Hoch- und Klettertouren im einsamen Gauligebiet


Publiziert von steindaube , 25. Juli 2013 um 14:17.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Oberhasli
Tour Datum:14 Juli 2013
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 8 Tage
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Meiringen beschildert Richtung "Rosenlaui Gletscherschlucht". Mautgebühr für Straße und Parken. Am Hotel Rosenlaui vorbei etwa 40 Höhenmeter weiter oberhalb Parkplätze. Dort direkt Beginn der Schlucht (kostenpflichtig, lohnend).
Unterkunftmöglichkeiten:Dossenhütte und Gaulihütte; es bieten sich aber auch Übergänge zu weiteren Hütten an (Bächlihütte, Lauteraarhütte, Grübenhütte, ...)
Kartennummer:SLK 1230 (1:25.000)

Die Region um den Gauligletscher im Berner Oberland ist eine recht ruhige Bergregion. Das liegt zum einen daran, dass die Gipfel "im Schatten" der benachbarten 4000er gern übersehen werden. Zum anderen sind aber auch die Hüttenzustiege lang und mitunter gar nicht so einfach. Zu bieten hat diese Gegend aber eine Menge: Tolle Grate, weitläufige Gletschergebiete und prachtvolle Blumen und Wasserfälle.

Zustieg zur Dossenhütte (T5)

Unsere Tour haben wir in Rosenlaui begonnen. Die Zufahrt über eine enge, kurvige und teilweise auch steile Mautstraße ist bereits die erste kleine Herausforderung. Man kann bereits erste Blicke auf die Abbrüche des Rosenlaui-Gletschers erhaschen. Gegen Eintrittsgebühr geht es vom Parkplatz durch die durchaus sehr sehenswerte "Rosenlaui Gletscherschlucht". Der tosende Bergbach hat sich hier bis über fünfzig Meter tief sehr schmal in den Fels eingeschnitten. Weiter geht es einen gemütlichen Steig aufwärts, nach links zweigt der Zustieg zur Engelhornhütte ab. Dem Tal einwärts folgend und die letzten Bäume hinter sich lassend präsentiert sich der Rosenlaui Gletscher immer wieder aufs Neue. Nun geht es auf einem Moränenkamm oder einem Altschneefeld direkt dahinter bis unter die Felsen. Drahtseilversichert und immer wieder mit einfachen Kletterstellen durchsetzt zieht der blau markierte Steig sich jetzt steil hinauf, zuerst an der Biwakschachtel (für den Winter) vorbei und weiter hinauf zur Dossenhütte. Hier zieht das Gstellihorn, die höchste Erhebung der Engelhörner, den Blick magisch auf sich. Schroff fallen die Wände gegen den Ürbachsattel hin ab und bieten eine Menge anspruchsvoller Kletterrouten. An der gemütlichen Dossenhütte angekommen begrüßte uns erst einmal einer der Hüttenwarte mit der Zieharmonika.

Dossen und Ränfenhorn (III)

Am nächsten Morgen ging es nach dem Frühstück um halb fünf direkt hinter der Hütte auf den Dossengrat. Dieser etwa fünfhundert Meter lange Grat führt abwechselnd in Gehgelände und Klettergelände bis III zum Dossensattel hinauf. Die anspruchsvolleren Abschnitte sind drahtseilversichert. Wir haben uns entschlossen diese zu ignorieren und den Anstieg normal als Seilschaft zu klettern. Dank gutem Fels eine lohnende Sache. Vom Sattel gibt es verschiedene Möglichkeiten zum Gipfel des Dossen hinauf zu gelangen. Wir haben uns nach kurzer Pause etwas rechts (westlich) gehalten und dann direkt in etwa vier Seillängen den Gipfel erreicht. Die Rundumsicht kann sich sehen lassen.

Vom Gipfel erreicht man einfach ein westlich herabziehendes Schneefeld das einen dann auf die Gletscherfläche führt. Über dieses flache Gelände und zuletzt wieder etwas steiler sind wir dann aufs Ränfenhorn weiter gezogen. Die Aussicht während der Tour weiß wirklich zu begeistern: Wetterhorn, Mittelhorn, Rosenhorn, Ankenbälli, Ewigschneehorn... Über die südöstlich herabführenden Firnhänge kann man zunächst schnell absteigen. Das Gelände wird aber zunehmend felsdurchsetzt und zuletzt gilt es einen guten Abstieg über die Seitenmoränen hinab auf den Gauligletscher zu finden. Diesem folgt man dann sehr flach abwärts bis zum deutlich markieren Ausstieg kurz bevor der Gletscher wieder steiler würde. Geschafft ist die Tour damit noch nicht. Es geht noch einmal aufwärts und einige Strecke ist auch noch zurückzulegen bis man die Gaulihütte erreicht. Die letzten steilen Abstiege trafen wir als angenehme Firnrinnen an. Ein langer aber sehr lohnender Übergang. Die Gaulihütte mit ihrer super netten Hüttenteam rund um die Hüttenwartin Susanne Brand blieb für die folgenden Tage dann unser Stützpunkt.

