße, stets in leichtem Auf und Ab, in das lange Almajurtal hinein. Die Bodenalpe lassen wir links liegen. Kurz darauf überquert unser Fahrweg den Almajurbach. Auf dem gut fahrbaren Karrenweg hinauf zur Erlachalpe geht es etwas steiler zur Sache. Nach gut 1,5 Stunden haben wir fahrender- und schiebenderweise ;-) die urige Erlachalpe auf 1.922 m erreicht. Hier Bikedepot. Die Roggspitze zeigt sich hier erstmals in ihrer ganzen abweisenden Wuchtigkeit.

Von der Erlachalpe aus folgen wir dem markierten Weg zur Stuttgarter Hütte. Dieser leitet in ca. einer Stunde durch wunderschöne Almmatten, erst zuletzt durch etwas Geröll, gut 500 hm empor zum Erlijoch. Verlaufen ist praktisch nicht möglich, der Weg ist bestens mit Eisenstangen(!) markiert. Vom Erlijoch steigt man wieder gute 100 hm hinab zur Wegverzweigung kurz vor der Stuttgarter Hütte (ca. 15 Minuten vom Joch). Hier steigen wir auf dem „Boschweg“ gen Süden. Um zur Roggscharte zu gelangen, kann man nun die Westliche Erlispitze über ihren Nordgrat überschreiten. Den Einstieg markiert ein großer Steinmann nach wenigen Metern auf dem Boschweg. Da unser Rückweg aber ohnehin über die Erlispitze führt, lassen wir den Nordgrat links liegen und umrunden die Erlispitze auf dem Boschweg (einige steile Runsen müssen gequert werden, z.T. seilversichert), bis sich die Roggspitze mit ihrer Nordflanke direkt vor uns aufbaut.

Man kann nun über Steilgras mühsam die 200 Höhenmeter zur Roggscharte aufsteigen. Wir verwenden für den Aufstieg jedoch eine ausgewaschene Mergelrinne, welche zwischen den Steilgrasplanken von der Scharte herunterzieht. Mit sorgfältigem Steigen in dem senkrecht geschichteten, splittrigen und recht kleingriffigen Fels (I) kommt man überraschend gut voran, nach einer halben Stunde ist die Roggscharte gewonnen. Diese Aufstiegsvariante sei bei Nässe allerdings dringend widerraten!

Von der Roggscharte aus wirkt die Roggspitze gar nicht mehr so unnahbar und steil. Knappe 200 Höhenmeter im brüchigen Fels der Nordflanke trennen den Bergsteiger nur noch vom Gipfel. Der Einstieg von der Roggscharte in den Gipfelfels ist leichtes Gehgelände. Im unteren Teil weisen Steinmänner und seichte Trittspuren den einfachsten Weg. Eine steile Wandstufe wird rechts umgangen, man gelangt somit in das Rinnensystem der „Schwarzen Rinne“. Die Aufstiegsvarianten durch diese Rinne sind zahlreich und den persönlichen Vorlieben des Bergsteigers überlassen. Orientierungsschwierigkeiten sollte es keine geben, da man in der Rinne stets das übermächtige Gipfelkreuz direkt im Blick hat. Leichte Kletterstellen wechseln sich immer wieder mit Gehpassagen, Quergängen und Bändern ab. Der Fels zeigt sich leider recht brüchig. Vergleichbares Gelände findet man z.B. in der Parseier-Südwand. An geeigneter Stelle verlässt man das Rinnensystem und klettert die wenigen restlichen Höhenmeter bis zum Gipfelkreuz in steilem, kleingriffigem, aber festem Fels. Das Durchsteigen der Nordflanke nimmt etwa eine halbe Stunde in Anspruch. Zurück in die Roggscharte auf gleicher Route.

