Zum "Balcone d'Italia" - Sighignola via West- und Südwand

Für diesen Mittwoch hatte ich wieder einmal ein ganzes Arsenal an Pfeilen im Köcher. Die Devise war jedoch klar: ab in den Süden, je weiter desto besser, denn dort wurden zumindest ein paar Sonnenscheinstunden prognostiziert. Da aber die Schneefallgrenze in den Tagen zuvor bis deutlich unter 2000m fiel, wurden die meisten Pfeile schon am Vortag zur Makulatur. So blieb denn am Morgen früh schlussendlich lediglich noch wenig Munition übrig. Polder wollte ebenfalls 2 Tage im Süden verbringen und plante das Valsolda unsicher zu machen. So trafen wir uns denn im Zug und versuchten meine und seine Pläne zu verheiraten. In der Gegend um Porlezza wurde dann auch ein gemeinsames Ziel anvisiert. Die Ausfahrt "aus dem Loch" in Airolo war dann aber wenig erbaulich, zwar hellte es kurz vor Bellinzona einmal blau auf, aber lediglich bis zum Ceneri. Bei diesem zweifelhaften Wetter hatte ich keine Lust die weitere Reise nach Porlezza anzutreten und liess Polder alleine zu seinen Valsolda-Zielen ziehen. Ich meinerseits zog einen Trumpf aus dem Hosensack, den ich für solche Fälle schon lange mit mir herum getragen hatte, nämlich dem Balcone d'Italia (aka Sighignola) einmal einen Besuch abzustatten.

Als ich in  Melide aus dem Zug steige scheint dann zu meiner Freude die Sonne wieder. Vorbei an der Swiss Miniature laufe ich über den Damm nach Bissone und dem markierten Wanderweg entlang zur Kapelle San Vitale nordwestlich von Arogno. Mein Aufstieg auf die Sighignola und der anschliessende Abstieg nach Campione d'Italia entspricht in etwa jenem von Alpin_Rise hier. Ich denke aber, dass ich bis zum Hochspannungsmast eine andere Route als er gewählt habe, denn das was ich bei ihm gelesen habe stimmt nicht wirklich mit dem überein, wie ich hochgekraxelt bin. Meine Route zum Hochspannungsmast ist soweit ich das beurteilen kann (im Gegensatz zu seiner ?) genau so auf der aktuellen Landkarte eingezeichnet.

Zuerst folge ich wie Rise dem markierten Weg, verlasse ihn aber schon etwa auf einer Höhe von 720m, bei einer Lichtung mit grünem Bänkli und einer Eiche (es hat dort auch ein verlottertes kleines Hüttli). Den Berg hoch führt eine nicht markierte, aber deutliche Wegspur bis ca, 800m. Dort quert diese links durch ein ziemlich abschüssiges Felsband. Am oberen Ende dieses Felsbandes kann man entweder der deutlichen Wegspuren weiter gegen Norden ausholend folgen, oder weniger deutlichen Weg- (resp. Wild-) Spuren steil in östlicher Richtung bergan kraxeln. Der Boden ist hier sehr feucht und rutschig und das T4 fühlt sich im sehr abschüssigen Gelände mehr wie ein T5 oder noch mehr an. Auf ca. 900m folge ich dann der klaren Wegspur in südöstlicher Richtung etwas weniger steil hinauf zum Hochspannungsmast auf ca. 1040m.

Um die Aussicht etwas besser geniessen zu können klettere ich dort ein Stück weit auf den Mast, das verhilft mir zu einem wunderbaren Tiefblick nach Arogno und zu den südlichen Armen des Lago di Lugano. Die auf der Karte eingezeichneten Wege in der wilden Süd- und Ostflanke wurden ziemlich sicher nicht von gipfelorientierten Alpinisten, sondern wohl eher von Genzwächtern fürs Patroullieren angelegt (wohl so ähnlich wie der Sentiero delle Guardie beim Generoso), denn für Leute die in erster Linie den Gipfel erreichen möchten, machen diese horizontalen Querungen wenig Sinn. Genau so gipfelstrebig fühle ich mich heute und wähle deshalb vom Hochspannungsmast den direkten Weg zum höchsten Punkt via den Südwestgrat. Auch hier findet man so etwas wie eine Wegspur. Zu Beginn ist der Grat etwas kraxlig-felsig (nichts Schwieriges) flacht aber schnell ab und wird zu Gehgelände.

Die Aussicht auf dem "Balcone d'Italia" kann man ohne Einschränkungen rühmen. Zwar sieht man dort viel mehr Schweiz als Italien, dies spielt aber für mich keine Rolle. Ich mache eine ausgiebige Pause, verpflege mich und mache auch ein Nickerchen an der Sonne (ja sie scheint tatsächlich noch immer!). Die hässliche Bergstation der nie fertiggestellten Luftseilbahn ist inzwischen etwas zurückgebaut worden und die ehemalige Station dient jetzt als weiterer Aussichtsbalkon. Irgend so ein Fotomodell zusammen mit Fotograf und Entourage halten dort gerade eine Fotosession ab. Wenn ich mit meiner Kamera davon auch Bilder gemacht hätte, müssten diese auf hikr wohl zensuriert werden, denn jene Bilder wären eher für andere einschlägige Platformen geeignet als ein Bergsportportal...

Mein Abstieg erfolgt dann via NW-Grat - Alpe di Pugerna - San Evasio nach Campione. Die Markierungen sind im Mittelteil ziemlich inexistent, dies spielt aber keine grosse Rolle. Da ich noch nie in dieser italienischen Exklave, respektive schweizerischen Enklave war, schaue ich sie mir ein wenig an. Natürlich dominiert das monströse Casino das Bild, aber ich finde trotzdem das eine oder andere hübsche Gässchen hier. Als das nächste Schiff kommt, hält mich aber nichts mehr an diesem Ort, ich steige ein und gleite davon.