Wasserfälle (T4) und etwas Sportklettern (IV-V)

Nach den beiden anstrengenden Tagen ließe wir es erst einmal etwas gemütlicher angehen. Von der Hütte etwas aufwärts führt ein Steig aufs Chammliegg und dann über traumhafte gletschergeschliffene Felsplatten teils drahtseilversichert hinab zum Gaulisee. Hier sind einige nette Sportkletterrouten in einfachen bis mittleren Schwierigkeitsgraden eingerichtet. Mit Hochtourenstiefeln haben wir hier vier oder fünf Routen um den vierten bis fünften Grad geklettert.

Weiter hinab zum See und hinüber zu seinem Abfluss geht es leicht auf und ab über Moränen und geschliffene Felsplatten. Eine kleine Hängebrücke würde das überqueren des Bachs ermöglichen um beispielsweise zur Oberen Bächlilücke und weiter zur Bächlitalhütte zu gelangen. Wir sind dem kleinen Strom weiter abwärts gefolgt dorthin wo er drei imposante Wasserfälle speist. Hier geht es drahtseilversichert und steil etwa dreißig Höhenmeter hinab, weiter über ein kurzes Schneefeld (das nun sicher schnell verschwindet) und über einen einfachen Weg zuerst noch weiter hinab, dann wieder hinauf zur Gaulihütte. Diese Wasserfallrunde lässt sich auch gut mit dem Hüttenabstieg kombinieren.

Hangendgletscherhorn über Normalweg (WS-)

Wegen mäßiger Wettervorhersage im Tagesverlauf haben wir schon um halb vier gefrühstückt und sind mit Stirnlampen gestartet. Der erste Teil des Wegs hinauf zu den kleinen Seen bei etwa 2450m (noch unter Schneedecke) ist dank Steigspuren und Steinmännern recht gut auch im Dunkeln zu finden. Nun ist trotz einzelner Steinmänner etwas mehr Gespür gefragt um einen guten Weg durch das felsdurchsetzte Gelände zu finden. Am Chipfestock (von unten ein markanter großer Felsblock) geht es rechts vorbei. Der etwas zaghafte Sonnenaufgang (deutliche Wolkenbildung) hat warme Farben auf die schneereiche Landschaft gezaubert. Jetzt kann man entweder links im Firn hinüber direkt auf den Gletscher gehen oder (unsere Variante) gerade aufwärts und über einen kurzen Firngrat (etwas mühsam) den Gletscher bei etwa 2840 Metern betreten. Über diesen geht es dann problemlos und zuletzt im aufsteilenden Firn (kleiner Bergschrund) auf den Wintergipfel. Den Übergang zum geringfügig höheren Sommergipfel haben wir uns geschenkt, da wir bereits in Wolken gehüllt waren. Abstieg wie Aufstieg. Mit weniger Altschneefeldern wird die Orientierung immer einfacher.

Tälligrat (IV)

Von der Gaulihütte führt ein Zustiegsweg direkt zum Tälligrat hinüber. Ein Stück bevor man diesen erreicht entdeckt man eine druch Steinmänner markierte Zustiegsroute aufwärts. Zuletzt durch ein Geröllfeld und über ein kleines Altschneefeld zum Einstieg. Hier geht es gut mit Bohrhaken abgesichert vier Seillängen auf den Grat hinauf (IV, III, IV, IV). Schöner griffiger Fels. Über den Grat geht es dann in teils leichtem Gelände, abschnittsweise wieder mit Standplatzsicherung weiter aufwärts zu einem kleinen Gipfelkreuz. Man folgt dem Grat von diesem aus noch weiter bis man ihn irgendwann leicht in südlicher Richtung hinab auf die Firnfelder verlassen kann. Abstieg am einfachsten nahe am Grat haltend abwärts wieder auf den markierten Steig hinab.