Von der Roggscharte aus gibt es wohl auch eine Harakiri-Abstiegsmöglichkeit direkt nach Osten hinunter zur Erlachalpe. Gerade im oberen Teil besteht diese Flanke jedoch aus nahezu senkrechten, brüchigen Mergelrinnen, weshalb wir gerne darauf verzichten. Wir überschreiten stattdessen nun die Westliche Erlispitze. Hierzu steigen wir von der Roggscharte wenige Höhenmeter hinauf bis zum Gipfelfels. Dieser wird in wenigen Minuten in schönem, festem(!) Hauptdolomit erklettert (II). Der nun folgende Abstieg über den Erlispitz-Nordgrat ist zwar kein klettertechnischer Hochgenuss (Stellen I), aber er zählt geologisch wohl zu den eindrücklichsten Landschaften der Lechtaler Alpen. Es ist eine wahre Augenweide, welch unterschiedlichste Gesteinsarten und Felsformationen hier auf 300 Höhenmetern durch eine Laune der Natur zusammengetragen wurden! Ein wahres Feuerwerk an Farben und Formen wartet hier auf den staunenden Berggänger.

Nach einer Dreiviertelstunde Gratabstieg sind wir wieder beim großen Steinmann auf dem Boschweg angekommen. Der Rückweg ist nun identisch zum Aufstieg – 130 hm Gegenanstieg zum Erlijoch und 500 hm bergab zur gemütlichen Erlachalpe, die mittlerweile offensichtlich ein beliebtes Ziel für Mountainbiker geworden ist. Eine Einkehr in dieser ursprüngliche Alpe mit Blick auf Valluga und Roggspitze sei ausdrücklich empfohlen! Nun werden die müden Füße für ihr Tageswerk belohnt – mit dem Bike ist der lange Weg durch das Almajurtal hinaus nach Kaisers in einer guten halben Stunde erledigt.

Fazit: eine lange, landschaftlich äußerst eindrucksvolle Tour auf einen kühnen Felszacken, der über seine „schwache Seite“ einfacher als gedacht erstiegen werden kann. Sicheres Klettern im II. Grad in brüchigem Fels sowie Orientierung im weglosen Gelände sind jedoch Grundvoraussetzungen. Als geologisches Highlight sei der Erlispitz-Nordgrat empfohlen. Ein Geheimtipp ist die Roggspitze sicherlich nicht – mit uns waren an einem schönen Augustsamstag zwei weitere Gruppen auf dem Normalweg und eine Partie auf dem Südpfeiler unterwegs. Dem Reiz der Roggspitze kann man sich wohl auf Dauer nicht entziehen ;-)

Tourengänger: gkraxler


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Kommentare (4)


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paul_sch hat gesagt: Gratuliere
Gesendet am 13. September 2013 um 16:16
Gratuliere zur Hikr-Erstbesteigung! :-) Dein Bericht erinnert mich daran, dass ich mit diesem Bergerl noch eine Rechnung offen habe. Vor Jahren machten wir den Südpfeiler, und der Abstieg, der im Führer kaum beschrieben war, artete bei Nebel und drohender Dunkelheit fast in ein Drama aus...

gkraxler hat gesagt: RE:Gratuliere
Gesendet am 13. September 2013 um 16:38
Hallo Paul, - ja, mich hat's auch gewundert, dass es von diesem markanten und nicht gerade einsamen Gipfel noch keinen Bericht gibt. Du hast schon Recht - wenn man die Nordflanke vom Aufstieg her nicht kennt, wird's im Abstieg bei schlechter Sicht recht knifflig. Deine Beschreibung erinnert mich irgendwie an diesen Bericht hier:

http://www.eigelb.at/?p=f0is1l1966j-f1ia4244j-f2is320j-l3382

paul_sch hat gesagt: RE:Gratuliere
Gesendet am 13. September 2013 um 16:43
Das wundert mich nicht, denn der Bericht ist von mir! :-)

gkraxler hat gesagt: RE:Gratuliere
Gesendet am 13. September 2013 um 16:47
Ja, so klein ist die hikr-Welt ;-) Hab Deine Website vor ein paar Jahren schon mal gefunden, als ich Infos zum Kaltenberg gesucht hab ...


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