Chammligrat (III, ZS-)

Von der Hütte über den Chammlibach und dann über Firnfelder (kurz steil, dann wieder flacher) aufwärts bis zum Grat. So umgeht man den unteren (wohl auch weniger interessanten) Teil des Grats und betritt ihn etwas oberhalb von 2800m Höhe. Zuerst über Block und Schuttgelände aufwärts auf P. 2981, dann wechselnd in einfacherem und schwierigerem Gelände fast immer direkt auf der Gratschneide. Abschnitte III. Man könnte in die Flanken ausweichen um die schwierigen Stellen zu umgehen (unschön), dann WS+/II. Durch seine beachtliche Länge und einige Scharten die es zu überwinden gilt ist das durchaus eine längere Unternehmung bis man schließlich Firnfelder erreicht und kurz unterhalb des Wintergipfels des Hangendgletscherhorns den Grat verlässt. Abstieg auf dem Normalweg. Am Grat perfekte Verhältnisse, komplett Schneefrei. Abstieg über die Altschneefelder sehr angenehm.

Vortrag: Flugzeugabsturz 1946 auf dem Gauligletscher

Zufällig haben wir noch einen sehr interessanten Vortrag an der Hütte mitbekommen. Während an der Hütte meist unter zehn Gäste waren, versammelten sich zu dieser Gelegenheit am Samstag Abend über 70 Bergsteiger. Alle Lager waren prall gefüllt. Anlass war der Absturz einer amerikanischen Militärmaschine vom Typ C-53 vor mehr als 65 Jahren auf dem Gauligletscher. Der Absturz selbst war sehr viel Glück im Unglück. Nur haarscharf flog die Maschine damals ohne jegliche Sicht an mehreren Berggipfeln und Felsen vorbei an denen sie leicht hätte zerschellen können bevor sie schließlich mit 280 Stundenkilometern auf einer Höhe von 3300 Metern in den Gletscher krachte. Damals dauerte es einige Tage bis überhaupt bekannt war wo die Maschine zu Boden gegangen ist, da sie viel weiter westlich in Frankreich vermutet wurde. In einem über dreizehnstündigen Marsch stieg dann eine 84-köpfige schweizer Rettungsmannschaft durch Gletscherbrüche und tiefen Schnee (Ende November) zur Unglücksstelle auf. Von amerikanischen und schweizerischen Flugzeugen wurde zudem allerlei Nützliches und weniger Nützliches abgeworfen (das sich irgendwann später dann Bergsteiger holten). Nachdem die Retter die Insassen in flacheres Gelände hinab gebracht hatten wurden diese mit Hilfe von zwei kleinen Flugzeugen vom Typ Fieseler Storch ausgeflogen. Die erfolgreiche Rettung ging damals durch die ganze Weltpresse. Nur wenige Tage nach der erfolgreichen Rettung setzte starker Schneefall ein, der in einer Katastrophe hätte enden müssen wenn er etwas früher begonnen hätte. Der Propeller der Unglücksmaschine wurde 2012 auf dem Gletscher entdeckt. Am Rande ist noch sehr amüsant, dass das amerikanische Militär die Rettung damals mit Jeeps und Kettenfahrzeugen durchführen wollte. Politisch führte die erfolgreiche Rettung zu einer erheblichen Verbesserung im damals angespannten Verhältnis zwischen der Schweiz und den USA.

Abstieg (T4)

Nach einem weiteren gemütlichen Tag an der Hütte Abstieg durch das wunderbare Ürbachtal im Angesicht der Engelhörner nach Innertkirchen (im unteren Teil hat uns ein netter Anwohner mit seinem Pickup mitgenommen). Von Innertkirchen sind wir bis Zwirgi wieder zu Fuß aufgestiegen und haben den letzten Teil zurück zum Auto in Rosenlaui dann mit dem Postbus zurück gelegt.

Sehr abwechslungsreiche Tage in traumhafter Landschaft liegen hinter uns.

Tourengänger: steindaube


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Kommentare (2)


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jfk hat gesagt:
Gesendet am 25. Juli 2013 um 20:25
Habe doch gedacht, dass an diesem Wochenende auch Hikr auf der Hütte gewesen sein könnten. Habe in dieser Zeit als Hüttengehilfe oben gearbeitet (Bericht folgt). Wenn mich euren Touren nach nicht alles täuscht, haben wir uns ein paar mal unterhalten. Hat es, wenn ihrs dann seit, mit dem Finsteraarhorn und den hohen Wallisern geklappt und geht es Christine wieder etwas besser?

Viele Grüsse

Jonas

steindaube hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. Juli 2013 um 22:38
Richtig geraten, wir haben ein paar mal geredet :-).

Bei uns ist alles bestens. Wir fahren morgen nach Fiesch und werden je nach Wetter am Dienstag oder Mittwoch am Finsteraarhorn stehen.

Gen Zinalrothorn fahre ich dann mit einem Kumpel die Woche drauf. Wenn's klappt kannst Du auf Hikr nachlesen ;-).

Matthias.


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